Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne und die unregelmäßig bearbeitete Rubrik: „Geschichten, die das Jürgen schreibt“. Heute : „Weihnachtswerbung im Proslenzokium.“

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Leipzig, ehemalige Post, Augustusplatz

Es gibt ja nun tatsächlich Abläufe, durch deren Penetranz man mit einem Abonnement für Dauer-Ödnis beschert wird.
Werbung mit Kindern kann ich dabei getrost an vorderster Stellung meiner Ekel-Charts verbuchen.

Ich denke da an diese Aufdringlichkeit mit dem Auto, als ein Kind nach dem Zustieg sein altersgerechtes Spielzeug aus der Karre wirft.
Ich sträube mich ja keinesfalls gegen alternative Erziehungsformen.
Doch wegen einer derartigen Vierrad-Gurke traditionelle Entwicklungsmuster in die Tonne zu treten, erscheint mir doch arg heimtückisch.

Es gibt bei diesem Dussel-Filmchen auch keine Akzente von sanfter Ironie oder freudiger Spielchen.
Alles eine erbarmungslose Strategie.

Der „Weihnachtskalender“ (oben) wurde an die Fassade der ehemaligen Post am Augustusplatz geklatscht (Leipzig).

„WISHING ON A STAR…Wir schenken Kindern ein Lächeln“

Klingt edel und opferungsbereit, etwas Mahatma Gandhi, etwas Mutter Teresa, etwas Mutter Courages, etwas Jürgen, etwas Weihnachtsmann.
Doch auch der alte Herr mit dem Rotkäppi würde bei Kenntnisnahme dieser heiligen Nötigung seine halbverdauten Lebkuchen in den Schnee setzen.

Denn flugs grölt bei den geöffneten Türchen einem das Paunsdorf-Center in die Augen. Oder die Leipziger Stadtwerke. REWE hat gleich doppelt in den Werbekübel gegriffen (unmittelbar nebeneinander, werbestrategisch sehr feinsinnig).
Eine Bäckerei bietet ihren Klunsch an, Fitness-Studios ihre Hanteln und Olaf Schubert wirbt für irgendeine Sprudelbrühe ohne Geschmack.
Da werden die Kinder aber lächeln und die Äuglein leuchten lassen.

„REWE und Paunsdorf-Center habe ich mir schon immer gewünscht, lieber Papa, ach“, klingt es dann vielerorts.

„Ach, ach, liebe Mama, mein schönstes Geschenk ist diese Margonbrühe ohne Geschmack, meine Freundin hat nur ein Fitness-Studio bekommen, ach,ach. Und nächstes Jahr wünsche ich mir dann die Stadtwerke, ach.“

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Dezember 22, 2013 Posted by | Kunst, Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, Art Deco und Josef Albers im Leipziger Grassimuseum, Rietveld in Utrecht, das schönste Verbrechen, Art Deco auf Java, eine Haupthalle in Frankfurt, Handwerker-Hymnen Ruskins, Turbinen-Grossberg, Plastik-Belling, King Kongs Art-Deco-Gefecht und der Würgreflex eines Backofens.

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Leipzig, Grassimuseum, Haupteingang

Der Eingabe „Art Deco“ in Wikipedia folgt der erste Blick auf Leipzigs Grassimuseum.
Also keineswegs werden zunächst die zahlreichen Buildings in den USA gefeiert, die zahlreich mit den Formen und Farben dieser Mode (?) – dieses Stils (?) montiert worden. Auch Reims, Brüssel, Sydney, die Frankfurter Hoechstwerke mit ihrer bemerkenswerten Konstruktion der Haupthalle oder Rietvelds Beitrag in Utrecht (das ist der mit dem Stuhl) werden zunächst ignoriert.

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New York, Chrysler Building

Aufnahme während meines ersten Aufenthalts in New York.

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New York, Chrysler Building

Selbst das Chrysler Building muss sich Leipzigs Museumsbau unterordnen.
Ich vermute, Le Corbusier sprach so liebenswürdig ambivalent über New York: „Das schönste Verbrechen“ oder „Die schönste Katastrophe“.
Der präzise Wortlaut ist mir entfallen.
Doch ein recht gelungenes Bonmot.
Bei „Art Deco“ wird immer die Frage nach der kunsthistorischen Rolle gestellt, Stil oder Mode ?
Das ist mir weitgehend Pansen.
Nach zwanzig Jahren (1920-40) wurde der Eklektizismus aus erlesener Plakativität, kultivierter Form und edler Werkstoffe, aus floraler Schablonisierung und flächig-dekorativen Meisterleistungen abberufen.
Natürlich ausschließlich der Vorgänger und Nachgänger (Brüssel, Palais Stoclet, Josef Hoffmann ; F.L. Wright in Los Angeles, beide Häuser am Beginn des 20.Jahrh. / Louisville, Kentucky, Humana Medical Corporation Building, 1.Hälfte 80er Jahre, 20. Jahrh.
Für eine Mode-Erscheinung der angemessene Existenzverlauf.
Andererseits überwand „Art Deco“ den Atlantik, Nordsee und Indischen Ozean(USA, Kopenhagen, Marrakesch, Java). Also doch einflussreicher als eine begrenzte Mode?

Natürlich ist „Art Deco“ ein Konglomerat von höchster Pefektion und mit vielfältigen Zutaten angereichert. Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Bauhaus, Futur- u. Kubismus tragen ihr Scherflein bei.
Ohne wesentliche Beklemmungen kann auch das 19. Jahrhundert als Traditionskübel für „Art Deco“ abgearbeitet werden.

Ruskin und Morris mit Ihren Handwerker-Hymnen bei der Bewegung „Arts and Crafts“ bieten sich dabei vorzüglich an.
Der Weg zu den Präraffaeliten und Rossetti ist dann auch überschaubar und mit Geduld könnte ich dann in Lascaux und Altamira enden.
Jeder Backofen würde bei der Bearbeitung eines Teiges mit derart reichlich Zutaten vor Ekel explodieren.

Doch bei „Art Deco“ hat man trotz des Melange-Charakters immer die optische Gewissheit, sich Kostbarkeiten zu nähern.
Und ständig sickert auch der eigene Triumph ins Bewußtsein, diesen Cocktail in die einzelnen Zutaten entwirren zu können.
Doch drängt es bald wieder, die sanften Detail-Mutationen erneut zu einem ansehnlichen Hybrid mit erweiterten Dimensionen zu vereinen.
Ich denke auch, dass King Kong (1933) sein letztes Gefecht auf dem Dach von Art-Deco-Architektur absolvierte und der Terror in „Metropolis“, fiktive Stadt Fritz Langs, in ähnlichen Bauteilen kulminierte.

Aber auch bei der Malerei von Turbinen/Generatoren/Raffinerien/Papiermaschinen-Grossberg (Carl), bei Plastik-Belling und der dramatisch übermüdeten Autofahrerin Tamara de Lempickas, gleichfalls bei Schad und Kanoldt, dem neusachlichen Fanfarenduett, können Elemente der Art Decorativen Kunst, nuanciert und mit unterschiedliche Wertigkeiten gesetzt, nicht unterschätzt werden.
Gleichfalls bei Boccioni, Gris, O’Keeffe…..u.s.w.
Vielerorts wurde „Art Deco“ auch nur als Zwischenmahlzeit zelebriert.
Mir scheint, irgendwie und irgendwann hat jeder Teilnehmer an künstlerischen Verrichtungen während der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts einmal art-decorativistisch gemalt, gezeichnet, lithographiert, bildhauerisch geformt, getöpfert, gehämmert, gewebt, gezimmert, goldig geschmiedet, Glas geblasen….

Jedenfalls werde ich in Bälde das Berliner Bröhan-Museum besuchen.

Ein wesentlicher Störbrocken bei meiner gehofft störungsfreien Aufnahme dieser Kunst besteht bei mir seit Jahrzehnten in dem Gefühl, vorrangig bei Architektur, zumindest mit einem Teil des Auges auch die Entsetzlichkeiten faschistoider Kunst akzeptieren zu müssen.

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Chrysler Building, Eingangshalle

Die Beleuchtung war übel, außerdem bin ich ein lausiger Fotograf. Zumindest bei den technischen Raffinessen in diffizilen Gegebenheiten.

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Grassimuseum, Pfeilerhalle

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Grassimuseum, Pfeilerhalle

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Grassimuseum, Pfeilerhalle

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Grassimuseum, Pfeilerhalle

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Grassimuseum, Fenster des Treppenhauses

Von Josef Albers, Bauhausstratege, 1933 nach Amerika, belehrte u.a. Rauschenberg, Judd, Noland, eine vorzügliche Wahl.

Die Bläulichkeit des Fensters ist fotografisch etwas überzogen, Abendstimmung.

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Grassimuseum, Fenster des Treppenhauses

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Eigentlich wollte ich nur über die außerordentlich ansehnliche Keramik/Glas-Ausstellung im Grassimuseum berichten (bis März kommenden Jahres).
Vielleicht nun in ein ein paar Wochen.
Hier verliert die keramische Form weitgehend ihre traditionelle Funktion als Gefäß, als Vase, Krug, Schnabeltasse, Nachtgeschirr oder Spucknapf und wird als Skulptur wahrgenommen, als Objekt und Installation.
Nachfolgend einige Beispiele, unkommentiert.

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Dezember 13, 2013 Posted by | Kunst, Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und Eric Burdon

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Kulturtipp Für Sonntage mit „Tatort“-Askese.

8.Dezember, Leipzig, Haus Auensee, 20 Uhr, Konzert mit Eric Burdon.

Ich vermute, Karten sind noch vor Ort zu haben. Schließlich trällern dort weder Roland Kaiser noch Roger Doppeldecker. Dann hätte man das Eintrittspapier schon kurz nach dem Wiener Kongress erwerben müssen.

Burdon stelle ich in meiner privaten Liste bemerkenswerter Musiker auf einen Hügel mit Hendrix, Jagger, Clapton, Zappa, J.Joplin……

Man denke an Titel wie „We’ve gotta get out of this place“, „Boom,boom“, Bring it home to me“, „Inside -looking out“, „It’s my life“, When i was Young“, „San Franciscan nights“,“Sky Pilot“, „Good Times“, dann später „Spill the wine“ und die wundervollen Versionen von „Tobacco road“ und „River Deep, Mountain High“ (Animals/War).
Ich hörte Burdon erstmalig in Halle, damals noch gemeinsam mit Brian Auger. Die Klangqualität in dieser Bruchbude bewegte sich aber im Rahmen einer dreisten Zumutung.

Ich bin kein fiebriges Autogrammfrettchen, doch bei einer Leipziger Begegnung legte ich Ihm sein Buch zur Unterschrift vor: „Für Jürgen von Eric Burdon“(Bild oben).
Er war nach eigener Aussage das letzte Menschenkind, das Jimi Hendrix lebend sah.
Die Doppel-LP (Bild, links) und acht weitere Scheiben erjagte ich November 1989 in der Westberliner Kantstraße (2001),inmitten von gefühlt zwölftausend anderen Käufern und einer anschließenden 8-stündigen Zugfahrt von Berlin nach Leipzig.
Entsprechend der Geschwindigkeit konnte ich jeden einzelnen Baum mit Handschlag begrüßen.

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Dezember 8, 2013 Posted by | Leipzig, Musik | Hinterlasse einen Kommentar