Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, MUSICA NOVA, Olivier Messiaen, Palidrome, schwimmende Rückkehrer und ein TaBULLENführer

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Spielplan „MUSICA NOVA“, Gewandhaus Leipzig, Mendelssohn-Saal, vor drei Tagen

Experten der Musik Messiaens‘ haben dieses Programm sicher als Selbstverständlichkeit eingestuft.
Mir gelang dieser Schritt keineswegs.
Ich kannte natürlich die „Turangalila-Sinfonie“ und „Quator pour la fin du temps“, weitere Kammermusik und einige Orgel-Kompositionen und wusste, zumindest theoretisch, von ein paar verstreuten Chorwerken.
Doch Vokalmusik von Messiaen gab es für mich praktisch nicht.
Ich erfreute mich zwar vor etwa zwanzig Jahren an der Leipziger Inszenierung der Oper: „Saint Francois d’Assise“, doch Opern werden weitgehend unter „Bühnenwerke“ eingeordnet.
Vor drei Tagen nun die Liederzyklen „Poèmes pour Mi“ und „Chants der terre et de ciel“ für Sopran und Klavier und mir standen bald vor Anspannung die Haare zu Berge, wie es meine selige Großmutter in ihrer gewohnt folkloristischen Art zu sagen pflegte.
Diese teils schmerzhaft expressiven Gesänge, unterbrochen durch wundervoll lyrische Klavierpassagen, toben, bzw. säuseln mir noch heute durch die Ohren (Sopran: Julia Sohie Wagner / Klavier: Steffen Schleiermacher).

Dank einer Bildungserweiterung durch Schleiermachers launig-amüsant vorgetragenen Einführungen weiß ich jetzt von drei Gesangszyklen. Neben „Poèmes…“ und „Chant…“ gibt es noch „Harawi“, von Musikern und Sängern, seiner Schwierigkeit wegen, auch als „Harakiri“ gefürchtet.
Messiaen lebte einen tiefgläubigen Katholizismus, dessen existenzielle Bedeutung sich prägnant in seinen Noten widerspiegelt.
Er nimmt gregorianische und indische Tonsysteme in seine Kompositionen auf und fahndet mit ornithologischer Leidenschaft nach Vogelstimmen, die er in seine Musik einfügt.
Außerdem besaß er die Gnade, synästhetisch zu empfinden.

Messiaen entwickelt sieben Modi, Tonleitern, weder Dur noch Moll, komponiert unumkehrbare Rhythmen, fasst Kreuzesmotive in Noten und verwendet musikalische Palidrome (Buchstabenreihen, Notenreihen,…mit gleichen Ergebnissen von vorn und hinten gelesen, z.B. Rentner, Kajak. Und eben auch in der Musik möglich).
Diese Erkenntnisse vermag ich aber nicht eigenständig an der vorgetragenen Musik zu gewinnen, es bedurfte der Hinweise Schleiermachers.

Erwartungsgemäß keine journalistische Bearbeitung dieses Konzerts in Leipzigs Tageszeitung.
Ich erinnere mich auch nicht, während der vergangenen Jahre den Resortleiter Kultur und gleichzeitig Musikkritiker auch nur einmal im Mendelssohn-Saal bei „MUSICA NOVA“ gesehen zu haben.
Dafür seit Tagen die gnadenlose Belästigung mit einem LVZ-Glühweintest.
Leser dieser Zeitung hopsen auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt von Glühweinstand zu Glühweinstand, füllen sich mit dieser kochenden Brühe ab und notieren in vorgedruckten Tabellen ihre Beurteilungen.
Ich bekomme von Glühwein Zahnfleischpickel und Geschmacks-Masern.

Bis 31.Mai 2017 werden noch vier Konzerte von „MUSICA NOVA“ stattfinden, u.a. mit Musik von Harrison Birtwistle, Thomas Adès, Steffen Schleiermacher, Galina Ustwolskaya…..

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Brot, Salz, Wein und Musik von Olivier Messiaen, Galina Ustwolskaya, Thomas Adès und Harrison Birtwistle sollte man immer im Haus haben


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„stéle 2016 – Das pneumatische Klavierquintett“
Dienstag, 29.November 2016, 20 Uhr.
Leipzig, Mendelssohn-Haus, Goldschmidtstraße 12.
Musik von Steffen Schleiermacher, Conlon Nancarrow, Wolfgang Heisig, Knut Müller.
Neben zwei Violinen, Viola, Violoncello, also die traditionelle Streichquartett-Besetzung, wird das (die?) Phonola eingesetzt.

Eine Empfehlung, bevor Weihnachtsoratorien, Weihnachtskantaten, Weihnachtsmessen, Weihnachtsmotetten…. uns an die Geburt des Unvergleichlichen erinnern und wir unter dem Gedröhn von entsprungenen Rosen, von fröhlichen Weihnachten überall und klingeling klingenden Glöckchen mit drei bergig gefüllten Einkaufscontainern an zwei Händen durch Supermärkte und Warenhäuser getrieben werden.

Zugabe

Titel eines Films über Peter Handke, soeben in den Kinos angelaufen:

„Bin im Wald, kann sein, dass ich mich verspäte.“
Großartig.

Ich erinnere mich dann sofort an einen Gedichtband des Leipziger Lyrikers Thomas Böhme:

„Rückkehr der Schwimmer“.
Noch großartiger.

Und ich lese heute die Überschrift der Fußballbeschreibung des Spiels einer Leipziger Mannschaft in Leipzigs Tageszeitung:

„TaBULLENführer“

Ich bemühe mich ja um Toleranz. Und natürlich sind das intellektuelle und sprachliche Ebenen, die zwischen Hawking und Pantoffeltierchen pendeln.
Aber auch bei der Sportseite sollte man um ein Mindestmaß an Anspruch ringen.

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November 26, 2016 Posted by | Leipzig | 1 Kommentar

Jürgen Henne, ein Abonnement und die Vereinigten Staaten von Amerika – Eine Rechtfertigung

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Es beginnen bei mir die Überlegungen, das Abonnement für „Die Zeit“ zu kündigen.
Schon vor einigen Jahren, als eine Seite der Sparte „Geschichte“ durch Fußballbeiträge ersetzt wurde, musste ich kleine Irritationen bekämpfen.

Nun habe ich die gesamte Ausgabe der aktuellen „Zeit“ weitgehend ungelesen in meinen Kübel für entbehrliches Schrifttum gedrückt.
Denn etwa dreizehn Artikel behandeln Donald Trump.
Innerhalb der Resttexte wird er sicherlich zumindest erwähnt.
Ich kann diese Journalisten-Sülze nicht mehr ertragen.

Selbst in der eher volkstümlichen Rubrik „Was mein Leben reicher macht“ muss Donald ran.

Darin stürmt ein sechsjähriger Junge durch die Wohnung und brüllt: „Mama, Mama, Donald Duck ist Präsident geworden!“

Mein Gott, ist das erbärmlich.
Nichts gegen diese kindliche Reaktion, sie ist durchaus angemessen.
Doch eine Veröffentlichung muss nicht sein.
Natürlich denkt der durchschnittliche Zeitgenosse bei „Donald“ an Disney und Barks.
Weniger an Kolumbus oder Robin Hood.
Und zum Abschluss noch die kleine polit-philosophische Zugabe des Einsenders:
„Ich frühstückte weiter und denke: Wenn es doch so wäre.“
Das muss man mögen.

Vielleicht führt der folgende Präsident den Nammen „Dagobert“
Dann wird sicherlich die kleine Story abgedruckt:
„Mama,Mama, Dagobert Duck ist Präsident geworden“

Aber vielleicht heißt der Präsident nach Trump auch Goofy.

Selbst wenn über die Radieschenzucht in Süd-Grönland oder über die Fußpflege des Galapagos-Frettchens berichtet werden sollte, würde sich ein inhaltlicher Radius zu Trump zwingend finden lassen.

Als dickleibige Überschrift der Rubrik „Leserbriefe“ wird in der „Zeit“ ausgespien: „Ein Kretin wie Trump“.

Politiker und Journalisten monieren zu Recht die Grobschlächtigkeit und den für mitteleuropäische Verhältnisse gewöhnungsbedürftigen Politik-Stil der USA und dreschen aber mit „Hassprediger, Clown, Horrorclown, Gruselclown, Kretin, Faschist, Psychopath, Horrorfigur“…zurück.
Und jede Gazette übernimmt diese Ärmlichkeiten von anderen Gazetten.
Über Monate.

Kretin, Psychopath…….in politischen Zusammenhängen.
Da stürmt und streicht sich recht zügig der unsägliche Julius aus infernalischen Zeiten durch meine Erinnerungen.

Weder Trump noch Clinton galten für mich als fähige Kandidaten.
Doch Amerika hat Trump gewählt, Amerika hat sich demokratisch für Trump entschieden.
Da haben Europa und die anderen Kontinente eben Pech.
Aber die Hälfte der amerikanischen Wähler hat Trump gewählt.
Man wählte wirklich nicht in Meppen und Castrop-Rauxel.
Man wählte in den Vereinigten Staaten von Amerika und der Präsident heißt Donald Trump.
Das müssten doch selbst deutsche Journalisten intellektuell bewältigen können.

Aber schon hocken sie wieder, zumindest Teile der journalistischen Arbeitsfront, in ihren Stübchen und warten fiebrig auf weitere Entgleisungen Trumps, z.B. bei der Zusammenstellung des Kabinetts.
Dann kann man weiterhin von Entsetzen und Schock und Starre berichten, von Schockstarre und von Starreschock.
Von Psychopathen und Kretins.
Und sie werden die teuflische Botschaft fürchten, dass sich dieser zukünftige Präsident, zumindest in Maßen, für eine kultivierte Politik entschieden hat.
Denn sie müssten dann einfältige Kontinuitäten in der Berichterstattung unterbrechen.

Ebenso die deutschen Hobby-Anti-Trump-Inquisitoren, die sich vor amerikanische Botschaften in Deutschland stellen und „Trump raus aus Amerika“ krähen.
Woher dann das Gefühl von Wichtigkeit erhalten?

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Mit Kunst von Henry Moore. Unweit von Montauk.
Befriedigend gebildete Zeitgenossen werden natürlich an Max Frisch denken

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Am Atlantik (Long Island), wie immer in tiefschürfende Gedanken versunken

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Nach vielen Stunden mit großartiger Kunst im Außenbereich des Museum of Modern Art (New York), hinterer Mittelgrund, goldener Schnitt, mittig.

Wir sind eine erkleckliche Anzahl von Wochen durch die USA getourt, Ost-u.Westküste.
Und ich werde mich nicht dieser Verurteilungs-Hysterie anschließen, die in Deutschland flächendeckend ausgeworfen wird und natürlich auch die amerikanische Bevölkerung einschließt, nicht nur amerikanische Präsidenten.
Aber ich werde stets Geschichte und Demokratie dieses Landes preisen.
Gleichfalls bildende Kunst, Musik, Literatur, Film, Theater, natürlich Medizin und andere Naturwissenschaften, unvergleichlich im 20./21.Jahrhundert.

„Eigentlich wollte ich nächstes Jahr in die USA fliegen. Jetzt ist Trump Präsident.
Da werde ich mein Urlaubsziel ändern.“

Derartige Kausalitätsketten musste ich zur Kenntnis nehmen.
Und aus den gleichen Mündern kreischt es dann „Kretin, Psychopath…..über den Atlantik.
Man sollte in deren Wohnungen große Spiegel aufstellen.

Schlussgedanke an alle Schreihälse

Vielleicht gibt es mit Trump weniger Kriege!
Vielleicht gibt es mit einem Donald Trump als Hassprediger, Clown, Horrorclown, Horrorfigur, Gruselclown, Kretin, Faschist, Psychopath…weniger Kriege.

Kulturtipp
Kunst, Literatur, Musik des 20./21. Jahrh. aus den USA.


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November 21, 2016 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und zwei Konzerte in Leipzig

Vor einigen Tagen hüpfte Andrea Berg über die Bühne von Leipzigs „Arena“.
Die Schreibstübchen in Leipzigs Volkszeitung schienen im Ausnahmezustand.

Nach entsprechenden Vorankündigungen wurde die Titelseite (!) des Blattes am Tag nach dem Konzert von der prallen Andrea dominiert, unterlegt mit der Ankündigung, eine ausführliche Kritik der Veranstaltung in der folgenden Ausgabe erwarten zu dürfen.
Tags darauf erhielt diese Drohung tatsächlich eine gedruckte Substanz.
Die Kulturseite platzte aus allen Andrea-Lettern.

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Gleichfalls vor wenigen Tagen in der Leipziger Michaeliskirche ein Konzert mit der Friedenskantorei unter Veit Stephan Budig, seit fünfundzwanzig Jahren verdienstvolles und bemerkenswert qualitätsbewusstes Oberhaupt des Chores.

Gegeben wurden Arvo Pärts „Misere“ und die „Messe f-moll“ Anton Bruckners.

Aber kein Wort in der Leipziger Zeitung, die bei Andrea Berg so entsetzlich abtrieft, kein Halbsatz, nicht einmal ein Semikolon.
Nicht vor dem Konzert, danach ebenfalls eine vollständige Beachtungs-Askese.

Budig dirigiert das Weihnachtsoratorium des vorzeitlichen Thomaskantors und das deutsche Requiem von Brahms. Feine Musik.
Aber eben auch Arthur Honeggers „König David“ oder die „Psalmensinfonie“ Strawinskys.
Gleichfalls feine Musik
Nicht selbstverständlich in dieser Stadt.
Doch kein Wort in Leipzigs einziger Tageszeitung, nicht einmal ein unauffälliges Ausrufezeichen.
Aber die Schreibstübchen werden sich bald wieder aufheizen, denn Ende Januar gibt es ein Zusatzkonzert.

Doch nicht mit Musik von Pärt, Strawinsky, Honegger….
Auch nicht von Alban Berg oder Arnold Schönberg.
Desgleichen nicht von Boulez, Samuel Barber, Birtwistle, Bartok, Berio, nicht einmal von B.Britten.
Ein anderes großes „B“ wird wieder durch Leipzigs „Arena“ hüpfen.

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Etwas Pärt sollte man immer im Haus haben

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Das Studium der „Kritik“ in Leipzigs Tageszeitung zum Gesangsabend von Andrea Berg unterbrach ich nach wenigen Sätzen, eine Frage der Prioritäten und der Gesundheitserhaltung.
Beim emotionalen Finale des Textes habe ich mich dann wieder zugeschaltet.

„Dann ist Schluss. Draussen warten die Taxis und der Alltag. Drinnen wird der Glücksdrache wieder abgebaut.“ (LVZ, Jürgen Kleindienst)

Für diese hochtourig-philosophischen Betrachtungen über die Fragilität existenzieller Abläufe hätte der Verfasser innerhalb des Schweriner Poeten-Seminars zu finstren DDR-Zeiten sicher einen Trostpreis erhalten.

Kulturtipp
Heute, 20 Uhr, Arte.
„Capote“ mit dem unvergleichlichen P.S.Hoffman.
Und danach bis morgens fünf Uhr andere Filme mit Hoffman sehen.
Es gibt reichlich davon.
Selbst „Radio Rock Revolution“ ist ansehnlich.
Es geht um den Sender „Radio Caroline“, der mir besonders durch den Moderator Dave Lee Travis in Erinnerung bleibt.
Er moderierte ab Mitte der 60er Jahre neben Uschi Nerke den „Beatclub“ und kündigte u.a. Jimi Hendrix, Cream, Who, Small Faces, Animals, Dave Clark Five, Chris Farlowe, Vanilla Fudge, Trafficc, Canned Heat…………..an.
Mir kommen die Tränen.

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November 16, 2016 Posted by | Leipzig | 1 Kommentar

Jürgen Henne und das „Sonntagsrätsel“ auf Deutschlandradio Kultur

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Wenn die Strukturierung des Sonntags es erlaubt, genehmigen wir uns mitunter das „Sonntagsrätsel“, 10.30-11.00 Uhr auf Deutschlandradio Kultur.
Dreißig Minuten wundervolle Behäbigkeit. Ein Musiktitel-eine Frage, ein Musiktitel-eine Frage, ein Musiktitel-eine Frage…
Und immer wieder diese rituell vorgetragenen Einladungen: „Neues Spiel, neues Glück“ und „Wer wagt, gewinnt“…irgendwie aus den 50/60er Jahren, bei jeder Sendung.
Genau die angemessenen Minuten, schon wieder etwas ermüdet, den Pflaumenmus-Toast und das Frühstücksei wiederzukäuen.

Doch Hans Rosenthal, der vor über fünfzig Jahren die Sendung entwickelte, dürfte wohl inzwischen nicht zu seinem gefeierten Ritus „Das war Spitze“ (oder so ähnlich) ansetzen, wenn er den aktuellen Anspruch der Sendung zur Kenntnis nähme.
Er würde eher wie Carrie in Brian De Palmas gleichnamigen Film seinen Arm aus der Erde drehen, um Uwe Wohlmacher zu würgen.
Denn Wohlmacher agiert als gegenwärtiger Moderator, vielleicht auch ein Thema für De Palma.

Wir sind natürlich getrieben, die sechs Fragen ohne Hilfsmittel zu bewältigen, es gelingt weitgehend.
Wenn aber nach Fontane gesucht wird, den Wohlmacher in die Literatur der deutschen Romantik einordnet, wird mein literaturhistorisches Selbstbewusstsein erheblich gestört.
Nur ein Beispiel ständig ausufernder Defizite und Irrtümer innerhalb der Sendung.

Meine unaufdringlichen, einsätzigen Hinweise auf diese Fehlgriffe werden erbarmungslos ignoriert.
Korrigierende Hinweise in den nächsten Sendungen scheinen Wohlmacher und der Redaktion gleichfalls überflüssig.

Vor vierzehn Tagen die Frage nach dem Handlungsort von Bizets „Carmen“ („gähn“), gestern dann die Frage direkt nach Bizet („gähn“).
Mir scheint, Wohlmacher türmt um sich Opernlexikon, Operettenlexikon, Filmmusiklexikon, Schlagerlexikon, Rocklexikon, Volksmusiklexikon….tippt mit geschlossenen Augen auf einen Text, den er dann mehrmals nutzt.

Aber auch etwas skurrile Abläufe ergeben sich.
So behelligte er vergangene Woche den Zuhörer mit der Frage nach dem ursprünglichen
Titel von Rossinis „Barbier von Sevilla“ bei der Uraufführung (Anfang des 19.Jahrh.).
Ich gönne mir das Urteil, grundsätzliche, doch auch detaillierte Zusammenhänge der Musikgeschichte erfasst zu haben.
Doch diesen ursprünglichen Titel kennt keine Sau.
Er lautet: „Die nutzlose Vorsicht“, noch die gehört.
Für Fachleute der Musik Rossinis oder der italienischen „Opera buffa“ sicher interessant.
Doch der Zufall hat eben Wohlmachers Finger auf „Die nutzlose Vorsicht“ gedrückt und schon muss diese dusslige Frage gestellt werden.

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Kiste ohne Tonträger

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Stapel (Tonträger), nicht ganz im Lot, doch keineswegs wacklig

„Feinklingende“ Wörter müssen dann Buchstabe für Buchstabe zusammengestellt werden, z.B.Ladung, Hantel, Stapel, Kiste….
Man hört also Musikbeispiele von Verdi, Puccini, Händel und das Lösungswort ist dann „Kiste“

Vorgestern war „Zeiger“ dran, auch nicht gerade der Gipfel sprachlicher Ästhetik.
Doch hätte ich dem Einsatz dieses Wortes am Wochenende der Zeitumstellung noch etwas Verständnis entgegen bringen können.
Aber der Finger zuckte eben erst eine Woche später auf „Zeiger“.

Bei „Stapel“, gleichfalls kein sprachlicher Knaller für eine derartige Sendung, wurde als Hilfestellung angeboten: „Kann unter Umständen wacklig sein.“

Kann natürlich wacklig sein, so ein Stapel, muss natürlich nicht.
Er kann wacklig sein, wenn er wacklig gebaut wurde.
Aber auch weniger wacklig, wenn er weniger wacklig gebaut wurde.
Ein Stuhl kann auch wacklig sein, auch ein Pudding. Ich denke dabei an Wackel-Pudding.
Auch mein Kopf kann sich den Zustand der Wackligkeit nähern, wenn ich in wenigen Jahren in die Debilität eintrete.
Auch Hodensäcke, die beim Volleyball an den FKK-Stränden dieser Welt über den Sand stürzen, können natürlich wackeln, bzw. wacklig sein.
Stapel können wacklig sein, fein beobachtet.

Ich verweise darauf, diese Sendung ist keine Satire und Wohlmacher eigentlich kein Spaßmacher.

Die Fragen erscheinen dann einige Stunden später auf der Homepage von „Deutschlanradio Kultur“, ohne Musiktitel, mit deren Hilfe man die Lösung finden soll.

Bei der vorgestrigen Fragestellung nach Bizet heißt es dann: „Sie hörten „L’Arlésienne“ eines französischen Musikers.“
Wir hörten mitnichten „L’Arlésienne“.
Wir hörten einen zweiminütigen Absatz.
Denn „L’Arlésienne“ besteht aus zwei Suiten.
Die erste, wesentlich bekanntere Suite, klingt fast zwanzig Minuten.
Doch diese Genauigkeiten erwartet man schon gar nicht mehr.

Das Stück sollte man immer wieder einmal hören, eine ausgesprochen unterhaltsame Musik.
Bei Bizet gibt es eben nicht nur „Carmen“
Die sogenannte „Freundschaftsarie“ aus seinen „Perlenfischern“ war z.B. eine der ersten, vorpubertären Glücksgefühle vor meinem Kofferradio.

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Eine meine frühen Tonträger-Erwerbungen mit Bizets „Freundschaftsarie“ und den Zeugnissen häufiger Benutzung.

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November 8, 2016 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, die Dresdner Elbschlösser und Rammenau. Aufenthalte zwischen den Konzerten in Hellerau. Ein Bilderbuch ohne ausschweifende Kommentare

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Dresdner Elbschlösser
Schloss Albrechtsberg

Nicht verwechseln mit der Albrechtsburg in Meissen!
Ein Scherz für eher schlichte Zeitgenossen!

Klassizismus, von Adolph Lohse, Schüler Schinkels.
Lohse baute fast ausschließlich in Berlin.

Zu DDR-Zeiten seit 1951 als Pionierpalast Walter Ulbricht erniedrigt.
Ich verachte Systeme, die öffentliche Einrichtungen nach noch lebenden Zeitgenossen benennen.
Natürlich könnte man bei Jürgen Henne eine Ausnahme machen.

Zwischen den abendlichen, bzw. nächtlichen Konzerten in Hellerau benötigte der geschundene Besucherkörper ein gerüttelt Maß Entspannung (voriger Beitrag).
Da ich noch nicht der Fangemeinde „Architektur des 19.Jahrhunderts“ beigetreten bin und es sicherlich auch so bleiben wird, habe ich während der vergangenen Jahrzehnte eine „Besichtigung“ der Elbschlösser, trotz des vierjährigen Aufenthalts an der sächsischen Elbe, selbstsicher vermieden.
Doch für diese Tage in Hellerau mit musikalischer Avantgarde empfand ich den architektonischen Historismus als gnädigen Ausgleich, als Beruhigung sozusagen.

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Lingnerschloss (früher Villa Stockhausen), gleichfalls von Adolph Lohse, später Klassizismus.

Eigentümer ab 1906 der Odol-Entwickler Karl August Lingner,
Umgestaltung durch Wilhelm Kreis, er baute auch u.a. das Hallenser Landesmuseum für Vorgeschichte und das Hygiene-Museum in Dresden.
Mittelmäßige Freundschaft mit Karl May.
Ab 1957 Klub der Intelligenz mit M.v. Ardenne als dominantes Gründungsmitglied.

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Ästhetischer Höhepunkt der Schlosskneipe im Lingnerbau

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Kleiner Vogel
Für ornithologische Rumpelstilzchen! Das ist ein Rotschwänzchen!
Blick von der Terasse am Lingnerschloss, oberhalb der Weinberge.
Werde ich für verschiedene Preisverleihungen in der Kategorie „Tierfotografie“ einreichen.

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Schloss Eckberg
Sicher der albernste Beitrag innerhalb der drei Elbschlösser Dresdens.
Von C.F. Arnold mit erbarmungslos durchgezogenem Historismus (Neugotik), Mitte des 19.Jahrh., Schüler von Semper.
Ab Beginn des 20.Jahrh. im Besitz von v. Mayenburg, Erfinder der Chlorodont-Tube.

Also neben Odol-Lingner nun auch Chlorodont-Mayenburg unmittelbar nebeneinander über den Dresdner Weinbergen.
Unsere sächsischen Kämpfer gegen faulig-eiternden Zahnwuchs, wider dem Mundgeruch.

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Schloss Eckberg

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„Stürmische Wogen“ im Schlosspark Eckberg von Robert Diez
Ende 19.Jahrhundert, 1900 auf der Weltausstellung in Paris.
Zweitguss des Originals, Erstguss heute gemeinsam mit „Stille Wasser“ (gleichfalls von Diez)auf dem Albertplatz in Dresden-Neustadt, an Stelle eines sowjetischen Mahnmals zu DDR-Zeiten.

Von der Ferne besehen denkt man zunächst an Neptun, Poseidon….
Aber dann fehlen Dreizack, Prora, Streitwagen….

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„Stürmische Wogen“, Detail

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„Stürmische Wogen“, Detail

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„Stürmische Wogen“, Detail

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Schloss Eckberg
Sascha Schneider, „Sonnenanbeter“ , Bronze

Das zu Bildhauerei mutierte Grauen.
1870 in St.Petersburg geb.
Siebenundfünfzig Jahre später nippte er auf einer Schiffsreise an einer Flasche Fleckenentferner und verschied.
Ob Suizid oder versehentliche Einnahme ist weitgehend noch nicht geklärt, nach meinem Kenntnisstand.
Befreundet mit Karl May, Oskar Zwintscher und Hans Unger.
Ein Quartett des Schreckens.

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Schloss Eckberg, Schlossgarten
Peter Pöppelmann, vermutlich „Aphrodite“

Das schönste Detail der gesamten Anlage.
Ob verwandschaftliche Linien von Peter Pöppelmann zum Pöppelmann des Zwingers führen, entzieht sich meiner Kenntnis.


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Rammenau, ländliches Barockschloss
Von Dresden vierzig Kilometer entfernt, unmittelbar neben Bischofswerda.
Geburtsort Johann Gottlieb Fichtes, Grabstätte auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof Berlin.
Aussen Barock, innen Klassizismus.

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Rammenau, Schlosspark

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Rammenau, Schlosspark, Gedenkstein für Johann Gottlieb Fichte


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November 3, 2016 Posted by | Leipzig | 1 Kommentar