Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne und Bon Jovi und die deutsche Sprache

Leipziger Volkszeitung – Konzertbesprechung am 26.Mai:

„Bon Jovi nur knapp zwei Stunden gestern abend im Leipziger Zentralstadion –mit richtigen Losgehern und Lahm-Songs…..“

Losgeher und Lahm-Songs – man will ja nicht nur nörgeln und eine kräftige Volkstümlichkeit der Sprache kann die Kommunikation durchaus beleben. Aber selbst der Leser, dessen Sensibilität für das geschriebene Wort auf der Höhe des Schnürsenkels verkümmert, wird nach dem Blick auf diese Peinigung weinend auf das Feld laufen, um den Hamstern Rilke zu zitieren. Gegenüber dieses schon absurden Mangels an sprachlicher Befähigung haben sich meine undressierten und mäßig begabten Wellensittiche aus Kindertagen wie kleine Rimbauds durch die Hallen gezetert.

Losgeher und Lahm-Songs – man kann es kaum glauben. Gibt es nicht einen Fußballer Lahm?

Losgeher und Mertesacker-Songs

Loslaufer und Metzelder-Songs

Ich nähere mich dem Niveau des lahmen Losgehers. Gute Nacht!

juergen-henne-leipzig@web.de

Mai 26, 2008 Posted by | Leipzig, Musik, Presse, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und das technische Denkmal – Teil I

Hundisburg – Arbeitsprozesse – Alte Zeichnung an einer alten Wand in der Alten Ziegelei

 

 Hundisburg – Ziegelei – Ofen

  

 Hundisburg, nicht die Ziegelei,aber der französische Garten des Barockschlosses 

Jürgen Henne (rechts unten) und das Schaufelrad bei Gerbisdorf

 

Die belgischen Schiffshebewerke des Canals du Centre, die  Mühlen im niederländischen Kinderdijk, das Palmenhaus in Lednice (Süd-Mähren) oder die österreichische Semmeringbahn – hebende, rotierende, warme und fahrende Einrichtungen zur Erleichterung der menschlichen Lebensplanung und von der UNESCO zum Welterbe gekürt, in der Kategorie „Technisches Denkmal“.

 Aber auch innerhalb der deutschen Grenzen kann man z.B. durch stillgelegte Industrieanlagen flanieren, angetrieben von diesem seltsamen Reiz eines Blickes aus hochtechnisierten Labyrinthen auf archaische Abläufe, die weitgehend manuell bewältigt wurden. Dieser Schauder, der dunkle Genuss an Träumen, in denen man unversehrt durch die klaustrophobische Enge und den Schmutz der frühen Erz-und Kohlegewinnung waten darf. Der sanfte Exhibitionismus bei dem Besuch alter Eisenhütten, Brikettfabriken oder Ziegeleien, der gellende Lärm, die lähmende Dunkelheit. Aber auch ein Mythos könnte sich aufbauen, eine Sehnsucht sich entfalten nach Überschaubarkeit, nach den „ehrlichen“ Ergebnissen von „der Hände Arbeit“, als der Mann noch mit schweißiger Brust im Kohlenflöz kämpfte oder das Eisen dem Gestein entriss. Allerdings nicht selten durch einen brüllenden Auswurf blutiger Lungenpartikel unterbrochen.

Die Verklärung für derartige Industriearchitekturen mündet dann in sprachlichen Beleidigungen wie „Kathedralen der Arbeit“. Ein kitschig-monströser Neologismus,  der dann allerdings meinen Brechreiz aktiviert (ähnlich der Kasperlesprache um „Boxenluder“, „Eisprinzessin“, „Zickenalarm“, nur weitaus beängstigender und ideologisch unterlegt).

Als Zeitgenosse, dessen technisches Verständnis auf dem Status des Pantoffeltierchens vor sich hinkümmert, lasse ich mich dennoch von der Faszination industrieller Edelkreationen tragen. Neben historischem Interesse genieße ich die Ästhetik der Arbeit als Gesamtorganismus, aber auch die Zusammenhänge und Abhängigkeiten technischer Details. So erfräsen, erdrehen oder erbohren sich z.B. Maschinen der Metallverarbeitung für mich ein hohes Potential an Schönheit. Das Zusammenspiel von Spindeln, Wellen, Riemen, Zahnrädern, Kugellagern, die Schwingungen, Rotationen, Bewegungen und Gegenbewegungen erzeugen Momente optischer und akustischer Wonnen. Jean Tinguely hat sicherlich ähnlich geschwelgt. Für Maschinen der Textilherstellung empfinde ich eine ähnliche Dankbarkeit. Das Chemnitzer Industriemuseum bietet für diese Bedürfnisse vorzügliche Unterhaltung.

 Die Zeche und Kokerei Zollverein in Essen und die Völklinger Hütte im Saarland sind Beispiele  grandioser Industriedenkmäler innerhalb der deutschen Grenzen. Man kann natürlich die Kreise noch enger ziehen und fährt nach Domsdorf zu „Louise“,  Europas älteste Brikettfabrik (Landkreis Elbe/Elster in Brandenburg). Großartige Architektur und allerelei stampfende, rotierende, treibende und ächzende Uralt-Technik.Oder zum Hüttenwerk nach Peitz, gleichfalls Brandenburg. Der Frohnauer Hammer in Annaberg ist ohnehin Kult und Ferropolis bei Gräfenhainichen und das Schaufelrad von Gerbisdorf haben Godzillas Nachfahren gebastelt (Bild oben). Ziegeleien gibt es in Pegau (Zutritt nur nach Absprache) und in Hundisburg.

juergen-henne-leipzig@web.de

 

Mai 25, 2008 Posted by | Kunst, Leipzig, Neben Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und Klaus Kinski und Max Bruch und KUBA und Erich Loest

 

Birgit Glombitza feierte gestern Klaus Kinski in SPIEGEL ONLINE als „genialischen Schauspieler.“

Kinski – das Genie?

Welche Kränze muss man dann verblichenen Schauspielern wie Jean Gabin, Charles Laughton und Edward G.Robinson posthum knüpfen?

Welche himmlische Fanfare sollte dann die außerordentliche Begabung noch nicht verblichener Schauspieler wie Dustin Hoffman, Daniel Auteuil und P.Seymour Hoffman begleiten. Oder Pete Postlethwaite in seinen besten Filmen(„Brassed off“), denn er hat sich auch recht oft in gefilmten Armseligkeiten über die Runden gestikuliert.

Diese heiter-leichtfüßige Vergabe von Elite-Prädikaten kann schon irritieren.

Klaus Kinski agierte als kulturpolitische Figur, als kultursoziologisches Phänomen, festgezurrt in seiner Zeit öffnete er gesellschaftliche Nebenscharniere, während er unerfreuliche Mechanismen blankschrie. Doch Exzentrik und aggressive Grundtendenzen, für welches Ziel auch immer, müssen nicht zwangsläufig eine Kongruenz mit, in diesem Fall schauspielerischem Vermögen eingehen. Wenn Kinski in E.-Wallace-Filmen bleich um die Kurven schlurft und gefährlich vor sich hin lispelt, könnte schon einmal der Schauder den letzten Schluck Wernesgrüner in der Mundhöhle frostig erstarren lassen. Doch bitte nur Filme mit Heinz Drache und ohne Fuchsberger.

Doch große Schauspielkunst ist das keinesfalls.

Bei der Kenntnisnahme von „Aguirre,der Zorn Gottes“ und „Woyzeck“ drängt mein Finger mit stabiler Regelmäßigkeit zum Knopf für die Bildschirmverfinsterung. Denn diese manieriert-spleenigen Ausbrüche darben in häufigen Szenen auf der Ebene banaler Grimassenschneiderei. Und Büchners Stück ist dafür zu kostbar.

Einzig in „Fitzcarraldo “ gelang es ihm, die Besessenheit eines monströs strukturierten Opernliebhabers, der im südamerikanischen Dschungel ein Opernhaus errichten und Caruso einladen will und dafür auch das Schiff über den Berg wuchtet, unvergesslich auszurotzen.

Doch konnte Kinski eben nicht mit mit seinem erstarrten Kanon schauspielerischer Möglichkeiten die Figuren des Nosferatu, des Woyzeck odes des Aguirre  plausibel ausfüllen. Eine glaubhafte Entfaltung verödet nicht selten in einer äußerlich-plakativen Scheinqualität.

Die Bedeutung seiner Tabubrüche für deutsch-moralische Hauptwaschgänge, seine Provokationen als Flammenwerfer zur Hindernisbeseitigung sind unumstritten und ich wäre einem gemeinsamen Besäufnis nicht aus dem Weg gegangen. Doch trotz seiner mimisch-gestischen Detonationen und seiner rhetorischen Tobsuchtsanfälle verhärtet der schauspielerische Vortrag im Stadium von robuster Mittelmäßigkeit. Auch der Wunsch des Kinski-Verbrauchers nach Angeboten mit saftig intellektuellem Humus wurde selten erfüllt. Denn die Aktion blieb das Angebot, die erhöhte Phonstärke, das gewöhnungsbedürftige Vokabular.

Kinski -das Genie?

Diese Verquirlung von Kriterien einer öffentlich durchaus auch positiven Darstellung von Künstlern mit Kategorien künstlerischer Qualität, diese Herdenmentalität bei der Taxierung von Kunst und die Sehnsucht, dadurch auf der „Höhe der Zeit“ zu sein, führt zu einer teils grotesken Impotenz, die eigene Urteilsfähigkeit abzurufen und verramscht Kunst zu einer Sülze des Mittelmaßes.

Denn Kategorien der Qualität gibt es durchaus und Qualität ist keine Frage des Geschmacks und „Jeder Mensch ist ein Künstler“ von Joseph Beuys ist ohnehin Nonsens.

Max Bruch war ein mittelmäßiger Komponist, aber ein hervorragender Lehrer.

KUBA (Kurt Barthel)  war ein lausiger Poet, aber ein vortrefflicher, warmherziger Pädagoge.

Erich Loest ist ein zuverlässiger, glaubwürdiger Dokumentarist, abernur ein mäßiger Schriftsteller.

Klaus Kinski war ein Rufer in der Not, aber nur ein durchschnittlicher Schauspieler.

So ist das Leben, man kann nicht alles haben. Den Film „Jesus Christus Erlöser“ werde ich auf alle Fälle sehen und ich nenne mich danach vielleicht Jürgen Henne-Kinski.

 

juergen-henne-leipzig@web.de

 

 

 

 

 

 

 

Mai 16, 2008 Posted by | Film, Kunst, Leipzig, Neben Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und die Arachnologie

Jürgen Henne bei der Vorbereitung einer detailliert-arachnologischen Beobachtung seines Lieblingstieres, eine Gartenkreuzspinne, Araneus diadematus, aus der Gattung der Radnetzspinnen (Leipzig, Balkon). 

 

Traditionell eignet sich die Spinne nur bedingt als Vorlage für kindliche Kuscheltiere. In zahlreichen Kulturen musste sie die Erniedrigung zum bösartigen, hinterhältigen Unhold ertragen. In der außereuropäischen Geschichte würdigte man sie aber auch als „Schöpfer“, wurde vor ihrem Netz als reduzierte Ausgabe des Universums abgekniet.

Athene, der weibliche Haudegen der griechischen Mythologie, verwandelte Arachne, unwirsch geworden durch deren Schnelligkeit bei der gewebten Darstellung göttlicher Ferkelein, in eine Spinne.

Innerhalb der christlichen Ikonographie erhält ihre unablässige Arbeit am Netz den Status von ausufernder Gier und überflüssigem Besitz.Ihre Geschäftigkeit wird ausschließlich auf das Niveau einer barbarischen Habgier abgestuft.

Odilon Redon hat u.a. mit seinen Kohle-bzw.Kreidezeichnungen von grinsenden Spinnen aus den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts besonders wichtige Krabbeltiere der pelzigen Art vorgestellt, die auf symbolistischen Nebenwegen die Kunst des 20.Jahrhunderts durchaus beeinflussten.

Und Jack Arnold filmte 1955 mit „Tarantula“, ein Jahr nach „Formicula“, dem Figth mit aufdringlichen Ameisen, einen Spinnenterror als Overtüre für zahllose Streifen mit mutierten Vertretern der Tierwelt.

Nur die Kreuzspinne wird durch ihr körperliches Dekor und durch menschlich etwas schlichte Interpretationsbereitschaft in den Glanz der Heiligkeit erhöht und hat auf unserem Balkon den angemessenen Rahmen für ihre himmliche Verrichtung erhalten. 

 

 juergen-henne-leipzig@web.de

Mai 9, 2008 Posted by | Kunst, Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar