Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, Norbert Wehrstedt, Chris de Burgh, flugunfähige Vögel und der Südosten der Dübener Heide

Jürgen Henne bei der aktiven Erholung nach der Malträtierung durch Norbert Wehrstedts Beitrag zum Konzert Chris de Burghs in Leipzig (Leipziger Volkszeitung, 23.-August) – Im Südosten der Dübner Heide

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Ich dachte bislang, dass Chris de Burghs Musik im Sinne seiner Getreuen in den Vorprogrammen von Roger Whittaker oder Frank Schöbel  ihr volles Aroma entfalten könnte.
Ich werde tolerant sein und über diese Musik nicht hecheln. Bei „Lady in Red“ sehnt sich allerdings ein Knöchelchen meines Mittelohrs, medizinisch und volkstümlich als „Hammer“ bewundert, in die Dimension einer Axt, um die Töne gnadenlos zu killen.
Wehrstedts Beitrag sollte kurz kommentiert werden.
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„….Chris de Burgh steht da, lässt Gitarre klingen und Stimme schmeicheln. Spielend und spielerisch. Voll Gefühl und voll Versprechen. Wind faucht durch die Verse, Wellen rauschen, Wolken ziehen. Weinen kann so erleichtern.“

„….und die Stimme steigt himmlich hoch, kippt, vibriert und taucht ein in weiche Wohlig-Wogen.“

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„….Getragen und klagend, hoffend und bangend. Heftig wetterleuchtet der Schmerz des Abschieds, in der Hoffnung stecken Zweifel, das Herz wiegt schwer.“
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Und so weiter und so unerträglich. Vielleicht ist es auch nur eine Verarschung. Glaube ich aber nicht und selbst dann wäre es unerträglich.
Lieber Herr Wehrstedt, installieren Sie nicht in Ihren Wünschen die Vorstellung, das Ausgangsmaterial für einen begnadeten Dichter zu besitzen. Hätte ich in vorpubertären Jahren meiner Freundin Angelika diesen infantilen Tinnef in ihr Poesiealbum geschrieben, sie hätte sicherlich nach meinen, damals noch recht kleinen Nüssen getreten und wäre Dieters Freundin geworden, dessen Nüsse auch nicht spektakulärer waren, der aber besser dichten konnte.

Jede Lächerlichkeit des Schweriner Poetenseminars der verblichenen DDR hauchte gegenüber Norberts Wortsülze die Aura dichterischer Giganten aus, wurden dort kleine Rimbauds und Verlaines gesichtet.

„Weiche Wohlig-Wolken“ und „Heftig wetterleuchtet der Schmerz des Abschieds“ – Es ist nicht nicht zu glauben.

Nach der Tortur durch diese „Kritik“ wird jeder potentielle Besucher seine Nichtanwesenheit am „Völki“ gefeiert haben. „Völki“ ist auch so ein beknacktes Wort, dass jedes Originalitätsfrettchen mit dem Sprachgefühl einer südneuseeländischen Flatterfliege nachlabern muss, wodurch die Sprache allmählich in einem unsäglichen Gleichschritt verrottet. Auch Wehrstedt genoss das Konzert am „Völki“
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Große , flugunfähige Vögel im Südosten der Dübener Heide.
Wir haben vor einigen Jahren in Südafrika neben einer Herde von Straußen gezeltet. Mir ist es zuwider, diese wundervollen Tiere im Südosten der Dübener Heide zur Kenntnis zu nehmen. Und meine Übelkeit steigert sich erheblich bei der Vorstellung, dass deren Fleisch auf den Schlachtplatten infantiler Putzhauer zur Steigerung des Selbstwertgefühls zerstückelt wird.

Lieber Nothelfer für alle Vögel!! Beschenke diese Tiere kurzfristig mit  gebrauchsfähigen Flügeln und weise ihnen den Weg nach Afrika

Ehemaliges Wasserschloss in Trossin im Süosten der Dübener Heide

Ehemaliges Wasserschloss in Trossin im Südosten der Dübener Heide

Biene in Blume im Südosten der Dübener Heide

Nicht Finnland – Abendstimmung am Stausee Dahlenberg im Südosten der Dübener Heide

 juergen-henne-leipzig@web.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

August 25, 2008 Posted by | Leipzig, Musik, Neben Leipzig, Presse, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und Eric Clapton in Leipzig, die Hölle, das Paradies und eine Wespe

Jürgen Henne vor dem Konzert Eric Claptons – in der Hölle  (oben) – nach einem Wespenstich

Jügen Henne nach dem Konzert Eric Claptons – im Paradies (unten)                

Ein eifernder Gefolgsmann Eric Claptons, der demütig vor seiner Musik abkniet, war ich eigentlich nie. Ich erinnere mich dankbar an die Yardbirds und den Song „For Your love“. Doch verließ Clapton bald, ziemlich angeödet, diese Truppe. Die richtig guten Titel wie „Shapes Of Things“ und „Heart Full Of Soul“ liefen dann ohne ihn. Und wenn ich „heute „White Room“, „Sunshine Of Your Love“, I Feel Free“ oder „Strange Brew“ höre, dann erwäge ich tatsächlich die Möglichkeit, mich respektvoll auf den Boden zu legen. Doch das war dann schon Eric Clapton mit „Cream“, eine der edelsten Formationen der Rockgeschichte. 

Bei „Derek and the Dominos“ zupfte er sich mit seiner Gitarre nochmals in die Unvergesslichkeit und dann begann für mich eine auffällige Clapton-Askese von bemerkenswerter Zeitausdehnung. Da konnte auch dieses unsägliche „Tears In Heaven“ am Beginn der 90er Jahre nichts ändern, wobei das Motiv für dieses Lied für den Hörer natürlich peinigend ist. Doch irgendwie glaubte ich, dass Clapton sich einem unerquicklichen Mainstream ergeben hatte. Wie „Chicago“, die so grandios begannen, „25for 6 to 4“, und furchtbar endeten, mit musikalischen Brechmitteln wie „If You Leave Me Now.“ Und auch zeitweilig endlos abgenudelte Cover-Versionen, gesungen von Clapton, wie „After Midnight“ und „I Shot The Sheriff“ konnten mich nicht einmal kurzfristig erfrischen, wobei mich Reggae schon immer ausführlich nervte.

Und dann das Konzert am vergangenen Dienstag in der Leipziger Arena. Clapton betritt die Bühne, spielt und singt ohne Hampeleien. Bühne hell – „Good evening, Thank you, Goodby“ – Bühne dunkel. Keine dämlichen Anbiederungen. Kein „Ich liebe Leipzig“ oder „Leipzig hat die schönsten Frauen“ und ähnlichen Kram. Da bevorzuge ich die eher spröde Bühnenkommunikation, wie sie auch schon Bob Dylan oder Van Morrison bis zur Vollendung treiben. Ich habe mich nun seit fast 20 Jahren bei zahlreiche Konzerten neben schwitzende Leiber gedrängt, verschüttetes Bier im Hals ertragen, Zigarettenasche in den Schuhen ausgehalten und Ekzeme in die Hände geklatscht. Zwischen Patty Smith, Lou Reed und Nick Cave, zwischen Plant/Page, Roxy Music, John Cale und Elvis Costello versank ich in musikalische Seligkeit.

Doch das Konzert mit Eric Clapton trieb meine Seligkeit in neue Dimensionen. Diese großartige, manchmal etwas schräge Musik aus „Dominos“-Zeiten, einige Titel, die ich oberflächlich kannte, aber nicht Clapton zugeordnet hätte und Musik, die mir gänzlich unbekannt war, beschenkten mich mit dem warmen Gefühl, einen Verstoßenen wieder in den Armen, bzw. in den Ohren halten zu dürfen.“Hoochie Coochie Man“(Dixon,Waters) , das überwältigende Kokain (von J.J. Cale) peitschten sich durch die Halle, dass selbst die Stahlträger in metallischer Transpiration glänzten. Und bei „Layla“ verzichtete Clapton auf seine Akustikgitarre, vergelt´s Gott, und knallte die Riffs gegen die Wand, wie es sich gehört.

Die Akustik in der Halle war bemerkenswert und das ist keine Selbstverständlichkeit. Die herausragende Klangkultur der einzelnen Instrumente zog messerscharf getrennt ihre Kreise. Kein wabernder Sud, der sich dann schwerfällig unter das Dach ankittet. Dazu ein Schlagzeuger, der scheinbar gewichtstechnisch an Buddy Miles geschult wurde, sich aber auch dessen diabolischer Schlagfähigkeit annähert. Ein vorzüglicher Bassist, ein wundervoll skurriler Pianist mit erstaunlichen Tasten-Eskapaden (Chris Stainton) und ein anderer Gitarrenträger, mindestens eine Generation jünger als der Hauptdarsteller des Abends, der aber, singend und musizierend, nicht an Clapton angekettet ist und seine eigene Fasson zelebriert(Doyle Bramhall II).

Und dann natürlich Clapton selbst. Ohne beifallheischenden Mumpitz, mit dem weniger Begabte Genialität ausstrahlen wollen, setzt er eine Note an die andere. Selbst bei rasantem Spiel verharrt jeder Ton zunächst glasklar im Raum, ehe er zur Seite perlt, um seinen tönenden Nachfolgern den Platz zu überlassen. Mit hoher Souveränität bewältigt er bluesige Nummern ähnlich vollendet wie balladenartige Einschübe und schweißtreibend peitschende Edelkracher, ohne in selbstgefällig-steriler Routine zu veröden. Der Lichteinsatz mit abstrakten Formwandlungen wird sparsam eingesetzt und belästigt nicht.

Ich denke, ich habe Gott gehört, oder zumindest einen Halbgott und als fiktiver Teilnehmer am griechisch-mythologischen Instrumentationskampf mit Apollon und Pan hätte er sicher die goldene Saite gewonnen. Da hätte Apollon noch so viele Eselsohren verteilen können.

Und jetzt werde ich mein CD-Regal nach Scheiben mit der Musik Claptons überprüfen

 

juergen-henne-leipzig@web.de

August 14, 2008 Posted by | Leipzig, Musik, Verstreutes | 2 Kommentare

Jürgen Henne, das große Gähnen , Alexander Solschenizyn, Willy Tonn und die Pädagogik in Dresden

 

Tonbänder mit realsozialistischem Design und Ausschnitten aus „Archipel Gulag“ und anderen Büchern Solschenizyns, begleitet von realsozialistischem Hass
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Raucherverbot und Nichtraucherverbot – Raucherkneipen mit Nichtraucherkabinen und Nichtraucherkneipen mit Raucherkabinen – Rauchen im Zoo innerhalb des Zebra-Geheges ist untersagt, die hellen Streifen könnten nachdunkeln – Rauchen erlaubt im Gehege der südchilenischen Rasselratte, aber nur wenn die Weibchen ihre Mittagsruhe halten…….gähn…….

Clement bleibt in der Partei als Raucher, raus aus der Partei als Nichtraucher, rein in die Partei als südchilenische Rasselratte, rein in die Raucherkneipe als Zebra….. gähn…..

Bsirske kostenlos in die Südsee, in den Südharz, in eine Nichtraucherkneipe mit anschließender Kostenerstattung…gähn……

Doping in Peking oder bei Stephen King oder Ben
Kingsley….gähn……

Die alltägliche Pein deutscher Prioritäten

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Aber Alexander Solschenizyn ist tot und kein Gähnen, sondern Trauer. Doch war er schon Neunzig, die Trauer relativiert sich, die Erinnerungen relativieren sich nicht

Während meines Pädagogigstudiums in Dresden (Kunsterziehung/Deutsch) vor fünfunddreißig Jahren erhielt Solschenizyn den Status eines Alkoholikers, eines Schlägers, der vollgedröhnt  den handgreiflichen Konflikt mit fleißigen Sowjetbürgern provoziert und eines lausigen Schriftstellers, der die Kriegstreiberei des Imperialismus unterstützt. Bei sogenannten Prüfungen und der Frage „Charakterisieren Sie Solschenizyn“ musste etwa diese Antwort gegeben werden, um als Primus der Literaturwissenschaft gefeiert zu werden.

Wobei die Pädagogische Hochschule in Dreden damals als sicherlich dümmste Bildungseinrichtung Mitteleuropas eingeordnet werden muss. Ein derartiges Regiment an dogmatischen Hohlrollern und intellektuellen Pantoffeltierchen hat Hochschulgeschichte geschrieben.

Ich hatte Mitte der 70erJahre einen wesentlichen Teil des „Archipel Gulag“ bei einer Lesung des RIAS im Radio auf mein wundervolles Spulentonband aufgenommen und empfand das Bedürfnis, zumindest einige Kommilitonen der Sektion Deutsch/Kunsterziehung in einen literarisch-russischen Rausch zu versetzen. Denn schon Dostojewski, Turgenjew, Tschechow, Puschkin und Gogol agierten damals als zentrale Figuren meiner Literatur-Propaganda.

Mein Streben vermied dabei durchaus eine grenzenlose Huldigung Solschenizyns, um diesen demagogischen Provinzideologen keine grünlich wütende Gesichtsfarbe zu verpassen. Ich verurteilte aber die primitive Vorlesungs- u. Seminarstrategie von Doktoren und Professoren, welche Schriftsteller in die Kläranlage drückten, ohne den Studenten auch nur einen Satz dieser Autoren zur individuellen Beurteilung angeboten zu haben – wie bei Solschenizyn,Pasternak.

Meine Strategie erwies sich als naive Mission, ich wurde „verpetzt“, sollte die Tonbänder abliefern und  musste vor zwei Seminargruppen Buße zelebrieren. Und ich widerrief zum Teil, ich Feigling. Die Tonbänder lieferte ich nicht ab.

Als Hauptvetreter der kommunikativen Enthauptung agierte an der Hochschule der Roland Fr. – Verschnitt Willy Tonn. Er laberte uns mit irgendeinem „Wissenschaftlichen Kommunismus“ die Ohren zu und promovierte mit einer Abhandlung über den „Kampf um die Aktionseinheit der Arbeiterklasse im Bezirk Halle-Merseburg in den Jahren 1921-1923.“ Schon bei dem Titel berstet man fast vor Spannung. Auf meine Frage nach Pfarrer Brüsewitz, der sich am 18.August 1976 in Zeitz anzündete und wenige Tage darauf starb, entgegnete Willy Tonn forsch, uns Studenten zu kreativ-selbstständigen Diskussionen antreibend: „Herr Henne, ich habe mein Diplom, Sie noch nicht und über Irre unterhalten wir uns nicht. Setzen, sonst noch Fragen.“ Ich setzte mich. Ich habe dieses Diplom nie erhalten.

Bei der Deutschstunde einer achten Klasse in Neustadt b.Dresden nutzte ich 1977 als Praktikant eine Scheibe mit der Musik von Jimi Hendrix, um literarische Erkenntnisse zu vertiefen und erwähnte gleichfalls  den Namen Solschenizyns. Diese Vertiefung wurde erneut „verpetzt“ und mir als bewusst klassenfeindliche Propaganda ausgelegt. Ich hüstelte triumphierend und verwies auf „Amiga“, die Firma der DDR, welche diese Scheibe vertrieben hatte.

Durchaus bemerkenswert, welche Erinnerungen der Tod Solschenizyns aktiviert.

juergen-henne-leipzig@web.de

August 5, 2008 Posted by | Kunst, Leipzig, Neben Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar