Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne als Herr der Äpfel sieht „Der Herr der Ringe“ und denkt an Aerosmith und Christopher Dracula

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Jürgen Henne, der Herr der Äpfel…

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und sein Edelblut Horst Hengst empfangen…

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nach einer Zwischenmahlzeit…

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die wohlgelaunten und ästhetisch vollendeten Orks

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Der blonde Jüngling mit Bogen und gefühlten zweieinhalb Milliarden Pfeilen im Köcher schaut wachsam gen Horizont und…..Werbung, Zwerg Gimli rumpelt sein Massivgesicht hin und her und….Werbung, der weibliche Aerosmith-Nachwuchs Liv Tyler schaut hechelnd in ein herbes Männergesicht und… Werbung. Werbung, bei der einfältige Kinder über irgendwelche Nudellappen in Dosen jubeln und sich scheinbar den ersten, vorpubertären Orgasmus gönnen.

Ich habe aus filmhistorischem Interesse vor einigen Tagen „Der Herr der Ringe“ gesehen. Natürlich mit Werbung und natürlich nur aus filmhistorischem Interesse. Diese Hinwendung wird immer mal gern als Begründung aufgedrängt, wenn man Musik hört, Bücher liest oder Filme sieht, derer man sich vor vermeintlich hochkultivierten Mitmenschen schämt und einer abschätzigen Häme entgehen will.

Fantasyfilme sind eigentlich nicht so mein Genre, welches mich zu geistig-hymnischen Lobpreisungen motiviert. Doch erwarte ich auch in der Mittelerde oder auf irgendwelchen Schneepässen und Schicksalsbergen, in Bruchtal oder Moria ein Mindestmaß an nachvollziehbarer sogenannter Fantasyfilm-Logik.

Nachdem sich Edel-Opa Gandalf und Strähnhaar Saruman gegenseitig die Rübe eingedellt hatten, schwebt Gandalf elegant wie der Albatros auf weichen Luftkissen in die Ebene, beschenkt mit zuverlässig festgezurrten Opa-Flügeln.

Ein paar Viertelstunden später, nach einem Figth mit dem dämonischen Sympathieträger Balrog, einem springenden Feuerwerk aus irgendwelchen Vorzeiten, hängt Gandalf wie ein nasser Rettich am Felsen und rotiert nach den markigen Worten „Flieht, ihr Narren“ in den Abgrund.

Eine locker-geflügelte Luftnummer von Gandalf, auch ohne Frühstückswaffel, hätte genügt und die Flucht wäre gemeinsam gelungen. Dieser Akt wäre selbst mir beim Sportabitur am Reck in prähistorischen Zeiten gelungen, ohne Gandalf-Flügel.

Aber vielleicht ist mir etwas entgangen, weil ich an die Musik von Aerosmith dachte oder an Christopher Lee als Dracula. Vielleicht bin aber auch nur zu blöd. Und alles nur aus filmhistorischem Interesse.

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November 29, 2008 Posted by | Film, Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und das technische Denkmal – Teil II – Erzbergwerk Rammelsberg, b.Goslar, November 2008 und Nikola, Ritter Ramm, Christo, Robert Koch jun., Götz Goethe und ein Pferd

Teil I am 25. Mai 2008 in diesem Blog

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Museum Erzbergwerk Rammelsberg
Pferd mit gewöhnungsbedürftigem „Ausgeh“-Geschirr. In meiner Kindheit, also kurz nach Jan Hus, gab es auch noch Kleidung „für gut.“ Geschniegelte Monturen für Sonn-u. Feiertage.

Ritter Ramm, wahrscheinlich ein Gefolgsmann von Otto I. (912-973) jagte vor über eintausend Jahren im Gebiet des heutigen Rammelsberges, mit Pferd. Das Dickicht wurde dichter und das Pferd störender. Also ging Ritter Ramm zu Fuß. Eine Entscheidung, welche der Unpaarhufer nicht nachvollziehen konnte. Also scharrte er zunächst gelangweilt, dann betont hysterisch mit den Hufen……und legte Erz frei. Natürlich Legende, doch kann man sie entzückend erzählen. Die kausalen Beziehungen im sprachhistorischem Verhältnis von Ritter Ramm und Rammelsberg sollten unschwer bewältigt werden.

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Teil der Übertageanlage zur Erzaufbereitung. Weitgehend sachlich-pragmatische Architektur um 1935/39. Seit über dreitausend Jahren wird in diesem Gebiet nach Erz geschürft, also seit Ende der Bronzezeit. Schriftliche Quellen bezeugen eine Nutzung ab etwa Eintausend n.Chr. Vorwiegend Kupfer, Blei und Zink hackte man aus dem Gestein. Türen und Säule des Bernward in Hildesheim und das Dach des Bamberger Doms wurden u.a. mit Rammelsberger Kupfer veredelt. Zumindest nach dem Wunsch der Goslaer Regionalhistoriker. Finanzielle Nebenquellen ergaben sich aus dem Erlös von Vitriol (s. Wikipedia) und Pigmenten für die Farbherstellung, vorwiegend Ocker.

Mitte des 19.Jahrhunderts schienen die metallischen Quellen zu versiegen. Doch der Sohn des Tbc-Frettchens Robert Koch ignorierte das Mikroskop seines Vaters, dachte optisch in größeren Dimensionen, wirbelte auf geologischen Pfadfinderwegen und entdeckte neue und ergiebige Erzadern. Bis 1988 rumpelte es dann am Rammelsberg unter der Erde. Dann war Schicht. Der letzte Gesteinswagen wurde von Christo verpackt und steht jetzt im Museum (s.unten). Vier Jahre später erhielt Rammelsberg, gemeinsam mit der Altstadt von Goslar den Status „Weltkulturerbe“ der UNESCO. Zu Recht.

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Umkleidehalle der Bergleute

Jürgen Henne mit auffällig dümmlicher Mimik wenige Minuten vor dem Einstieg bei der Bewältigung seiner klaustrophobischen Ängste.

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Umkleidehalle der Bergleute

Ohne Jürgen Henne (mit grünlicher Gesichtsfarbe und einem heftigen Tremolo in den Kniekehlen auf dem Weg unter die Erde ). Die Kleidung der Erzhacker, nach der Arbeit durchnässt von Schweiß und allen Flüssigkeiten, welche die Erdschichten so bereit halten, wurde unter die Raumdecke gehangen und nächtens bei stabilen 30 Grad getrocknet.

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Am Schachteingang. Kein Grund, meine grünliche Gesichtsfarbe durch eine entspannt überlegene Fleischfarbigkeit zu ersetzen

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Nikola beim „Anbiss“. Nach beschwerlichem Abstieg zu den unterirdischen Arbeitsplätzen, ohne Fahrstuhl, nutzten die Bergleute diese spartanische Einbuchtung im Felsen, um in ihr gleichfalls spartanisches Frühstück zu beißen-anbeißen-Anbiss. Bald wurde dann dieser grottig feuchte Raum „Anbiss“ genannt. Vielleicht hoben Sie auch nochmals die Augen, um Gott zu besänftigen, der natürlich hoch über dem Berg trohnte, sicherlich bei einem Anbiss ohne spartanische Tendenzen und sicher nicht ohne Fahrstuhl.

 

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Untertage. Erzabbau moderneren Zuschnitts

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Untertage. Dieser Teil des Stollens wird mit einer Bahn bewältigt, wogegen die härtesten Hardcore-Rundendreher auf Jahrmärkten und anderen Volksfesten wie friedfertig-milde Schwingungen eines Wasserbettes wegdämmern. Eine spezifische Maßnahme, um das Gestein poltern zu lassen, war das Feuersetzen. Holz wurde dabei unter der Erde gestapelt, Feuer angekokelt und die Untertagehütte verwandelte sich in ein Inferno. Durch die Temperaturaufprallungen platzte und löste sich das Material und konnte sortiert werden, bei Celcius-Engleisungen, die erhitzte Darstellungen der Hölle wie einen entspannten Aufenthalt im örtlichen Freibad erscheinen lassen.

Goethe war bei seinem Aufenthalt in Rammelsberg von dieser frühen Feuer-Performance tief beeindruckt, mutierte zum Industriespion und gab seine Kenntnisse weiter. Zumindest warb der aktuelle Chef-Erklärer mit dieser Story und fügte den Hinweis auf die globale Erstmaligkeit des Feuersetzens in Rammelsberg hinzu. Dabei kannte man diese Aktionen schon im Neolithikum (Jungsteinzeit). Das sind die kleinen, werbeträchtigen Ungereimtheiten, die man mit heiterem Herz verzeihen sollte.

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Fuhrpark

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„Kraftzentrale“ für die Energieerzeugung mit neoromanischer Architekturnötigung

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Angebot von farbigen Nuancen, ermöglicht durch Rammelsberger Pigmente.

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Christos Verpackung des letzten Erzwagens im Bergwerk Rammelsberg. Er erhielt 1988 den Goslarer Kaiserring, ein Preis für zeitgenössische Kunst von durchaus beträchtlichem Nimbus. Den Ring mit dem Siegel Heinrich des IV, der in Goslar geboren wurde und genervt nach Canossa schlurfte, um sich bei Gregor VII. einzukratzen, erhielten seit 1975 u.a. H. Moore , Max Bill, Vasarely und 2008 der Fotograf Gursky. Einzelne Arbeiten der Preisträger sind auf Straßen und in Parks von Goslar verteilt. Links hinten Fotoporträt Christos.

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Ehemalige Erzaufbereitungshallen. Die Gebäude werden für Kunstausstellungen genutzt und für die Darbietung einer Mineraliensammlung.

Und darin diese mystische, diffuse Uneindeutigkeit, diese fast beägstigend verborgenen Lichtquellen, welche neben stillgelegten Metallkörpern einen Schein ehemaliger Aktivitäten bezeugen und durch aktuelle Kunst milde Furchen des Verständnisses in die rostige Vergangenheit einprägen.

Mein Gott, was bin ich doch für ein großer Dichter!

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November 22, 2008 Posted by | Kunst, Neben Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und die Hamburg Blues Band mit Chris Farlowe, Clem Clempson, Hans Wallbaum…..im Leipziger „Spizz“

dsc08041 Gestern im Leipziger „Spizz“ Chris Farlowe neben Gert Lange von der Hamburg Blues Band. Im Hintergrund Schlagzeuger Hans Wallbaum

Emotionale , doch sicherlich nicht qualitativ-musikalische Höhepunkte waren natürlich „All Or Nohting“ der Small Faces und „Out of Time“ von Jagger/Richards. Beeindruckend die Textsicherheit bei weiten Teilen des kreichenden, zuckenden und hüpfenden Publikums.

Farlowe versäumt nie, auf seinen Freund Steve  Marriott zu verweisen, dessen Song „All Or Nothing“ er dann unvergleichlich zelebriert. Marriott gründete nach den Small Faces gemeinsam mit Peter Frampton ( von Herd: „From The Underworld“) die grandiose Livetruppe „Humble Pie“ und verbrannte 1991 in seinem Haus. Mit der Version von „Out Of Time“  hatte Chris Farlowe 1966 seinen ersten überregionalen Hit und Clem Clempson, inzwischen festes Mitglied der Hamburg Blues Band, spielte auch schon bei Humble Pie und gemeinsam mit Farlowe bei Colosseum.

Farlowe gab wieder alles, brüllt gegen die Lampen, lispelt Clempsons Gitarre an, röhrt in Bass-Regionen, wogegen Gottlob Frick als Gurnemanz oder Boris Godunow  wie ein übellauniger Farinelli verkümmert wäre, und wirbelt seine Arme unter die Decke. Farlowe ist Jahrgang 1940.

Der Bassist  Michael Becker liefert ein solides Fundament, auf dem sich die anderen Artisten  austoben dürfen. Der Auftritt des Schlagzeugers Hans Wallbaum nähert sich einer schweißtropfenden Performance, bei der er wie ein extrem cholerisches Rumpelstilzchen auf seine Töpfe und Pfannen eindrischt, doch das auf höchstem Niveau.  Neuzugang Adrian Askew  malträtiert die Tasten, dass selbst Farlowe zum Handtuch für die tropfende Stirn greifen muss und bei Clempsons Gitarrenvirtuosität kann Gert Lange, Sänger und Rhythmusgitarrist, manchmal nur ungläubig lächeln oder sich resignierend zusammenfalten. Clempson wird auch schon einmal qualitativ neben Clapton gestellt. Um das beurteilen zu können, fehlt mir allerdings das tiefschürfende, musiktheoretisch fundierte Urteilsvermögen. Doch nach Claptons Auftritt bei dem Leipziger Konzert vor einigen Wochen würde ich den Kampf um dessen Podest einer Mount- Everest-Besteigung auf Ellenbogen und mit Badehose gleichsetzen.

Ergänzug: Am heutigen Samstag in der Leipziger Lokalzeitung nicht ein Komma über das Konzert. Die Hauptseite des Kulturteils wird von einem Gespräch mit Uri Geller terrorisiert. Er will mit Außerirdischen Kontakt aufnehmen.

                                     Reicht mir

                                     schnell

                                     den Übelkübel,

                                     sonst wir mir

                                     ohne Kübel

                                     übel !  

                                                                                                                                                                                                                        

 

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November 14, 2008 Posted by | Leipzig, Musik | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, seine akustischen Erektionen und Mitch Mitchell, Jimi Hendrix, Noel Redding, Chris Farlowe, Clem Clempson und eine Hamburger Bluesband

dsc06802aJürgen Henne in einem seiner Schlafzimmer bei der Vorbereitung einer waagerechten Andacht zum Tode Mitch Mitchells

 

Schon bei „Fire“ vom Hendrix-Album „Are You Experieced“ (1967) glühten mir bei Mitch Mitchells Schlagzeugorgien die Ohren in einer stabilen Dauererektion. Immer etwas unterbewertet und nicht selten hinter Jimi Hendrix im Bühnenschatten als Beiwerk, als Trommeldödel eingeordnet, kann er jetzt gegen die Innenwände seines Sarges hämmern. Wenn man ihn lebendig begraben haben sollte. Denn seit gestern ist er tot.

Schon Poe und H.Chr. Andersen bekamen bei der Vorstellung heftiges Angst-Asthma, diese Torturen erleiden zu müssen. Und auch Ray Milland in Roger Cormans Streifen „Lebendig begraben“ von 1962 sieht dieser Möglichkeit des Ablebens nicht sonderlich entspannt entgegen.

Aber anders als Andersen, der mit einem sanften Vortrag eigener Märchen sicherlich nicht eimal einen kadavergierigen Hund zu seinem Sarg locken würde, könnte Mitchell durch  beinharte Rhytmuswechsel und gnadenlose Improvisationsketten den gesamten Friedhof aus den Särgen und in ein neues Leben treiben.

Hendrix verbleicht seit 1970, „Experience“-Bassist Noel Redding verschied 2003 durch eine Bauchexplosion und Mitch Mitchell hat sich eben seit einigen Stunden auf den Weg in die Totalfäulnis begeben.

Vor vierzig Jahren hätte ich mir sicherlich einen schwarzen Lappen um meinen kräftigen Oberarm gelegt oder ein Stück Kohle ans Ohr gebunden. Aber inzwischen selbst im forcierten Stechschritt auf dem Weg zur Kiste ist mir das heute zu blöd. Aber etwas Andacht sollte sein.

Doch ein häusliches CD-Gedächtniskonzert für Mitchell werde ich verlegen. Denn heute 20 Uhr gastieren im Leipziger „Spizz“ die „Hamburg Blues Band“, flankiert von Chris Farlowe und Clem Clempson. Mitgliedschaften und Gastrollen der einzelnen Akteure u.a. bei Colosseum und Atomic Rooster, bei Humble Pie, Bob Dylan, Roger Daltrey (Who), B.B. King, Spooky Tooth und  Jon Anderson (Yes) bergen doch ein gerüttelt Maß an positiver Erwartung.

Gleichfalls heute 20 Uhr,  Eröffnung der 15. Leipziger Jahresausstellung, bis 7. Dezember, Joseph-   Konsum, Karl-Heine-Straße 46

Seit einigen Tagen in Chemnitz, Museum Gunzenhauser, Ausstellung Gabriele Münter, bis 19.April 2009

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November 13, 2008 Posted by | Leipzig, Musik | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, ORWO und Cream, Wilson Pickett, Electric Prunes, Chambers Brothers, Blind Faith, Jimi Hendrix, Eric Burdon, Led Zeppelin,Van Morrison, Brian Ferry, Frank Zappa, Rory Gallagher, Amon Düül II, Georg Schramm, Urban Priol…..

Jürgen Henne und seine Tonbänder

Wenige Minuten nach der Aufnahme füllte sich die Mülltonne mit diesem ORWO-Berg. In den Kübel fielen das Oeuvre der Beatles, der Rolling Stones, von Eric Burdon mit den Animals und War, der Yardbirds, wechselnd mit Clapton, Jeff Back und Jimmy Page sowie Cream und ihre göttlichen Titel „White Room“, Sunshine Of Your Love “ I Fell Free.“ Gleichfalls Cannad Heat und Al Wilsons wundervolle Fistelstimme bei „On The Road Again“. Das krachende „Summertime Blues“ der Blue Cheer, Original von Eddie Cochran, die ungeschliffenen Rumpelorgien von MC5, die lärmenden Frühwerke Mitch Ryders („Devil With A Blue Dress On…“) und das grandiose „Time His Come Today“ der Chambers Brothers verschwanden als Magnetbänder ebenso zwischen entleerte Joghurtbecher und keimiges Verpackungsmaterial wie zahlreiche Titel der guten alten Small Faces „(All Or Nothing“,“Tin Soldier“,Here Come The Nice“) mit Steve Marriot sowie bemerkenswerte Musik der Traffic, mit Steve Winwood ( ehemals bei Spencer-Davies-Croup „Keep On Running“ und “ Gimme Some Lovin“ röhrend).

Ich übergab die „American Woman“ von Guess Who, die Musik skurriler Akteure wie Trashmen und Napoeleon IV. dem Verfall, gefolgt von Meisterwerken der schwarzen Edelwelle mit Aretha Franklin, dem vergessenen Arthur Conley („Sweet Soul Music“), Same and Dave, dem begnadeten Schreihals Wilson Pickett („Land Of 100 Dances“) und natürlich Otis Redding und James Brown (“ IGot You“, It`s A Mans`s World“), flankiert von Marvin Gaye und den Temptation.

Die Protestsongsparte musste u.a. mit Bob Dylan in den Müll, dessen „Like A Rolling Stone“ mich auch nach über vierzig Jahren vom Stuhl hebelt. Barry McGuires Protestschmalzstulle „Eve Of Destruction“ unterwarf ich meinem Vernichtungsexzess , gleichfalls Donavan („Sunshine Supeman“), sein „Atlantis“ hatte mich immer konsequent angeödet.

Nicht angeödet hatten mich die „Underground“-Giganten von Electric Prunes und „I Had Too Much To Dream“, Vanilla Fudge mit ihrer Version von „You Keep Me Hanging On“, Ten Years Afters Langversion von „Going Home“, Iron Butterflys Schlagzeugverzückung „In A-Gadda-Da-Vida“ und zwei großartige Gruppen um 1970, Humble Pie und vor allem Blind Faith mit Steve Winwood, Clapton , Ginger Baker und nur einem Album. Doch es half ihnen nichts, ab in die Tonne.

Und natürlich Jimi Hendrix. In der Auslage eines „Plattenladens“ in der Leipziger Georg-Schumann-Straße sah ich an einem Sonntag am Beginn der 70er Jahre dessen Amiga-Scheibe. Der horn-alte Plattenhändler war sicher etwas unbedarft, wusste nicht, auf welchem musikalischen Pulverfass für DDR-Verhältnisse er thronte. Neun Uhr am Montag öffnete die Schatzkammer, ich begab mich gewitzt schon acht Uhr in den näheren Bereich und erstarrte. Gefühlte fünfzehn Millionen Mitmenschen warben um das Geschenk sozialistischer Kulturpolitik. Ich reihte mich ein, erfuhr nach fünf Käufern, dass dieses Rillenteil ausverkauft war, wartete trotzdem, vielleicht klemmte doch noch irgendwo eine Scheibe, wenn ich am Ladentisch stand, es klemmte aber nichts und der horn-alte Plattenverkäufer bot mir als Alternative einen Rundling von James Last an. Ich lehnte diese Gunstbezeugung ab und verliess mit violettem Gesicht den Laden. Allerding fehlte auf der Platte „Hey, Joe“ und ohne „Hey, Joe“ geht gar nichts.

Jedenfalls verhallen jetzt „Hey, Joe“, „Burning of the Midnight Lamp“ oder „All Along The Watchtower“ in der Wiederaufbereitungsanlage für Magnetbänder.

Desgleichen der Bombastrock King Crimsons, die Gruga-Hallen-Fernseher-Mitschnitte von Konzerten Little Feats, Van Morrisons und Rory Gallaghers, die wundervolle Musik von Colosseum, auch mit der Bluessirene Chris Farlowe und natürlich die Ewigkeitsgesänge Led Zeppelins. Bei der Langversion von „Whole Lotta Love“ mach ich auch heute noch einen auf Spiderman. Unvergesslich der deutsche Krautrock um Can und Amo Düül II, dessen Bänder sich aber nun den Platz auf der Halde mit „Ummagumma“ und „Atom Heart Mother“ von Pink Floyd und der Massiv-Version des Beatles-Titels „I Am The Walrus“ von Spooky Tooth teilen müssen.

Meine musikalischen Giganten der 70er Jahre, David Bowie, Brian Ferry,Lou Reed, John Cale, Brian Eno,Frank Zappa, dürfen jetzt gemeinsam einen Sehnsuchtschoral auf meine Tonbänder anstimmen, oder Händels Largo. Ihre Aufnahmen auf meinen Spulen sind aber trotzdem schon längst im Müllbottich. Vielleicht bieten die Sex Pistols in der Nachbartonne ihre Gitarrenriffs zur Verfeinerung an.

Ich erwarb ein Tonbandgerät vor korrekt vierzig Jahren, Typ „Unitra 120“, scheinbar eine Lizenz von Grundig. Ich kämpfte mich zehn Jahre durch alle UKW-Bereiche und durch alle Möglichkeiten, „Westschallplatten“ auf meine Bänder zu übertragen. Etwa fünfzehn Tage, rund um die Uhr, hätte ich sie am Ende abspulen können, ohne eine Wiederholung zu riskieren. 1979 beendete ich meine Aufnahmetätigkeit, verpackte das Gerät und über einhundert Musikspulen und schleifte dieses Ensemble dreißig Jahre unbenutzt von alter Wohnstätte zu neuer Wohnstätte.

Mit feuchten Augen habe ich es nun entsorgt, gehe jetzt zu meinem CD-Regal und knalle mir „Never Mind The Bullocks“ der Sex Pistols zwischen die Gehörgänge. Oder Led Zeppelins „Physical Graffiti“ oder „Heroes“ und „Hunky Dory“ von David Bowie. Vielleicht auch die überragenden Blood Sweat &Tears, die es scheinbar nie gegeben hat, beobachtet man das aktuelle Interesse an ihrer Musik. Nicht ganz, denn bei der einzigen kabarettähnlichen Sendung, „Neues aus der Anstalt“, bei der sich nicht Frustpickel im Gemüt des anspruchsvollen Mitbürgers hocheitern, bildet „Spinning Wheel“ den tönenden Rahmen. Vielen Dank, Georg und Urban.

Auf alle Fälle wird es Musik meiner alten Tonbänder sein.

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November 7, 2008 Posted by | Leipzig, Musik, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar