Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne das Jahr der Ostsee 2001 (Teil 1) und kein Mönch am Meer, preußische Sonnenbrandgesäße, sächsische Viertelkenntnisse, keine Schlangen in Abortschüsseln, zwei Zentner im Salt Lake, Völkerschlachtdenkmal als Kleckerburg, Pharaonen-Bude mit DDR-Flagge, Erzbischof von Canterbury, Bataillon für Geisterabwehr, Dolmen zwischen Bäumen und Moisselbritz, Schwarbe…….

Mensch am Meer, halblinks unten, Ostsse 2011. Keinesfalls „Mönch am Meer“. Gebildete Zeitgenossen erkennen sofort meinen erbarmungslos anspruchsvollen Scherz.

Ich bin ja nun eher der Verfechter einer Strategie, den zentralen Jahresurlaub in eine Region mit fremdsprachigem Übergewicht zu verlagern.
Es würde auch bedeuten, sich ein Plätzchen zu suchen, an denen man z.B. bayerischen oder preußischen Sonnenbrandgesäßen an allen Stränden dieser Welt entgehen kann und die Hoffnung sich erfüllt, verdorrte Lehrerinnen meiden zu dürfen, die bei sachkundigen Erläuterungen heimischer Spezialisten in allen Kathedralen dieser Welt mit sächsischem Sprachtumult ihre eigenen Viertelkenntnisse in die Apsis torpedieren.

Dieser unersättlichen Sehnsucht nach fernen Gestaden unterwarfen wir uns in den vergangenen zwanzig Jahren gnadenlos.

Zwischen Ost-u.Westküste der USA, einschließlich eines entspannten Spieles in Las Vegas, zwischen Südafrika und Nordkap, zwischen Kambodscha, Vietnam und Mexiko, Portugal, St.Petersburg, Istanbul und Sizilien zogen wir unsere Kreise.
Verwirrt, schweigsam, berauscht, manchmal mit Furcht, doch immer mit der Bereitschaft zu lernen und zu verstehen.

Ostsee, September 2011

Ostsee, September 2011,
JH erwartet den Angriff einer Monsterwelle

Ostsee, September 2011,
Möwe am Flachstrand. Wie sagte schon Eddi Arent in einer Wallace-Gurke: „Tiere fotografieren, das macht Freude.“

Ostsee, September 2011,
JH mit beängstigend bedeutungsvoller Mimik im Sanddorndschungel, Steilküste

2011 nun an die Ostsee.
Also keine achtzehnstündigen Flüge, keine 36 Grad, morgens 4.30 bei gefühlten 700% Luftfeuchtigkeit (Kambodscha), keine Aufenthalte auf südafrikanischen Zeltplätzen im Schnee und -4 Grad, keine Schlangen in Abortschüsseln (Nevada)und dampfende Erde bei Schnee auf dem Ätna. Entfernt von Leguanen an mexikanischen Pyramiden und der wohligen Waagerechten von zwei Zentnern am Great Salt Lake.
Ich werde es am Ende des Jahres vermissen. Oder auch nicht. Oder nur manchmal ein wenig nicht. Oder auch etwas mehr als nur ein bisschen mitunter weniger.
Doch eine Gegend wie Rügen mit Ortsnamen wie Moisselbritz, Dobberworth, Schwarbe, Drewoldke, Klementelwitz…..muss einen Urlaub wert sein.

2011 also „nur“ an die Ostsee. Könnte man von Leipzig aus zu Fuß bewältigen. Oder mit der Straßenbahn. Zumindest etwas näher als Hanoi, auch etwas kühler. Und keine Schlangen im Abortbecken. Vielleicht nur Möwenkacke. Und auch salzärmer als Salt Lake. Ich müsste also schwimmen und nicht nur blöd herumliegen.
Also an die Ostsee.
Rügen, zum Beispiel, mit Baabe, Sellin, Göhren, die Hauptangriffspunkte unseres familiären Urlaubs der 50er Jahre.
Dem dümmlichen Starrsinn der Politikdeppen gelang es bis 1989 nicht, ihre beleidigend schlicht strukturierten Intelligenzstränge zu aktivieren, um die schulischen Sommerferien Ostdeutschlands zu staffeln. Sie beharrten auf 1.August bis 30 September und die nordischen Strände mutierten zur Ostseehölle.
Auf Grund der überragenden Intelligenz und entsprechender Schulleistungen der Gebrüder Henne wurde uns bald eine Freistellung für Mai/Juni genehmigt und wir suhlten uns an weitgehend menschenbefreiten Stränden.
Ein klarer Klassenstandpunkt des Vaters und unsere Lernbereitschaft verhalfen uns in vorpubertären Zeiten zu erfreulichen Privilegien.
Und während ich damals auf eine angemessene Kleckerburg-Widergabe des Leipziger Völkerschlachtdenkmals und der Cheopspyramide achtete (ich glaube, ich schmückte die Spitze der Pharaonen-Bude dann mit einer kleinen DDR-Fahne aus Papier) widmeten wir uns 2011, neben Bade-Exzessen, der regionalen Kunst Rügens.

Deshalb noch einige Aufnahmen, ohne fundierte Beschreibung, streng auf drei Eindrücke pro Objekt limitiert, also nur eine Art Bilderbuch.

Evangelische Pfarrkirche St.Marien, Waase auf Ummanz

Erster Bau einer Kirche um 1330. Nur spärliche Reste erhalten. Chor des aktuellen Baus gegen Mitte des 15. Jahrhunderts.
Wandmalereien am Chorbogen um 1470.

Westansicht, zwei Spitzbogenblenden und gestaffelte Blendarkatur, Dachreiter aus dem 18. Jahrh.

Antwerpener Altar, erstes Viertel des 16.Jahrh.
Szenen aus der Passion Christi und dem Leben des hlg. Thomas Becket, bis zu seiner Ermordung Erzbischof von Canterbury (1170).
Die Kathedrale von Canterbury wäre sehr empfehlenswert für einen sonntäglichen Nachmittagsausflug. Da könnte man dann gleich noch den Bau in Salisbury nachlegen. Die Perlen Südenglands.

Kruzifix an der Nordwand des Chores, um 1500.

St.Johannes, Schaprode auf Rügen

Anfänglich spätromanisches Langhaus, dreischiffig. Mitte 15. Jahrhundert Abruch, danach gotischer Ersatzbau. Chor und Apsis der Romanik noch erhalten, weitgehend.

Chor mit Apsis

Triumphkreuzgruppe, Ausgang des 15.Jahrh.
Im 18. Jahrh. farblich barockisiert, sehr lustig.

Kanzel, Beginn des 18. Jahrh., Petrus

Evangelische Pfarrkirche, Altenkirchen auf Rügen

Um 1185 Baubeginn
Romanisch, einschiffig, 1215 geweiht.
Apsis schon Ausgang des 12. Jahrh. vollendet

Chor, Apsis mit Rundbogenfries und Konsolsteinen in Kopfform, als Bataillon für die Geisterabwehr rekrutiert.

Kopf am Rundbogenfries, etwas verschwommem.

Taufbrunnen, Beginn des 13. Jahrh., ältestes, noch erhaltenes Stück Rügens. Da bin ich aber immer etwas skeptisch. Die Ortschaften der Insel streiten sich auch über die älteste Kirche. Das kommt auf die historische Sicht an, Fertigstellung, Weihe u.s.w.

Seitenschiff, Kreuzrippengewölbe

Münster, Bad Doberan, unweit von Rügen

1171 Gründung des Zisterzienserklosters, Mitte 13.Jahrh. romanische Basilika, fünfzig Jahre später Baubeginn des gotischen Münsters, Weihe in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh.

Münster Bad Doberan

Doppelseitiger Kreuzaltar, Christusseite, um 1370, süddeutsche oder böhmische Werkstatt, vermutlich unter Mitarbeit Bertrams von Minden,
der Meister des Grabower Altars in der Hamburger Kunsthalle, unbedingt sehenswert. Die umfassende Ikonographie dürfte für diese Zeit einmalig sein.
Umseitig Marienkreuz.

Grabtumba, Herzog Albrecht III und Richardis v.Schwerin, Spätgotik.

Dolmen auf Rügen

Rügen. In diesen Baumgruppen wurden die Dolmen angelegt, wahrscheinlich 3. Jht.vor Z., also spätes Neolithikum

Dolmen, ich denke Singular und Plural sind identisch.

Dolmen

September 26, 2011 Posted by | Kunst, Leipzig, Neben Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und die unregelmäßige Reihe: „Filme, die keine Sau kennt, außer Jürgen.“ Heute: „Kitchen Stories“ von Bent Hamer und Schwäne und Schneehühner, ein Hauswirtschaftsforschungsinstitut, Bespeckung von Mausefallen, Wege zwischen Herd und Klo, Schuld und Sühne, Dostojewski und Thomas Mann und Marmeladow im Ethanol-Koma

Kitchen Stories (2003), Beobachter ohne Opfer

„Meine Frau ähnelte bei der Hochzeit einem Schwan.

Mir gefallen keine Schwäne, mir gefallen eher Bären und Wölfe.

Hast Du schon einmal einen Bären gegessen.

Ich bin eher für Rindfleisch.

Bären schmecken so wie Elch und Schneehuhn.“
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Sicher keine vollständig exakte Wiedergabe, doch ziemlich ähnlich. Mir gefällt besonders die Geschmacksrichtung zwischen Elch und Schneehuhn. Könnte man auch gleich einen Zusammenhang zwischen Frosch und Kondor herstellen.

Ein Dialog der beiden Hauptakteure Folke und Isak, im Film „Kitchen Stories“ von Bent Hamer. So herrlich schlicht, mit einer ergreifend archaisch-skurrilen Poesie.

Am Beginn der siebziger Jahre besuchte ich im Leipziger Elite-Kino „Casino“ die Verfilmung von Dostojewskis „Schuld und Sühne.“ Als abnorm getriebener Ekstatiker gegenüber russischer Literatur des 19. Jahrhunderts. Erschüttert und glückselig rang ich mich durch die über zweihundert Minuten.
Das Plakat am Kino warb mit Thomas Mann und dessen Urteil über „Schuld und Sühne: „Der größte Kriminalroman aller Zeiten.“
Zwangsläufig verließen dann zahlreiche Zeitgenossen die dunkle Hütte mit der fleckigen Leinwand, misslaunig und unausgeschlafen und rülpsten Ihren Unmut gegen die Außenwand des Kinos. Mit einer revolutionären Gegenposition: „Und sowas nennt sich nun größter Kriminalroman aller Zeiten.“
Ich habe diesen Film nun seit vierzig Jahren nicht mehr gesehen. Doch heute brachte der Postbote aus der Nähe von Lonjumeau meine Bestellung von „Schuld und Sühne“, in eben dieser Version einer alten, russischen Verfilmung mit pathetischen Sonderaktionen.

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Kitchen Stories, Beobachter und Opfer

Auch bei „Kitchen Stories“ verließen einige Zweibeiner brabbelnd und maulend das Kino.
Vielleicht erwarteten sie ein Preiskochen zwischen Dirk Bach und Beckenbauer, oder ähnliches. Oder einen Kampf um die Herstellung der schmackhaftesten Iltishaxe, unter Ausschluß von Handtätigkeiten, nur mit Füßen und Genitalbereich.

Ich bin ja ohnehin am skandinavischem Film recht haltbar angekettet und erfreue mich immer wieder an dessen europäischer Sonderstellung.

Das schwedische Hauswirtschaftsforschungsinstitut untersuchte in der Mitte der 40er Jahre das Verhalten von Singles in ihren Küchen. Angestrebt wurde die Veränderung der Bewegungsstrukturen, die Herstellung sinnvoller, zeitsparender, kraftunaufwendiger Abläufe bei der Bewältigung des alltäglichen Krams.
Einige Jahre später überrollte diese solidarische Zumutung auch den norwegischen Norden.
Der Film „Kitchen Stories“ zeigt nun ein mehrmonatiges Beisammensein zwischen einem norwegischen Single und einem schwedischen Beobachter, der ohne wesentliche Unterbrechungen Blatt für Blatt mit obskuren Liniennetzen füllt. Hin und wieder greift er in seine Brotbüchse und zerrt lustlos an einem Wurstbrot.
Die Schuhe abgestreift, quält er sich eingepferscht auf einem Hochsitz, den Kopf knapp unter der Zimmerdecke und glotzt aufdringlich in den Raum.

Das norwegische Opfer bleibt weitgehend gelassen, beobachtet fast ungläubig das alberne Treiben und gönnt sich vereinzelt eine kleine Bosheit.
Schwedisch-norwegische Zwistigkeite werden aufbereitet: „Das versteht ihr nicht, ihr Schweden, ihr wart im Krieg auch nur stille Beobachter“.
Die läppichsten Tätigkeiten erhalten einen gefestigten Stellenwert und werden liebevoll detailliert von Hamer geschildert, z.B. die Bespeckung von Mausefallen, die Herstellung von Getränken und Rauchzeug.
Das arme norwegische Schwein und der bedeutungsvolle Schwede mit „wissenschaftlichem“ Auftrag.
Doch bald löst sich diese Lineatur auf, die Rollen wechseln.
Wie immer im skandinavischem Film nervt auch „Kitchen Stories“ nicht durch eine überbordende Kommunikationsbereitschaft.
Diese posivistischen Grundtendenzen lösen auch bald die Grenzen der reinen Geschäftstätigkeit auf und die beiden Solisten beginnen Erfahrungen im Duett zu erwägen.
Der Beobachter verlässt den Hochsitz und sie geben sich gnadenlos die Kante. Und sie unterhalten sich.
Aber nicht über den günstigsten Weg zwischen Herd, Topflappen, Ausguss, Tasse un Klo.
Und dann das Ende. Traurig, überraschend, alltäglich.
Hamer treibt die Emotionen nicht bis zur Lächerlichkeit.
Mit stillem Schritt, ohne Getrampel, welches im heutigen Film nicht selten auch einmal die Nüsse des Kinogängers trifft, biegt er die Geschichte nur wenig. Sie bleibt geradlinig. Auf Manöver,dem Ereignis durch entbehrliches Dekor Bedeutung aufzunötigen, verzichtet Hamer souverän.

Er skizziert das alltägliche Malheur, die Banalitäten, die Tristess, aber auch die glücklichen Fügungen, ohne auch nur im Ansatz sich einer banalen Filmsprache zu ergeben.

Und jetzt werde ich einige Minuten „Schuld und Sühne“ sehen und habe mich zuvor um etwas Zweckpessimismus bemüht.
Denn nicht selten ist man bei einer lesenden, sehenden oder hörenden Wiederholung nach Jahrzehnten recht enttäuscht.
Auf alle Fälle erinnere ich mich an einen Vortrag des besoffenen Marmeladows, der mir das Herz brach.

juergenhennekunstkritik.wordpress.com

juergen-henne-leipzig@web.de

September 8, 2011 Posted by | Film, Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, Bernd-Lutz Lange, das Leben ist ein Purzelbaum, die Heiterkeit des Seins, die Rache des Barbiers, die Rückkehr der Schwimmer, unappetitliche Anbiederung, Philosophie-Folklore, Eichhörnchen-Massage, Gebrauchsanweisungen als Folterinstrument, erste Masturbationsversuche mit überragender Geisteskraft, Scheißpurzelbäume und Quetzalcoatl

„Das Leben ist ein Purzelbaum – Von der Heiterkeit des Seins“.
Titel des neuen Buches von Bernd-Lutz Lange.

JH grübelt mit wichtiger Gestik über „Das Leben ist ein Purzelbaum – Von der Heiterkeit des Seins“
Unweit von NewYork

Sicherlich sollte man Literatur für den eigenen Verbrauch nicht immer nach den Buchtiteln auswählen.
Das wäre einfältig.
Doch wenn ich Einladungen wie „Die Rache des Barbiers“, „Der Schatten der Elfenbeinkrone“ oder „Im Labyrinth des Nebelkönigs“ auf Einbänden lese, tönen zumindest verhalten die Glocken des Argwohns.
Diese Grundmuster zeitgenössischer Romantitel sind mir gerade in den Sinn gekommen und ich weiß nicht, ob sie so tatsächlich in wörtlicher Form angeboten werden, aber sicherlich in unendlichen Varianten.

JH grübelt weiter, unweit von Myra

Dagegen großartige, fast lakonische Titel von Veröffentlichungen Leipziger Schriftsteller der vergangenen Jahre ( Thomas Kunst und Thomas Böhme), gefüllt mit einem tiefen, wertvollen Gespür für sprachliche Irritationen, welche die Lust am Lesen anspornen.

„Der Schaum und die Zeichnung vom Pferd“

„Sonntage ohne Unterschrift“

„Besorg noch für das Segel die Chaussee“

„Rückkehr der Schwimmer“

Die Bereitschaft, sich der deutschen Sprache zu ergeben und sie hochwertig zu verarbeiten, wird hier emsig angetrieben
Und auch ich kann meine Erregung und meine Gier nicht verhehlen, mich durch diese Bände zu blättern.

Ein Titel muss sich natürlich nicht gleich mit weltliterarischer Qualität aufdrängen. Doch etwas Mühe sollte man sich schon geben.
Aber eine derartige Übelkeit wie bei „Das Leben ist ein Purzelbaum – Über die Heiterkeit des Seins“ von Bernd-Lutz Lange habe ich bei der Kenntnisnahme eines Buches selten empfunden.
„Das Leben ist ein Purzelbaum“ – ich muss es ständig wiederholen. Meine masochistischen Neben-Gene zelebrieren gerade ihre Existenz.
Das sind ja nun abgrundtiefe Ebenen von unappetitlicher Anbiederung. Und diese dümmliche Volkstümlichkeit, diese Philosophie-Folklore bei „Die Heiterkeit des Seins“ kulminieren regelrecht zur Körperverletzung, denn alle Menschen dieser Welt haben ähnlichen Tinnef schon siebenundvierzigmillionenmal gelesen, gehört, gesehen.
Aber Lange ficht das nicht an.
Doch ehe ich „Das Leben ist ein Purzelbaum – von der Heiterkeit des Seins“…..iggittegitt, fröstel, spei….zur Hand nehme, flaniere ich eher in die Fachabteilung der Zeitschriften für Eichhörnchenmassage oder kommuniziere mit einer Fachkraft über die neue Ausgabe mit Berichten von der Haltbarkeit linksgestreckter Hosenbügel während des sübolivianischen Spätwinters.


Die Grübelei hört nimmer auf. JH irgendwo in Finnland

Mich interessiert die Art des Humors, wie ihn Lange betreibt und auf der Bühne abquasselt, ohnehin beachtenswert mäßig.
Diese penetrante „Sächselei“,diese erbarmunglose Schlichtheit „volksnaher“ Mätzchen sind mir zuwider.

Außerdem musste ich vor einiger Zeit Bernd-Lutz Langes geschriebenes Folterinstrument „Gebrauchsanweisungen für Leipzig“ quer lesen. Ich las es sehr quer. Meine Augen drohten mir bei einer nochmaligen Verfehlung dieser Art mit Grünem Star.
Ich hielt es bis dahin nicht für möglich, mit welch einer zuverlässigen Kontinuität man Seite für Seite mit ungenießbaren Floskeln, Banalitäten und Klischees zu füllen vermag.
Lange, Bernd-Lutz vermag es.

Jetzt werden wieder markige Gegenpositionen von sparsamer Kompetenz entwickelt, mit dem Grundtenor, dass keine Vergleiche möglich sind. Hier „ernste“ Titel, dort „unernste“ Titel, „das ist doch was ganz anderes.“
Sicher, sicher. Es gibt „ernste“ und „unernste“ Inhalte und deren lyrische, epische, dramatische Bearbeitungen.
Doch sind absolute Sprachästhetik, Ernsthaftigkeit und Vermögen, Texten einen Sockel zu geben, unbedingt vergleichbar.Warum muss man „unernste“ Bücher unbedingt mit bekloppten Titeln dekorieren.
Ein derartiges Blech wie „Von der Heiterkeit des Seins“ habe ich mir vierzehnjährig während meiner ersten Masturbationsversuche abgesudelt und fand dadurch gleichermaßen meine Mannes-u.Geisteskraft unwiderstehlich.

„Die Rückkehr der Schwimmer“, vier Worte und man fühlt sich unwohl, diese Worte klammern sich an alle Körperdrähte und der furchtsame, aber auch lustvolle Prozess von Vorstellungen, Phatasie und rationalen Vergleichen beginnt.

Rückkehr der Radfahrer, der Angler, der Krieger, der Urlauber, der Feldarbeiter, der Olympia-Teilnehmer, der Jäger, der Preiselbeerenpflücker…..alles in Ordnung, aber der Schwimmer…..
Grandioser Einfall.

Und dann kommt Bernd-Lutz Lange mit „Das Leben ist ein Purzelbaum – Von der Heiterkeit des Seins.“

Scheißpurzelbaum, Scheißheiterkeit des Seins, da grüble ich doch lieber über Quetzalcoatl, Chac Mool, Kukulkan, über Tolteken und Maya.

Chichen Itza, Yukatan, JH mittig

September 5, 2011 Posted by | Leipzig, Literatur, Verstreutes | 1 Kommentar