Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne und ein Film

Ich werde mich hüten, hier eine umfassende Beschreibung, Würdigung und Herabwürdigung eines Films von Volker Koepp anzubieten, welcher die 3-Stunden-Grenze streift, längentechnisch gesehen. Ich bräuchte dann für diese Beschreibungen, Würdigungen, Herabwürdigungen und überhaupt für eine tiefschürfende Abwägung aller Zusammenhänge, aller Mutmaßungen und Zumutungen, sicherlich 10×3 Stunden, ungefähr.

Natürlich geht es in dem Film um Uwe Johnson in Anklam, in Güstrow, in New York, auf Sheerness und dem Darßer Fischland. Und es geht um Landschaft, um Krieg und Politik, wobei die infantile Bezugnahme auf aktuelle Abläufe und Akteure nur Ärger erzeugt und das Potential beinhaltet, die Klinke der Ausgangstür zu betätigen. Derartige Zwischenspiele werden aber ohnehin nicht selten nur wie Pflichtkotze in die Lücken geklebt. Vergelt`s Gott , diese Szenen bleiben im Film selten

Gefragt wurden Schauspieler (Peter Kurth), Regisseure (Hans-Jürgen Syberberg), Orgelbauer, Keramikerinnen, Schriftstellerinnen, die ihre Verbindungen zu Johnson und zu ihren heimatlichen Arealen mehr oder weniger anspruchsvoll darlegen.

Johnsons Bücher hatte ich bisher noch nie an privilegierter Stelle in meinen Bücherregalen eingeordnet oder unter meine Nachttischlampe gelegt. Seine „Mutmassungen über Jakob“ las ich vor etwa fünfundzwanzig Jahren und ich erinnere mich nicht an dramatische Nachwirkungen positiven Zuschnitts.

Ein Besuch im Klützer Johnson-Museum vor einem Jahrzehnt, durch dessen Räume Texte aus seinem vierbändigen Hauptwerk „Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl“ (1970-1983) hallten, ließ mich dann doch erheblich stutzen und ich zweifelte an der Berechtigung meiner, zumindest mittelmäßigen Ignoranz gegenüber Johnsons Literatur. Ich glaube, der Text beschrieb New York und ich glaube gleichfalls, er wurde von Johnson selbst gelesen und ich glaube nicht nur, ich weiß, dass mich diese sprachliche Genauigkeit zunehmend faszinierte.

Und nun liegen regelmäßig Texte von Johnson unter meiner Nachttischlampe.

Und nun Schicht im Schacht, es bleibt meine Empfehlung, diesen Film nicht zu versäumen. Und wenn einmal Hypnos kurz zuschlägt, kann man auch damit leben.

Noch zwei Ergänzungen, zu Güstrows Engel und zu Johnsons Jakob:

I. Genau sechsundachtzig Jahre vor unserem Kinobesuch für „Gehen und Bleiben“ ( 23.8. 2023) wurde Ernst Barlachs „Schwebender Engel“ aus dem Dom in Güstrow entfernt und eingeschmolzen (23.8. 1937)

II. Vor etwa einem Jahrzehnt wählten einige literarische Vereinigungen den schönsten Anfangssatz eines Romans in der deutschen Literaturgeschte.

„Ilsebill salzte nach“ von Günther Grass („Der Butt“) wurde völlig zurecht zum Sieger gekürt, obwohl mir grundsätzlich diese populären Kaspereien in kulturellen Bereichen auf den zentralen Trapez-Knorpel gehen. Kafka erkämpfte sich Platz II („Die Verwandlung“) .Mir ist die mögliche Platzierung des ersten Satzes in Uwe Johnsons „Mutmassungen über Jakob“ nicht bekannt. Doch „Aber Jakob ist immer quer über die Gleise gelaufen“ verdient einen TopTenPlatz.

Mit einem grandiosen Satz beginnt G.G. Márquez seine „Hundert Jahre Einsamkeit“:

„Viele Jahre später sollte der Oberst Aureliano Buendia sich vor dem Erschießungskommando an jenen fernen Nachmittag erinnern, an dem sein Vater ihn mitnahm, das Eis kennenzulernen.

Allein dieses Satzes wegen war der Nobelpreis für den Kolumbianer hochgradig gerechtfertigt.

Literaturhaus Uwe Johnson, Klütz, Im Thurow 14

Klütz wird mitunter als Johnsons literarisch beschriebenes Jerichow favorisiert. Zumindest sind die nordwestmecklenburgischen Areale als Grundlage für seine Schilderungen unzweifelhaft belegt.

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August 28, 2023 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jurgen Henne, die alltäglichen Irritationen und drei Filme

Irritation I

Leipziger Volkszeitung vor einigen Tagen. Titelseite unten, Detail.

Meteorologen machen Hoffnung. Nächstes Wochenende wieder Sommerwetter bei 35 Grad.“

Endlich, was soll ich mit beknackten 28 Grad. Ich will Amseln sehen, die mit glühender Schwanzfeder wie verdorrte Mirabellen von den Bäumen tropfen. Ich liebe Journalisten und Redakteure, die mich mit Hoffnung beschenken. Ich will durch mein Leipziger Rosental barfuß über verkohlte Maulwürfe lustwandelm und Deutsche Eichen sehen, die wie verdorrte Strohpuppen stöhnend splittern. Und vor allem will ich dann am Horizont die 35 GradHoffnungsJournalistenundRedakteure inmitten einer Höllenfeuerszenerie sehen, bei deren Anblick selbst Hieronymus Bosch gekotzt hätte.

Detail vom Detail.

Irritation II

Nach dem Rausschmiss der deutschen Frauenfußball – Brigade ächzte man in Presse, Funk und Fernsehen, das Deutschland unter Schockstarre stehe und verzweifelt wäre. Also Schockstarre und Verzweiflung. Ich wollte um eine Erweiterung bitten: „Deutschland in Schockstarre und Verzweiflung, aber ohne Jürgen aus Gohlis“. Denn das hat mich alles weniger interessiert als die Arbeit eines Frettchen-Friseurs. Und wieso kann von einem gesamten Land gespochen und geschrieben werden, das in Schockstarre und Verzweiflung vereist, wenn der Jürgen in Gohlis tapfer dieser Vereisung zu Schockstarre und Verzweiflung widersteht.

Ähnlich gelagert sind diese periodisch angekündigten Massenaktionen, die zum tausendfach ritualisierten Laufen, Wandern, Radeln, Schwimmen…..auffordern und die, kultiviert formuliert, mein Wohlbefinden beeinträchtigen können.

Die Leipziger Presse zelebriert dann diese Abläufe journalistisch mit „Leipzig läuft“, „Leipzig wandert“, „Leipzig radelt“, „Leipzig schwimmt“……

Ich erwarte dann ständig: “ Leipzig läuft, aber ohne Jürgen aus Gohlis“, Leipzig wandert, aber ohne Jürgen aus Gohlis“, „Leipzig radelt, aber ohne Jürgen aus Gohlis“, Leipzig schwimmt, aber ohne Jürgen aus Gohlis“. Doch interessiert das keine Sau.

Irritation III

Meidet doch bitte diesen hysterisch vorgetragenen Hass auf einen ehemaligen Präsidenten, der im Herbst 2024 Jahr womöglich erneut von 80 Millionen Amerikanern zum Präsidenten gekürt wird. Die amerikanische Demokratie wird es schon richten.

Stündlich, täglich, wöchentlich, monatlich bedrängen alle Medien in dominanter Position die Gehörgänge und den weichen Kopfinhalt der deutschen Millionen. Ich benötige Trump nicht. Doch diese wolllüstig infantile Beurteilung als Mafiosi, Verbrecher…..,obwohl noch kein amerikanisches Urteil gesprochen wurde, welches diese Personenenbeschreibung rechtfertigen könnte, erfüllt den Tatbestand einer öffentlichen, staatstragenden Diffamierung, ich rede von amerikanischen, mitnichten von deutschen Urteilen. Diese Trump-Psychose, dieses schlichte Herumgekloppe, ohne einen Akzent von Souveränität, ist schier unerträglich.

Drei Filme

1. „Oppenheimer“ von Chr. Nolan, mit C. Murphy, R. Downey, M. Damon,…, 180 Minuten, ein Kommunikationsfilm, weitgehend aktionsbefreit, herausragende Schauspieler, so schön kann Film sein.

2. „Asteroid City“ von Wes Anderson, mit S. Johansson, T.Hanks, A. Brody, T. Swinton, W. Dafoe, E. Norton, B. Cranston…, gewöhnungsbedürftig, doch nach kurzer Eingewöhnung hat man sich daran gewöhnt, meine optischen Erinnerungen an Rosenquist und vor allem an Wesselmann wurden erheblich aktiviert.

3. „Mein fabelhaftes Verbrechen“ von F. Ozon mit I. Huppert, D. Boon, A. Dussollier, Kriminalkomödie, Paris 30er Jahre, unterhaltsam, doch nicht euphorisierend, die Rolle meiner hochgeschätzten I. Huppert beschränkt sich eher auf Klamauk, aber D. Boon ist besser, als ich bisher glaubte.

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August 20, 2023 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und Aretha Franklin

Vinyl mit Musik von Aretha Franklin, DDR – Amiga, erworben Ender der 70er/Anfang der 80er Jahre

Vinyl mit Musik von Aretha Franklin, erworben Dezember 1989 in Westberlin bei 2001/ Steinstraße, ewiger Dank an das Einhundertertdeutschemarkbegrüßungsgeld. Sechs Scheiben habe ich mir dafür gekauft und selbst auf die Anschaffung eines Viertelliters Margonwasser verzichtet.

Aretha Franklin, um 180° gedreht

Im sechzehnten Jahr meines Lebens (1967) traf mich der schwarze Schlag, färbte sich meine musikalische Sonne dunkel.

„Respect“, die Coverversion eines Songs vom göttlichen Otis Redding, wild und nachdrücklich intoniert und inhaltlich umgedeutet von Aretha Franklin, überwand den Atlantik und agierte als Grundlage für die Daueretablierung der Gesänge von der Tochter einer Pianistin und eines Geistlichen in den europäischen Charts, damals sprach man noch von Hitparade.

Gemeinsam mit A. Franklin und O. Redding erweiterten nun Namen wie Marvin Gaye, Ray Charles, James Brown, Same & Dave, Wilson Pickett, Temptation, Ben E. King,….. meine musikalische Aufnahmebereitschaft, führende Bluesstrategen wie B.B. King, Howlin Wolf, Billie Holiday Muddy Waters, John Lee Hooker, Bessie Smith,….eingeschlossen.

Aretha Franklin starb vor 5 Jahren.

Ich denke, ich werde mir heute nicht nur 5 ihrer Songs auf meinem Vinyl – bzw. Compact – Disc – Apparaten anhören.

Vielleicht 5 x 5, wir werden sehen, bzw. hören.

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August 16, 2023 Posted by | Leipzig | 1 Kommentar