Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, die alltäglichen Irritationen und aufm Bauernhof, Kopulationen ohne Gesichtslappen, „Ob-La-Di, Ob-La-Da, „Schöne Maid“ und eine Portion Fremdscham

Irritation I

LVZ, 11.Dezember 2020, S.10 (Kinder-Seite)

Ich leugne ja mitnichten die aktuell verheerende Existenz dieses im Grunde leblosen, doch zerstörerischen Endringlings, den niemand geladen hatte. Im Gegenteil, ich werde gehorchen und mich „brav“ und „spießig“ in meine heimische Kultur-Oase zurückziehen.

Auch leugne ich nicht die Dynamik der Sprache und deren notwendigen Veränderungen und Anpassungen als Folge sozialer, politischer….Brüche, ob vorwärts oder rückwärts sei dahingestellt. Diese Wandlungen können hochgradig originell sein und dem Bedürfnis nach sprachlicher Ästhetik genügen.

Aber muss es unbedingt „aufm“ sein, statt „auf dem“ (s.o.). „Aufm Bauernhof“, da bekommt man ja Lippen-Muskelkater. Und eine edel zu sprechende, lesende, hörende Umformung ist diese Mutation keineswegs. Ich denke da eher an eine schnoddrige Anbiederung an kindliche Nachlässigkeiten in der Alltagssprache.

Irritation II

Anders als scheinbar der gesamte Journalismus dieses Landes, der Angela Merkels Rede zur aktuellen Situation als wirkungsvoll und beeindruckend wahrnahm, ging mir dieses Geschluchze ziemlich massiv auf den Ersatzknöchel. Ich benötige keine barmend-flehenden Frontal-Emotionen.

Verschärft wurde mein Unbehagen, als A. Merkel nach ihrer Rede verwegen zu dem Bundestagshocker von Heiko Maas aufbrach und ihn zu einem launigen Gespräch nötigte. Ohne Gesichtslappen wählte sie einen Abstand, der sich eindeutig für züngelnde Rachenmassagen und eine deftige Kopulation anbot. So werden Vertrauen und Glaubwürdigkeit geschaffen.

Irritation III

Innerhalb einer nächtlichen Nachrichtensendung des Deutschlandfunks verglich man die täglichen Seuchen-Opfer in den USA mit den Toten des Hochhaus-Terrors von 2001. Denn vor wenigen Tagen starben innerhalb von 24 Stunden mehr Menschen an dem Virus als im September vor neunzehn Jahren im World Trade Center. So etwa hieß es in der Lagebeschreibung.

Mir gelingt es intellektuell und medizinhistorisch aber nicht, diese Zusammenhänge zu erfassen. Ich kann sie nur erahnen und entscheide mich deshalb schon vorsorglich für eine Portion Fremdscham und für Verachtung gegenüber dieser dümmlichen Art von Journalismus.

Irritation IV

Spiegel, Nr.50, 2020, S.60

Aus einem Text über Tony Marshall im „Spiegel“ und die Reaktion auf eine Frage nach seiner Zufriedenheit, ständig „Schöne Maid“ singen zu müssen.

„Ob-La-Di, Ob-La-Da“ kann man sicherlich nicht in das qualitativ hochwertige Kern-Material der Beatles-Songs einordnen. Aber ob sie tatsächlich „auch nur immer“ diese Gurke gesungen haben?

Vielleicht haben sie auch hin und wieder „I Am the Walrus“, „Helter Skelter“, „Strawberry Fields Forever“……dazwischengeschoben, ich vermute es. Denn immer nur „“Ob-La-Di, Ob-La-Da“. Vielleicht auch „Hello, Goodbye“, „Across the Universe“, „Paperbeck Writer“, „Revolution“….

Bei Tony Marshall bin ich da eher überfordert , welche Titel er in Konzerten außer „Schöne Maid “ bevorzugte. Vielleicht „Schöne Maid 2“, „Schöne Maid 3“, „Schöne Maid 4″….

Überhaupt könnte die vergleichende Zusammenführung der Musik Toni Marshalls und der Beatles auf nur einer gedruckten Seite zu Verunsicherungen führen, man muss es mögen.

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Dezember 15, 2020 Posted by | Leipzig | 1 Kommentar

Jürgen Henne, Jean-Luc Godard und Glühwein in Leipzig. Aus der Serie „Verstreutes“

Meine herzlichen Cineastengrüße zum 90.Geburtstag an Jean-Luc Godard.

Sicherlich bin ich nicht der klassische Typ eines Cineasten, dessen Tagesablauf von Filmen bestimmt wird. Doch dem öffentlichen Kino und den heimischen Möglichkeiten filmischer Unterhaltung stehe ich doch recht aufgeschlossen gegenüber.

Meine Kassette mit einer Auswahl von Godards Filmen legt Zeugnis davon ab (oben).

Einzelne Streifen der Kassette mit zehn Filmen.

Wobei meine Auswahl keiner qualitativen Bewertung folgt. Als kulturhistorisch bedeutsamsten Beitrag im Werk Godards muss man vermutlich „Außer Atem“ mit Belmondo und Jean Seberg einordnen.


Leipziger Volkszeitung, 2.Dezember 2020

Wenn ein Umfragegestalter mich in diese Umfrage aufgenommen hätte, wäre der untere Umfragebalken fraglos auf 13,5 % angeschwollen. Denn ich verabscheue diese geglühte Rotbrühe.

Und besonders auf Weihnachtsmärkten, wenn ein rempelnder Rüpel bei gefühlt neunundsiebzig Lebewesen auf einem Quadratmeter mich grob touchiert und mir sein kochendes ZimtNelkenGebräu in den Nacken kippt, wonach ich schmerzstöhnend mich nach vorn neige und meine Nase in der ähnlich heiße Gulaschsuppe meines Vordermanns eintaucht.

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Dezember 3, 2020 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar