Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, Michaels Formalismusdebatte, Stefanies große Bilder der zweiten Moderne, Jörg-Uwes Held seiner Jugend und Jürgens Biss in den Teppich

LVZ, Kulturseite, vor einigen Tagen, Artikel von Michael Meyer

Man findet Texte, die durch ihre gedankliche und sprachliche Brillanz den anspruchsvollen Leser zu einer wiederholten Auseinandersetzung mit dem gesamten Beitrag, aber zumindest mit ausgwählten Abschnitten treibt.
Ich würde meine Abhandlungen nur ungern aus dieser Kategorie ausschließen.

Aber natürlich gibt es auch andere Texte, die mehrmalig zur Kenntnis genommen werden. Doch in diesen Fällen eher zur Vergewisserung, ob innerhalb einer überschaubaren Wort-Menge tatsächlich derartig gnadenlos frappierende Unkenntnis und beleidigende Oberflächlichkeiten verteilt wurden.

Die Ausstellungs-„Kritik“ zu einer Mattheuer-Ausstellung in Rostocks Kunsthalle (LVZ, 4.Juni, 2017) erfordert diese Einordnung.

Schon die Überschrift irritiert mich („Große Bilder einer zweiten Moderne“)

Mattheuers „zweite Moderne“ wird dann nochmals im Text wiederholt.
Verstehe ich nicht.
Mattheuers Bilder als eine „zweite Moderne“.
Erschließt sich mir tatsächlich nicht.

Sicherlich hatte sich Stefanie Michels von der Leipziger Galerie Schwind um Originalität bemüht.
Und zumindest klingt „zweite Moderne“ ziemlich wichtig und schick.
Nur der Inhalt ist von beklemmender Einfalt.

„Moderne“ wird während der vergangenen Jahrhunderte nicht selten etwas fahrig eingesetzt, abhängig von historischen Positionen und unterschiedlichen Akzentsetzungen bei gesellschaftlichen Abläufen, nicht nur bei bildender Kunst, bei Literatur und Musik.
Schon in spätantiken Schriften finden sich dazu Gelehrten-Debatten.
Auch Baudelaire wird um die Mitte des 19.Jahrhunderts als Garant der literarischen Moderne eingesetzt.
Gleichfalls der Naturalismus und der Jugendstil wurden mit Lorbeeren der Moderne beschenkt.
Eigentlich hätte sich auch C.D.Friedrich angeboten, mit seinem avantgardistischen Naturverständnis.
Oder William Turner, mit ähnlichen Lebensdaten und einer Hinwendung zu radikal vorgetragenen Impressionismus-Overtüren.
Und natürlich agierten die großen Einzelkämpfer Cezanne, van Gogh, Gauguin, Munch und Ensor als gewichtige Türsteher an den Portalen zur Moderne.

Es gäbe also reichlich Möglichkeiten, „modernes“ Material unterschiedlich einzuordnen.

Als arg vereinfachten Hinweis könnte man man die „Moderne“ als Überwindung herkömmlicher Traditionen, angetrieben durch kulturelle, wirtschaftliche, soziologische, politische…Entwicklungen, gelten lassen.
Also ein Kübel endloser Interpretationen.

Und ab Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es dann richtig modern.
Die „Fauves“ klatschten mit ungeschliffenen Pinseln ihre französische Farbe auf die Fläche, die Expressionisten der „Brücke“ und des „Blauen Reiters“ zelebrierten ihre Farb-Exzesse und ihre Tendenz zur Abstraktion
Marinettis Futurismus wollte die gesamte abendländische Kultur zerstören und der Dadaismus animierte das apathische Bürgertun zu Kotz-Orgien.
Ziemlich viel Moderne.

Und nun Mattheuer als Gründer oder zumindest als Teilnehmer einer „zweiten Moderne“ ?
Erschließt sich mir immer noch nicht.
Zumal im Artikel wenige Zeilen später die „besonderen“ Nuancen seiner Kunst abgeleiert werden.
Also pop-artig, sachlich, surreal, sozial realistisch, zugehörig zur figurativen Moderne…
Für den Artikelschreiber gibt es nähmlich nach dem zweiten Weltkrieg nicht nur zwei Deutschlands, sondern auch zwei Kunstströmungen, der ostdeutschen „figurativen Moderne als sozialer Realismus“ würde man dann Mattheuer zuschlagen.
Dazu kein Wort von mir, ist einfach zu blöd.
Klingt aber erneut schick und gelehrt.

In meinem kunsthistorischen Gedächtnis bilden sich im Zusammenhang mit pop-artigen, surrealen, sachlichen Akzenten dann Namen wie Kanoldt, Schad, Schrimpf, Lichtenstein, Oldenburg, Wesselmann, Magritte, Delvaux, Oelze…
Elemente von Vertretern wichtiger Kunstströmungen, die Mattheuer duchaus aufgenommen und mehr oder weniger originell und qualitätsvoll verarbeitet hat, wogegen natürlich kein Einwände bestehen sollten.
Doch für diese Erkenntnis bedarf es keiner tiefschürfenden Kunstgeschichts-Kenntnisse.
Das erkennt jedes Frettchen mit grauem Star.

Auch deshalb reduzieren sich bei mir auch keineswegs die Irritationen, wenn ich zur Kenntnis nehme, dass Mattheuer zu irgeneiner „Moderne“, gleichgültig ob 1.Moderne, 2.Moderne oder 647.Moderne zugeordnet wird.
Denn bei aller gelegentlichen Originalität in Mattheuers OEuvre dominiert doch der Eindruck eines Konglomerats und einer nicht immer erträglichen Plakativität.

Aber es kommt noch viel feinsinniger.
Jörg-Uwe Neumann, Direktor der Rostocker Kunsthalle, wirbt für seine Ausstellung:

„Manche halten Mattheuer für den größten Künstler des 20.Jahrhunderts.
Für mich ist er auf jeden Fall der größte Künstler der DDR gewesen. Der Held unserer Jugend“.

Ich beiße in den Teppich und vermute, ich könnte aus dem Stegreif 1000 Künstlernamen nennen, deren Bedeutung für das 20 Jahrhundert ungleich höher anzusetzen wäre, z.B. Arp, Archipenko, Albers bis Zadkine.
Und das ist keineswegs eine Frage des Geschmacks.
Denn künstlerische Qualität ist mitnichten eine Frage des Geschmacks.

Außerdem bitte ich um einen angemessenen Einsatz des Possessivpronomens.
Die erste Person Singular wäre zwingend.
Denn durch die erste Person Plural fühle ich mich geknebelt, instrumentalisiert sozusagen.
Ähnlich wie „Deutschland unter Schock“, „Deutschland in Schockstarre“,….

Wenn einem Nationalspieler der deutschen Fußballtruppe ein Camembert auf die Nase klatscht, auf den Rängen gezündet, würde es bestimmt in der Presse heißen:

„Deutschland unter Schock“ oder „Deutschland in Schockstarre“
Vermutlich auch „Deutschland unter historischem Schock“ oder „Deutschland in historischerr Schockstarre“.

Denn heute ist irgendwie alles historisch.

Ich bitte zukünftig um eine Modifizierung:
„Deutschland unter historischem Schock – außer Jürgen“ oder „Deutschland in historischer Schockstarre – außer Jürgen“.

Also, Herr Neumann, ich bitte um „Held meiner Jugend“ und keinesfalls „Held unserer Jugend“.

Denn Mattheuer konnte ich nie mit einem Helden-Status beschenken.

Diese Grafik von Max Uhlig konnte man innerhalb der Schostakowitsch-Tage vor zwei Wochen in Gohrisch erwerben.
Der Ersatz durch eine Arbeit Mattheuers wäre für mich undenkbar.

Ich neigte z.B. eher zu der Kunst von Hermann Glöckner, Max Uhlig, Carl-Friedrich Claus, Hartwig Ebersbach, anfänglich auch zu Gerhard Altenbourg.
Von den weitgehend systemtreuen Künstlern der DDR bevorzugte ich eindeutig Bernhard Heisig.

Es gäbe noch viel über den Artikel von Michael Meyer zu speien.

So wird der „deutsch-deutsche Bilderstreit“ auf einer Ebene mit der unsäglichen Formalismus-Debatte in der DDR (Anfang der 50er Jahre) abgelegt.
Eine unerhörte Gleichstellung von Bedeutung und Wirkung zweier völlig unterschiedlichen Abläufe.

(Mein Beitrag über die Formalismus-Debatte in „ART Position“ kann im „documenta-archiv“ Kassel gelesen werden.)

Die Ausstellung in Rostock läuft scheinbar unter dem Titel „Bilder als Botschaft“.
Was sonst?
Ein feines Anliegen.
Toll!
Man zeige mir ein Bild ohne Botschaft.

Und im Artikel wird die Ausstellung als „Museumsdschungel zum Gucken“ , dicht gehängt, angepriesen.
Ich weiß nicht, wodurch sich ein Museumsdschungel auszeichnet, vielleicht durch enge Hängung.
Ich verabscheue eine enge Hängung und favorisiere eher Museumssavannen oder Museumssteppen.
Und natürlich sollten Museumsdschungel, Museumssavannen, Museumssteppen zum Gucken sein.
Und man sollte unbedingt gucken, denn sonst sieht man ja nicht, ob der Museumsdschungel, ob Museumssavannen und Museumssteppen etwas zum Gucken bieten.
Aber selbst bei Ausstellungen ohne aufgehängte Bilder sollte geguckt werden, denn sonst kann man ja nicht sehen, dass es nichts zum Gucken gibt.
Ein weites Feld, Herr Neumann.
Daran müssen Sie noch arbeiten.


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Juli 9, 2017 Posted by | Leipzig | 1 Kommentar

Jürgen Henne und das Wesen des Lasso-Satzes bei der journalistischen Bewältigung eines Firmen-Laufs

LVZ, 22.Juni 2017

Eine auffällig untalentierte Journalistin, die vor Jahren das Kultur-Ressort dieser Zeitung befehligte, nevte mich unablässig mit der Kategorie „Lasso-Satz“.
Also überzeugend geschriebene Formulierungen innerhalb von Überschriften oder Textanfängen, die potentielle Leser zu einer erhöhten Lesebereitschaft animieren sollen.
Nach ihrem fünfundneunzigsten Vortrag über diese journalistische Selbstverständlichkeit und meinem fünfundneunzigsten Hinweis, das Wesen des Lasso-Satzes positiv verarbeitet zu haben, hub sie zu der sechsundneunzigsten Behelligung an…..usw.
Eine große Ödnis vor dem Herrn.
Ihre Veranstaltungsempfehlungen endeten überwiegend mit: „Hingehen“ oder „Sehen wir uns?
Eine zweite große Ödnis vor dem Herrn.
Ich versuchte grundsätzlich der Frage mit einer Verneinung zu begegnen, selbst wenn
ich dem Imperativ gefolgt war.

Der Ausdruck „Lasso-Satz“ geht mir auf das Skrotum, doch der Inhalt stimmt.
Deshalb erstarrte ich auch bei der Kenntnisnahme der zentralen Überschrift auf der Titel-Seite der gestrigen LVZ.

Rekord beim Firmenlauf-LVZ-Team mittendrin

Darunter wurde dann etwas präzisiert: Commerzbank-Firmenlauf, 5-km-Strecke, 16000 Läufer, rund um die RB-Arena. Auf der Sportseite soll eine erweiterte Berichterstattung über dieses Ereigniss folgen

Ich fragte mich zügig, ob ich schon immer einmal Details des Commerzbank-Firmenlaufs mit 16000 Läufern auf 5 Kilometern rund um die RB-Arena wissen wollte.
Und ob ich jetzt begeistert bin, dass die LVZ mittendrin ist.
Und das dieser Lauf vorrangig den Teamgeist in den Firmen stärken soll.

Und ich überlegte wiedeholt, ob dieser angestrebte „Lasso-Satz“ auf einer Titelseite („Rekord beim Firmenlauf-LVZ-Team mittendrin“) mich kompromisslos motiviert, die Sport-Beilage aufzuschlagen, um zu erfahren, was 16000 Läufer auf 5 Kilometern rund um die RB-Arena bei gefühlten 76 Grad so getrieben haben.
Und ob die Mittendrinheit der LVZ das motivierende Extra-Molekül sein könnte, mich dieser intellektuellen Herausforderung zu stellen.

Ich stellte mich nicht.

Immerhin, 16000 Läufer auf 5 Kilometer, rund um um die RB-Arena und die LVZ mittendrin, zur Stärkung des Team-Geistes bei gefühlten 76 Grad.
Wie ein Lauffeuer werden sich diese Nachrichten fortpflanzen.
Vielleicht sollte ich doch die Sport-Beilage aufschlagen, denn man will ja mitreden können.
Denn die LVZ war mittendrin.

Ich stellte mich trotzdem nicht

Und dann die Vorstellung, ich im Mittelpunkt dieser 16000-leibigen Menschenschar (Bild oben).
Mittendrin, gleich neben der LVZ.

Und ich fragte mich gleichzeitig ob ich anstreben würde, dass mir bei einem Commerzbank-Firmenlauf über 5 Kilometer rund um die RB Arena bei gefühlten 76 Grad, der den Team-Geist stärken soll, die tropfenden Ergebnisse von 16000 riechenden Transpirationsträgern meine Nasenhaare befeuchten.

Und insbesondere frage ich mich, ob“Rekord beim Firmenlauf-LVZ-Team mittendrin“ als Lasso-Satz auf der Titelseite der führenden Leipziger Zeitung eingeordnet werden kann, als wuchtiges Vorbild für den alltäglichen Journalismus.


Musik der Woche

-Pavement:
„Crooked Rain, Crooked Rain“, „Slanted and Enchanted“, „Wowee Zowee“

-Schostakowitsch-Tage in Gohrisch, Freitag bis Sonntag, sieben Konzerte.
Musik von Schostakowitsch, Gubaidulina, Weinberg.
Sofia Gubaidulina ist anwesend.
Erheblich weniger als 16000 Teilnehmer.
LVZ und Commerzbank sicher nicht mittendrin.

Das stärkt eher meinen Teamgeist als ein Firmenlauf der Commerzbank über 5 Kilometer gemeinsam mit 16000 Teilnehmern rund um die RB-Arena bei gefühlten 76 Grad.


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Juni 23, 2017 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und die gern gelesene, eher unregelmäßig bearbeitete Serie: „Jürgen Henne und die alltäglichen Attacken auf die Grenzbereiche der Area postrema.“

Marmeladenglas

Attacke I

Seit jeher entwickelten sich in der Zivilisationsgeschichte rätselhafte Abläufe, die menschliche Verbindungen kultivierter, vertrauter, großzügiger, regelrecht intimer erscheinen lassen, natürlich auch verbunden mit Macht-u.Besitzerweiterung.
Bis in die Gegenwart.
Dabei spielten Geschenke eine bedeutsame Rolle, die durchaus auch beträchtliche Ausdehnungen haben konnten.

Man denke dabei an Chruschtschows freundliche Übergabe der Krim an die Ukraine oder an Bartholdis Freiheitsstatue, die Frankreich als Geschenk in die Erde der Liberty Island montierte.
Auch der preußische König Friedrich Wilhelm I. bewies mit der Installierung des Bernsteinzimmers im Winterpalais von Zar Peter d.Gr., dass Geschenke durchaus den Rahmen einer Schatzschatulle sprengen können.

Und selbst Geschenk-Späßchen wie der Austausch einer Lederjacke und einer Schalmei zwischen Lindenberg und Honecker haben Aufnahme in das Buch der Kulturgeschichte gefunden.

Garniert wird diese Beschenkungs-Kultur dann mit launigen Bonmots:

„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“ oder „Wer ein Rind schenkt, erwartet ein Pferd“.
Wilhelm Busch meinte: „Ein Onkel, der Gutes mitbringt, ist besser als eine Tante, die bloß Klavier spielt“.

Und auch Ringelnatz hat seinen grundsätzlich tiefsinnigen Senf beigetragen:

„Schenke mit Geist, ohne List.
Sei eingedenk,
dass Dein Geschenk
Du selber bist.“

(Ausschnitt aus einem mehrstrophigem Gedicht, Titel ist mir entfallen)

Seit einigen Jahren wird auch ein Glas selbst gefertigte Marmelade als Gastgeschenk durchaus akzeptiert, obwohl die mitunter ungenießbare Pampe nach der Verabschiedung des Marmeladen-Produzenten nicht selten im Behälter für Futtermüll breitläuft.

Doch im Grunde ist gegen eine freundliche Überreichung von Ergebnissen kreativer Nahrungsmittelzubereitung nichts einzuwenden.

Doch sollte natürlich auch der Marmeladen-Rahmen beachtet werden, also der Marmeladenbehälter.
Er sollte geschmackvoll, ansprechend im Design den künftigen Marmeladen-Verzehrer auf das schmackhafte Frühstücks-Toast einstimmen.
Wir erhielten vor einiger Zeit Marmelade in diesem Keimglas (Foto oben).
Sicherlich einigermaßen gereinigt.
Doch wenn darin für einige Jahre „Harzer Hausmacher Wurst Leberwurst“ aufbewahrt wurde, aktivieren sich mit knospiger Vehemenz zumindest die Grenzbereiche meiner Area postrema.
Pfui Deibel.
Außerdem sieht dieser kümmerliche Glaskübel derartig alt aus, als hätte sich schon Barbarossa den Inhalt in den Bart geschmiert.
Vielleicht muss ich in Bälde Marmelade in einer schlecht gereinigten Ölsardinen-Dose entgegennehmen.
Jeder pentrante Marmeladen-Verteiler sollte sich die Strophe von Ringelnatz d.Gr an seinen siedenden Marmeladenkessel heften.

Ich bin selbst Marmeladen-Hersteller, verschenke sie aber selten.
Denn wie sagte schon meine selige Großmutter in ihrer wundervoll volkstümlichen Art: „Selber essen macht fett“.

Attacke II

Ekel-Lappen, an Früchte geklebt

Ich kann nur „Pfirsich“ lesen, die restlichen Informationen verstehe ich nicht.
Aber ich bin durchaus intellektuell für die Erkenntnis gewappnet, dass Pfirsiche vor mir liegen.
Bananen sind gelber.
Und Kürbisse größer.
Und Schnittlauch ist überhaupt etwas anders.
Auch die Walnuss.
Man versucht nun, dieses Dreck-Ding abzuschaben und hat anschließend das halbe Gemüse unter dem Fingernagel.
Einfach widerlich.
Ich war vor einigen Tagen bei dieser Aktion derartig genervt, dass ich fast den Pfirsich in den Müll geworfen und diesen Fetzen in dem Mund gesteckt hätte.

Vielleicht wird auch bald die einzelne Johannisbeere gekennzeichnet.
Oder das einzelne Kümmelkorn.

Meine Area postrema meldet sich.

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Juni 14, 2017 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, Johann Strauss, Richard Strauss und der alltägliche Journalismus

Leipziger Volkszeitung, 13 Juni, Kulturteil, über eine Aufführung der Oper „Salome“

…..und „Eine Nacht in Venedig“ ist nicht die erste Operette des Richard Strauss (Sohn).

Gleichfalls ist der „Tivoli-Rutsch-Walzer“ nicht der erste Walzer von Johann Strauss (Vater) und schon gar nicht von Richard Strauss (Vater).
Eduard Strauss hat ebenfalls komponiert, Bruder von Johann Strauss (Sohn).

Ich gestehe Peter Korfmacher natürlich uneingeschränkt zu, dass er die verschiedenen Sträusse fehlerlos einordnen kann.

Wer sind nun die Verursacher dieses Missgeschicks?
Vielleicht unterbezahlte Mitarbeiter als Saboteure?

Einen handwerklichen Flüchtigkeitsfehler mag man nicht so recht nachvollziehen.
Richardt oder Rischaard würden sich da eher anbieten.
Doch von Richard zu Johann…..?
Ich bezweifle, dass dieser musikhistorische Fauxpas in einer der nächsten Ausgaben begradigt wird, trotz seiner Stellung als Einleitungssatz des Hauptartikels auf der Kulturseite.
Eine Zeitung mit einem gerüttelt Maß Selbstbewusstsein sollte das aber bewältigen können

Man würde freundlich-milde lächeln, wenn derartige Fehlgriffe sich nicht inzwischen zur journalistischen Alltäglichkeit entfaltet hätten.
Eigentlich müsste dieser Leipziger Zeitung jeden Tag eine Beilage zugefügt werden, welche die Berichtigungen der Irrtümer vom Vortag aufführt.

Aber immer noch besser, „Salome“ wird einem Johann Strauss zugeordnet, Franz Josef wäre noch penetranter.

Und trotzdem werde ich im Herbst „Salome“ in Leipzigs Oper sehen, auch wenn mitunter behauptet wird, Johann Strauss (Vater oder Sohn) hätte sie geschrieben, es wäre mir Pansen.

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Juni 13, 2017 Posted by | Leipzig | | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, der Schlüssel von Gerlamoos, Fresken Thomas von Villachs und das Martyrium des heiligen Georg (dt.Jürgen) – eine Bilder-Novelle aus Kärnten

In einem anständig geschriebenen Kulturführer über Kärnten las ich den Hinweis auf eine Kirche in Gerlamoos, unweit von Spittal, nahe der italienische Grenze, geschmückt mit Wandfresken von Thomas v. Villach.
(Und gleichzeitig gab das Buch die Hilfestellung für den Erwerb des Kirchenschlüssels.)
Die Existenz eines spätgotischen Malers Thomas v.Villach war mir bekannt, doch nur am kaum wahrnehmbaren Rand meiner Kenntnisse.
Bei gotisch/spätgotischer Kunst (15.Jahrh.) schwelgte ich eher bei Michael Pacher, gleichfalls Österreicher (Altar in St.Wolfgang), bei Hans Multscher (Wurzacher Altar, Berlin), Lucas Moser (Tiefenbronner Altar) und den „alten“ Italienern, doch besonders bei den Niederländern des 15.Jahrhunderts (v.d. Weyden, v.d. Goes, Memling und Bouts).

Wir fuhren also zügig nach Gerlamoos, erreichten das „Kirchenschlüsselhaus“ Nr.15, wie im Text angegeben (oben)…

…und lasen am „kleinen Brunnen“ (siehe Text)…

….die veränderten Modalitäten für die Entgegennahme des Schlüssels.
Also „Kirchenschlüsselhaus“ Nr.10….

….und folgten einer weiteren Wegmarkierung. Ich fühlte mich inzwischen in Gerlamoos ausgesprochen wohl.

Wir erreichten „Kirchenschlüsselhaus“ Nr.10 und sahen des Schlüssels Aufbewahrungskiste.

….und darin den Schlüssel, tatsächlich mit recht recht bemerkenswerten Ausdehnungen…

…und begannen den Aufstieg, selbst für Rentner-Organismen nur geringfügig anstrengend

Rechts zwei Unpaarhufer…

…links zwei Unpaarhufer.

Rechts ein paar Blümchen…

…links ein Steinchen.

Der Weg führt weiterhin aufwärts, doch noch immer für eine Rentner-Muskulatur zügig zu bewältigen.
Der gewichtige Kirchenschlüssel drückte aber zunehmend auf meinen Schritt-Inhalt.

Wir nähern uns der St.Georgs-Kirche in Gerlamoos…

…und öffnen die Tür.

Meine „Aneignung“ eines kirchlichen Innenraums beginnt zumeißt mit dem Blick in die Gewölbe, wichtige Elemente der räumlichen Strukturierung.
Und es gibt Sterngewölbe, Tonnengewölbe, Rippengewölbe, Netzgewölbe, Fächergewölbe, Zellengewölbe…., mit teils ziemlich krasser Ausformung.

Ich denke da spontan an das Kapitelhaus der Kathedrale in Wells und an die Kreuzganggewölbe in Gloucester.
Oder die unvergessliche Schönheit des Schlingrippengewölbes der Annenkirche in Annaberg-Buchholz.
Und natürlich das Netzgewölbe der Marienkirche in Pirna mit wundervoll grotesken Hobelspan-u. Astrippen.
Es gibt viel zu sehen.

Allerdings nicht bei der hölzernen Flachdecke der Georgs-Kirche in Gerlamoos (Mitte des 13.Jahrh.)
Bei Kärntens romanischer Architektur (wie in Gerlamoos) bestand man scheinbar recht lange auf der Flachbedeckung, obwohl sich während dieses kunsthistorischen Abschnitts weitgehend das Tonnengewölbe durchsetzte.
Aber auch dieser Bau blieb von Eingriffen nicht verschont.
So wich z.B.die romanische Apsis einem gotischen Chor.
Und es folgten die gotischen Fresken und Teile der Renaissance und des Barock (Hauptaltar).
Ich zwang also meinen Blick an die Nordwand der einschiffigen Kirche und erstarrte.

Ich sah dreißig Bilder von Thomas von Villach.
Szenen des Martyriums des hlg. Georgs (obere Reihe) und aus dem Leben Christi (zwei untere Reihen), um 1470 auf die Wand aufgetragen.

Georg, römischer Offizier, Drachentöter und Mitglied der Truppe der vierzehn Nothelfer, zuständig u.a. bei Kriegswirren und Pest, wurde am Beginn des 4.Jahrh. nach einer Reihe wenig sensibler Behandlungen enthauptet.
Es war die Zeit des letzten Abschnitts der Christenverfolgung im Römischen Reich.
Und während dieser abschließenden Etappe wurde unter Diokletian besonders gnadenlos auf Christen eingehackt.
Nur wenige Jahre danach, um 325 n.Chr., entwickelte sich das Christentum zur offiziellen Staatsreligion, unter der toleranten Oberaufsicht von Konstantin.

Thomas von Villach zelebriert nun mit einem ungewohnt drastisch geführten Pinsel, auch mit auffälliger Zuneigung zum Detail, die Sonderbehandlung Georgs durch die römischen Folterer.
Da wird zunächst, noch ziemlich feinsinnig, der Giftbecher gereicht, ohne Ergebnis, Georg überlebt.
Doch bald nutzt man das gesamte grobschlächtige Material, welches in dieser Zeit sich so anbot.
Georg wird ein Zentnerstein auf die Brust gelegt, im siedenden Kessel gekocht und in einer Nageltonne bewegt. Geschmolzenes Blei wird in Mundhöhle gegossen, Nägel durchdringen seinen Kopf, eine glühende Rüstung wird ihm angepasst sowie Arme und Beine abgehackt.

Kommentarlos einige Bilder



Natürlich blieb Thomas von Villach weitgehend seiner provinziellen Umgebung verhaftet.
Mit viel Optimismus und Gutmütigkeit könnte man auch Hinweise auf italienische, niederländische Anregungen erkennen und selbst die grotesken, karrikierenden Überzeichnungen eines Hans Multschers oder Hans Hirtz blieben für Thomas v. Villach nicht ganz wirkunglos.
Ob er dieser Malerei tatsächlich vor Ort begegnete, entzieht sich aber meiner Kenntnis.
Doch genügen Vergleiche z.B. mit italienischen Künstlern, die Jahre vor ihm geboren wurden, um die regionale Verklammerung Thomas v.Villachs in mittelalterlichen Ebenen zu beweisen.
Seine Lebensdaten pegeln etwa zwischen 1440 bis 1525.
Für die damaligen Jahrhunderte ein Schildkrötenalter und er näherte sich dem Zeitalter der Hochrenaissance.
Doch bestätigen eben diese Gegenüberstellungen mit Arbeiten seiner italienischen Zeitgenossen des 15.Jahrh. z.B. Mantegna, G.Bellini, Masaccio, Uccello, Ghirlandaio, dass Thomas v.Villach gnadenlos maltechnisch und intellektuell in spätgotischen Formen festklemmte.
Ihm gelang es nur selten, das neue Menschenbild, die Veränderungen bei religiösen Abhängigkeiten und die Durchbrüche bei malerischen Konstruktionen (Zentralperspektive) aufzunehmen, die eben schon zu seiner Zeit die europäische Geschichte beeinflussten.
Also eine regionale Zeitverschiebung, normale Abläufe in der Kunstgeschichte.

Ändert natürlich nichts an dem hohen Wert seiner Fresken.
Und ich liebe diese regional-provinzielle Malerei mit ihren nicht immer souverän ausgeführten Ecken und Kanten.

Und noch eine Szene zur Passionsgeschichte.

Verspottung Jesu.
Man beachte den heraushängenden Mundhöhlenlappen bei diesem Vortänzer.
Nurejew hätte ihn zweifellos als gleichwertigen Partner geschätzt.

Auf Grund des hohen Symphatie-Faktors noch eine unaufdringliche Vergrößerung.


In Kärnten zelebrierten wir dann zwei weitere Besuche vor Fresken Thomas v. Villachs

I.
Pfarrkirche St. Andrä, Thörl-Maglern, u.a mit Fresken an der Nordwand und im Gewölbe.

Thörl-Maglern
Detail, Fußwaschung.
Jesus mit Schürze, man kann am verlängerten Hintern die Verknotung erkennen.
Ikonographisch ausgesprochen selten, so locker kann Religion sein.
Hoch lebe Thomas v.Villach.
Eine Runde Pilsner Urquell für Thomas aus Villach

II.
Stift St.Paul, Lavanttal, unweit der slowenischen Grenze

Stifterfresko mit Kielbogen-Architektur von Thomas v. Villach.
Links u.a. das Wappen von Kärnten mit stehendem Engel, ganz links unten kniet ein Abt, Auftraggeber dieser Malerei (neben seinem Wappen).
Rechts vermutlich das Stifterehepaar, behütet von der hlg. Katharina mit dem Rad als Folterinstrument und dem hlg. Benedikt.

Stift St.Paul, Lavanttal

Hlg. Petrus und hlg. Paulus.
Auf der rechten Zierleiste vermutlich ein Selbstporträt Thomas v.Villachs.

Die Lichtverhältnisse in den Kirchen zwischen den Kärntner Bergen sind eher von mäßiger Qualität und Apparaturen, die nach dem Einwurf einiger Cent für ein paar Minuten künstliches Licht spenden, werden nur vereinzelt angeboten.
Aber Blitzlicht geht gar nicht, das wäre im Angesicht derartiger Malereien die achte Todsünde.

Also:

Hochmut
Völlerei
Wolllust
Neid
Faulheit
Geiz
Jähzorn
Fotografieren mit Blitzlicht in Räumen mit Malerei von Thomasv.Villach

Die Reihenfolge ist theologisch sicher nicht korrekt.

Und nach diesem alten Zeug geht es zügig nach Kassel.
Eben alles zu seiner Zeit.
Und auf dem Weg nach Hessen mehrmals Led Zeppelin und „Whole Lotta Love“ (LP-Version) hören


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Juni 4, 2017 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar