Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne im Angesicht des Grauens und eine Regieanweisung an John Carpenter

Fernsehprogramm am heiligen Abend im MDR:

„Fröhliche Weihnachten“ mit Frank Schöbel, Wolfgang Lippert, Tony Marshall, Veronica Fischer.

Da klopft nicht der Weihnachtsmann an die Tür, sondern das Grauen poltert aus der Röhre.

Besetzungsvorschlag für John Carpenter. Beim kommenden „Fog“-ähnlichem Film könnte der Horror der türklopfenden Enterhaken-Jungs mit dem Einsatz dieses Quartetts von Interims-Rotmützen doch beträchtlich erweitert werden.

juergen-henne-leipzig@web.de

juergenhennekunstkritik.wordpress.com

Dezember 24, 2008 Posted by | Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, Armin Mueller-Stahl, Max Bill und Puccini. Jürgen Henne preist Halle, Chemnitz und Apolda, schaudert sich vor dem Leipziger Bildermuseum, schaut entrüstet auf die Kulturseiten der „Leipziger Volkszeitung“, 18 und 22. Dezember und wartet auf eine Reckübung von Hans-Werner Schmidt

dsc08153

————————————————————–

dsc08152

————————————————————-

dsc08151

Halle/Saale – Moritzburg

————————————————————–

Armin Mueller-Stahl übemalt das Drehbuch der Literaturverfilmung von Thomas Manns „Die Buddenbrooks“. Na, Klasse. Kunsthistorisch von bemerkenswerter Originalität. Gab es noch nie. Leipzigs größte Tageszeitung belohnt diese Aktion mit der Seite Eins ihres Kulturteils. Na, Klasse.  Mimi, Cavaradossi  und das Mädchen aus dem goldenen Westen dürfen deshalb erst auf der folgenden Seite herumkrähen ( Zum  heutigen 15o. Geburtstag Puccinis). Schon diese Reihenfolge ist eine Anmaßung.

Und der heutige 100. Geburtstag von Max Bill wird mit einer deftigen Ignoranz bedacht. Nicht ein winziges  Semikolon verweist auf  diesen hochrangigen Vertreter der Konkreten Kunst,  dessen Bedeutung ich hier nicht beschreiben werde, es würden die Zeitungsathleten am Leipziger Peterssteinweg ohnehin nicht verstehen. 

Ich kann das schauspielerische Format Mueller-Stahls nicht einschätzen. Ich sah ihn bisher ausschließlich in Frank Beyers DEFA-Film „Fünf Patronenhülsen“ von 1960. Er spielte den französischen Beitrag der internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg. Und wenn die dezimierte Truppe unter der peitschenden Stimme von Ernst Busch den Ebro durchschwimmt, kann ich auch heute noch die Bildung einer  Ganzkörper-Gänsehaut nicht vollständig unterdrücken. 

Ich werde mir aber die „Buddenbrooks“ sicherlich nicht ansehen. Derartige Literaturverfilmungs- Orgien öden mich erfahrungsgemäß doch recht heftig an. Vielleicht ist dabei Viscontis „Tod in Venedig“ eine Ausnahme, mit einem grandiosen Dirk Bogarde und Mahlers Musik besetzt ja ohnehin stabil vordere Plätze in meiner Hitparade.

Ich kann Mueller-Stahls Schauspielerei nicht beurteilen, aber sein Vermögen in der bildenden Kunst durchaus. Und dieses liegt doch recht beträchtlich unter dem Durchschnitt. Deshalb empfinde ich die Wertigkeitssetzung bei dieser Zeitung doch recht obskur. Und wenn dann der Schreiber des Artikels über Mueller-Stahl die eigene Inkompetenz regelrecht zelebriert und sich für eine grauenvoll triefend-anbiedernde Unterwürfigkeit entscheidet, wird mein Gen der Fremdscham hochgradig aktiviert.  Ich werde mich  heute jedenfalls gewissenhaft an der Kunst Max Bills erfreuen, vielleicht einige Seiten der Buddenbrooks lesen, vielleicht fällt auch noch eine Patronenhülse ab, mit Mueller-Stahl und Ernst Busch

Alle Besucher Mitteldeutschlands sollten zwischen Weihnachten und Neujahr die Hallenser Moritzburg besuchen. Vor wenigen Tagen neu eröffnet, mit der Neugestaltung einer musealen Anlage von architektonisch repektabler Qualität, wobei die Hängung der Bilder nicht immer den idealsten Abläufen menschlicher Bewegung entspricht. Eine großartige Sammlung, vor allem des 20.Jahrhunderts. Silbergelantineabzüge von Bellmers Zombiepuppen,  von El Lissitsky und Rodtschenko, ein Bild Kirkebys (sicherlich nicht sein edelstes), dazu Macke, Marc, Mueller, Nolde und Feiniger, eine Extraniche für Glöckner und ein solider Hartwig Ebersbach in der Nähe von Arbeiten  Hornigs und Bartnigs heben den Rundgang auf ein beachtliches Niveau. Und natürlich die Sammlung Gerlinger. Wo hat man je solche Bilder Schmidt-Rottluffs und Heckels gesehen?

Halle hat die Moritzburg mit der Sammlung Geringer. Jena, nicht gerade als Hort künstlerischer Weltrevolutionen gerühmt, zeigt im Stadtmuseum französische Malerei aus Genf und bot auch eine hochwertige Übersicht mit Bildern Mackes und Cuno Amiets an. Die Chemnitzer Kunstsammlungen mit Ingrid Mössinger und der Sammlung Gunzenhauser sind ohnehin  Legende und die Kleinstadt Apolda zeigte schon den Berliner Harald Metzkes, der bedeutender ist als die gesamte „Neue Leipziger Schule“ zusammen, außerdem Otto Mueller und Kunst aus Worpswede. Geplant für das kommende Jahr sind Arbeiten des wenig bekannten, doch bemerkenswerten Adolf Hölzel, von Bauhauslehrer Moholy Nagy und Feininger.

Und was hat das Bildermuseum in Leipzig? Es zeigte als Höhepunkt in diesem Jahr die affige Gunter-Sachs-Ausstellung, langweilige Oeserzeichnungen und  Corinth mit zahlreiche Bildern der zweiten Garnitur. Außer mir hat das scheinbar niemand gemerkt, denn man haute sich wie immer gegenseitig lobtriefend die Taschen voll.

Zur Zeit darf man sich bei der Kunst Henriette Grahnerts schaudern und die Ausstellung zum Museumsjubiläum ist auch nicht gerade ein Transpirationskatalysator. Bald werden wir Arbeiten des Leipzigers Werner Tübke verkraften müssen, richtig originell für Leipzig, noch nie gesehen. Dann auch Bilder der Leipziger Schule aus der Sammlung von Eduard Beaucamp, also Tübke , Mattheuer, Stelzmann, Hachulla, Zander….., gleichfalls sehr originell für ein Leipziger Museum. Danach irgendwie Leipziger Kunst 1949-2009, die Originalität wird fast unerträglich, gefolgt vom Leipziger Neo Rauch, ich falle in ein Originalitätskoma. Meinen nächsten Besuch werde ich dann auf 2011 verlegen, dann könnte Max Beckmann die Räume veredeln, allerdings auch ein Leipziger. Bis dahin gönne ich mir Besuche in Halle, Chemnitz, Jena, Apolda…

Und da wäre dann noch Museumsdirektor Hans-Werner Schmidt und das Bild auf der ersten Seite des Kulturteils der Leipziger Volkszeitung vom 18. Dezember.  Über einem Interview von fast beleidigender Kritiklosigkeit. Schmidt steht in einem großen Raum, …über ihm, unter ihm, neben ihm….ein großes Nichts. Ich habe selten ein derartig beklopptes Bild zu einem Beitrag gesehen, in welchem sich zu einem Museum geäußert wird. Schmidt wirkt wie ein Sportlehrer mit Krawatte in einer ausgeräumten Turnhalle.

juergenhennekunstkritik.wordpress.com

juergen-henne-leipzig@web.de

Dezember 22, 2008 Posted by | Kunst, Leipzig, Neben Leipzig, Presse, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, „Der Tag, an dem die Erde stillstand“, „Der Tag, an dem Leipzig stillstand“, Keanu Reeves, der Rasende Roland an der Ostseeküste, Neuendettelsau, die Hirschkäfer im Naturpark Stechlin-Ruppiner Land und die Pein bei der Wahrnehmung von dümmlicher Werbung

dsc08158

Leipzig, Ecke Pfaffendorferstr./Kickerlingsberg, 15.12. 2008, 23.30 Uhr

Ich ordne mich in die überschaubare Fraktion von Filmschwärmern ein, die im Kino vor dem Hauptfilm auch die Werbung zur Kenntnis nehmen wollen, deshalb nie zu spät in den dunklen Raum hetzen und weder mit einem Container Fressmaterial noch einer Gallone mit Getränken von erhöhter Umdrehungszahl ihre Hauptmahlzeit vorbereiten, sondern nur die Hoffnung pflegen, in den ersten Minuten dieser Veranstaltung eine Kostbarkeit dieses Genres erleben zu dürfen.

Ich durchschreite auch mit bewusst aufgerissenen Erwartungsaugen städtische und dörfliche Architekturen in allen Teilen dieser Welt, auf denen ich intelligente, prägnante, wundervoll verfremdete Werbung herbeisehne, die mich mit unheimlichen, ironischen, überraschenden Pointen beleben.

Werbung kann bei mir also durchaus zu einer intellektuellen und ästhetisch provozierenden Anspannung  führen.

Doch die Plakate für den Film „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ irritieren mich zunehmend. Nicht wegen Keanu Reeves,  der mich allerdings eher zaghaft zu einem Kinobesuch motiviert. Ich kenne Ihn aus „Speed“, ein durchaus ordentlich abgedrehter Verkehrs-Crash-Knaller und aus Coppolas Dracula-Ödnis. Auch die inhaltliche Grundstruktur von „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ dürfte mich eher in wohliger Langeweile wiegen. Und die formale Unergiebigkeit dieser Werbung verunsichert mich gleichfalls nicht, das ist Gewöhnungssache.

Die parallelen Plakatanordnungen mit „Der Tag, an dem Leipzig stillstand“ steigern meine Unzufriedenheit. Steht Leipzig still, weil die Bewohner von dem Film „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ so gebannt sind. Doch vermute ich eher, dass Leipzig still stand, weil es eben der Tag war, als die Erde stillstand und eben auch Leipzig und eben in dem Film „Der Tag, an dem die Erde stillstand“.

Und ist das Verlangen unangemessen, dem Leipziger Einwohner für dieses Unglück  seiner geliebten Heimatstadt wenigstens eine Abbildung Leipzigs zu gönnen, auf dem Plakat für „Der Tag, an dem Leipzig stillstand“. Doch muss er eine unveränderte Abbildung des Plakats für „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ erdulden.

Vielleicht ein Porträt von Jürgen Henne in seiner Heimat Leipzig-Gohlis, als er auf der Straße stillstand. Oder als Porno-Version, als Jürgen Hennes Gemächt still vor sich hin stand.

Und was ist im mecklenburgischen Siedenbrunzow? Da kann man ein Plakat mit „Der Tag, an dem Siedenbrunzow stillstand“ durchaus erwarten. Auch „Der Tag, an dem Neuendettelsau stillstand“ sollte in Neuendettelsau gefordert werden.  Und eine Werbung auf  dem legendären „Rasender Roland Rügensche Bäderbahn“ wäre mit „Der Tag, an dem der „Rasender Roland Rügensche Bäderbahn stillstand“ ein optischer Höhepunkt, wodurch vielleicht selbst die Ostseedelphine eine Fahrkarte lösen würden. Nur das an einem Baum angenagelte „Der Tag, an dem der Naturpark Stechlin-Ruppiner Land stillstand“ könnte im Naturpark Stechlin-Ruppiner Land verheerende Folgen haben und dem Hirschkäfer das Geweih kosten.

Ich denke, ich verzichte doch zukünftig im Kino auf die Werbung vor dem Hauptfilm.

juergenhennekunstkritik.wordpress.com

juergen-henne-leipzig@web.de

Dezember 16, 2008 Posted by | Film, Kunst, Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar