Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, „Das Traumschiff“, zehntausend Wanderwege und ein Urlaub für Entdecker

Information des Tages I

Leipziger Volkszeitung, Wochendausgabe (26./27.Januar), Titelseite

Na endlich, ich hatte schon befürchtet, Egon Krenz übernimmt die Rolle.
Es ist genau diese Art von Nachricht, die wie ein Katalysator meine intellektuellen Wochenendbedürfnisse sättigt, mitunter auch übersättigt, wodurch ich mich zu einem fulminanten Würfelhusten entschließen muss.

Zugabe

Information des Tages II

Ein Reporter beschreibt die Gegend um Antholz (Südtirol).
„Zahllose Wanderwege führen durch eine unberührte Natur.“

Ich stelle mir dann vor, wie jährlich zwanzig Millionen Besucher auf zehntausend unberührten Wanderwegen durch unberührte Natur stampfen.

Ich erinnere mich auch an eine Werbung, die noch vor einigen Monaten für eine geführte Schiffsreise entlang der norwegischen Hurtigruten mit dem Slogan „Urlaub für Entdecker“ angeboten wurde. Zum zentralen Blickpunkt für den kleinen Film wählte man den Geirangerfjord.

Bei unserer ungeführten Tour durch Norwegen streiften wir auch diese traditionelle Postschifflinie, einschließlich des Geirangerfjords.
Die Anwesenheit menschlicher Herden auf diesem Areal ließe sich nur mit den Sturmangriffen auf den römischen Petersplatz, auf Eiffelturm, Brandenburger Tor, Neuschwanstein, Seufzerbrücke und Münchener Hofbräuhaus vergleichen.

In den bemerkenswerte Stabkirchen Norwegens konnten wir dagegen bei vollendeter Einsamkeit unsere Kreise ziehen (Ringebu, Borgund, Urnes, Heddal, Roeldal..).
Aber natürlich haben wir auch die unbeschreibliche Natur des Landes zelebriert.


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Januar 27, 2019 Posted by | Leipzig, Medien | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und die dritten Messiaen-Tage in Görlitz/Zgorzelec

Zgorzelec, Europäisches Zentrum für Erinnerung, Bildung, Kultur auf dem Gelände des ehemaligen Stammlagers VIII A.
Detail der ständigen Ausstellung.

Der französische Komponist Olivier Messiaen lebte als Kriegsgefangener 1940/41 für neun Monate im damaligen Stalag VIII A und schrieb „Quatuor pour la fin du temps“ für Klavier, Violine, Violoncello und Klarinette.
Die Ausstellung zeigt u.a. die originale Ankündigung der Uraufführung am 15.Januar 1941 im Lager (oben) und fotografische Porträts der Solisten (unten).
Als Pianist agierte Messiaen selbst.

Seit drei Jahren richten nun Görlitz und Zgorzelec Messiaen-Tage aus und genau am 15. Januar wird „Quatuor pour la fin du temps“ zur Aufführung gebracht.
Diesen Ritus zelebrierte man auch bei dem diesjährigen, vor einigen Tagen beendeten Messiaen-Festival.

Neben der Füllung von Notenblättern und der Beschäftigung mit Zahlen betrieb Messiaen das ornithologische Handwerk und erhielt dafür überregionale Anerkennung.
Und so zwitschert, quirilliert, flötet, pfeift es innerhalb des Eröffnungskonzerts, natürlich musikalisch verfremdet, bei „Oiseaux exotiques“ durch die Görlitzer Annenkapelle.

Zuvor beschrieben an diesem Abend auch Scelsi aus Messiaens Generation (1905-88), einer der schrägsten Alleinunterhalter innerhalb der Musikgeschichte des vergangenen Jahrhundert und auch jüngere Komponistinnen wie Carola Baukholt („Zugvögel“) und Karoline Schulz („Wind“ als Uraufführung) die belebte und unbelebte Natur.
Das Konzert wurde mit dem Slogan „Naturklang-Klangnatur“ angekündigt.
Nun ja, bei derartigen Wortspielchen raste ich nicht gerade begeisterungstrunken aus.

Mit „Fremd bin ich eingezogen“, Anfangszeile des ersten Liedes der „Winterreise („Gute Nacht“) zog auch Weltmusik ihre Kreise in der Stadt an der Neiße
Denn Schuberts Liederzyklus wurde mit scheinbar ähnlich existentziellen Wurzeln persischer Lyrik verbunden und entsprechend instrumental und sängerisch modifiziert.
Ich akzeptiere natürlich ausdrücklich diese Möglichkeiten musikalischer Annäherungen innerhalb globaler Dimensionen.
Doch bleibt meine Zuneigung zur Weltmusik eher begrenzt und Schuberts Lieder ohne Klavier als Solo-Instrument bereiten mir akustische Probleme.

Während aller Konzerte dieser Januartage in Görlitz wurde die Musik Messiaens durch zahlreiche Arbeiten von Komponisten flankiert, die in unterschiedlichen Beziehungen zu dem wiederum einflussreichen Franzosen standen.

So absolvierten Johanna Krumin (Sopran), Markus Zugehör (Klavier) und René Hofschneider (Lesung) Lieder und Texte von Mikis Theodorakis, ein Schüler Messiaens und Kommilitone von Xenakis und Boulez (eine faszinierende Häufung von gehobener Musikgeschichte des 20.Jahrhunderts).

Und die irisch-kanadische Mezzosopranistin Wallis Giunta (Oper Leipzig), sie sang am Tag zuvor den Octavian im Leipziger „Rosenkavalier“, bearbeitete gemeinsam mit dem US-Amerikaner Alden Gatt (Repetitor an Leipzigs Oper) auf beträchlichem Niveau einen breitgefächerten Ausschnitt aus dem Liederangebot des 19./20.Jahrhunderts, aufgelockert durch zwei Solostücke für Klavier.
Dabei huldigten sie besonders dem französische Impressionismus, neben Debussy, Ravel auch Paul Dukas (Lehrer Messiaens).
Aber auch Britten und Richard Wagner wurden als Einflussnehmer auf Messiaen berücksichtigt.

Abschließend dann Messiaens Quartett „Quatuor pour la fin du temps“ für Violine, Violoncello, Klavier und Klarinette am 15.Januar.
Dazu ein Zitat des Komponisten:
Es wurde direkt inspiriert von der Stelle der Offenbarung. Seine musikalische Sprache ist im Wesentlichen immateriell, geistig und katholisch. Indem es in Melodie und Harmonie eine Art tonaler Allgegenwärtigkeit verwirklicht, nähert es den Zuhörer der Ewigkeit im Raum oder im Unendlichen.“

Ziemlich heftig, für mich eine recht ferne Welt, doch die Musik ist überragend.

Vor diesem zentralen Musikstück des Festivals gab es im Europäischen Zentrum Erinnerung, Bildung, Kultur in Zgorzelec die Erstaufführung von Tristan Murails „Stalag VIII A“ (s.o), ein Auftragswerk der Görlitzer Messiaen-Tage.
Murail war Schüler Messiaens.
Er komponierte diese Musik gleichfalls für Violine, Violoncello, Klavier und Klarinette (s.o.).
Irritiert hat mich doch gnadenlos die fugenlose Überleitung der Musik Murails zu Messiaens Quartett in wenigen Sekunden, ohne zwei Minuten Besinnung auf den Ursprung und ohne zwei Minuten aktuelle Besinnung.
Auch symbolische Dimensionen erschließen sich mir nicht.
Für mich kein Problem, ich kann das Quartett Messiaens mitsingen.
Für Debütanten dieser Musik, die sicher mit der Frage gekämpft haben, ob sie noch Murail oder schon Messiaen hören, aber ein wenig hilfreicher Auftakt.

Aber dennoch, diesen Tagen an der deutsch-polnischen Grenze wünsche ich eine gedeihliche Entwicklung.
Und immer wieder im Januar.
Und immer wieder mit Jürgen.

Görlitz, St Peter und Paul, gesehen vom polnischen Ufer der Neiße

Jakob-Böhme-Haus am polnischen Neiße-Ufer

Ich erinnere mich unscharf, dass irgendein Denker, vielleicht Marx oder Hegel, vielleicht auch Ulbricht oder Karl Dall diesen praktizierenden Schuhmacher als ersten deutschen Philosophen eingeordnet hat.
Kann ich nicht beurteilen, habe noch kein Wort von Böhme gelesen.
Ich vermute, das wird so bleiben, verstehe ich ohnehin nicht.

Zugabe

Irritation des Tages

Eine Renaissance-Installation italienischen Zuschnitts (Raffael, Michelangelo, Leonardo) im Leipziger Kunstkraftwerk wird musikalisch u.a. mit den Sauf-Fick u. Spielerorgien („Carmina burana“) aus dem bayerischen Kloster in Benediktbeuren unterlegt.
Muss man mögen.

Musik des Tages

Tristan Murail: „Winterfragmente“ und andere Stücke.
Aus meiner kleinen Murail-Kollektion.


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Januar 22, 2019 Posted by | Geschichte, Musik, Neben Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen und die ersten Wochen des neuen Jahres

Spontan geschriebene und ungeordnete Empfehlungen ohne weitschweifige Kommentare für eine angemessen kultivierte Bewältigung der ersten Wochen des neuen Jahres ( Standorte weitgehend auf mitteldeutschen Arealen )

Empfehlung I

Chemnitz, Museum Gunzenhauser

„PINC KOMMT“, fast einhundert Gemälde und Arbeiten auf Papier von Rupprecht Geiger (1908-2009), bis 3.März 2019.
Gewichtiger Vertreter der malerischen Abstraktion in Deutschland, Mitglied der Künstlergruppe ZEN 49 (gegründet 1949 in München), gemeinsam u.a. mit Willi Baumeister und Fritz Winter, die bis heute in der öffentlichen Kunstgeschichtsschreibung doch beträchtlich höher eingeordnet werden als Geiger.
Der Abstand sollte sich allmählich veringern.

Geiger zelebriert die Reduzierung, sicher auch eine Reaktion auf diese unsäglichen Familien-Landschafts-Bauern-Soldaten-Blut-Boden-Panoramen der Jahre zuvor.

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Empfehlung II

Einhundert Jahre Bauhaus

Als gefühlter Ersatzbauhäusler werde ich mich natürlich an der Ausstellungs-Wucht erfreuen, welche diese Bude zum einhundertsten Gründungsjahr preisen wird.
Doch sollte man sich nicht ausschließlich auf Weimar, Dessau und Berlin orientieren.
Ausstellungen sind z.B. auch in Halle und Apolda geplant.

Ich denke dabei besonders an das Kunsthaus in Apolda, eine Kleinstadt mit vielleicht zwanzigtausend Einwohnern irgendwo im mittleren Thüringen, deren Glocken-Museum eine etwas überregionale Bedeutung besitzt, sonst eher an der Wichtigkeits-Peripherie festgezurrt ist.
Aber es gibt in der Bahnhofstraße 42 eben auch noch das Kunsthaus der Stadt, bearbeitet von einer bemerkenswert agilen und kompetenten Truppe.
Allein im vergangenen Jahr gab es z.B. Ausstellungen mit Arbeiten Mirós und Warhols.
Und ich erinnere mich gleichfalls an Braque, Hanna Höch, Matisse, Lehmbruck…

Und es wird keineswegs irgendwelcher zusammengekehrter Ramsch aus obskuren Privatsammlungen gezeigt.
Ein gehobener Standart bleibt Apoldaer (Oder Apoldeser? Oder Apoldinger…?) Galeristen-Pflicht.

Zum Bauhaus-Jubiläum nun Ida Kerkovius, deutsche Weberin und Malerin, stellte z.B. am Beginn des 20. Jahrhunderts bei Herwart Walden aus und lernte Anfang der 20er Jahre am Bauhaus Weimar u.a. bei Itten und Kandinsky (13.1. – 31.3.2019)..

Auch das Altenburger Lindenau-Museum hängt Bauhauskunst an die Wände (Feininger, Klee, Kandinsky).
Aber angereichert mit Bildern von Künstlern, die nie das Bauhaus-Portal durchschritten haben (Beckmann, Kirchner, de Chirico), 24.2. – 19.5. 2019.
Man stellt eben aus, was man hat, bzw. bekommen kann.
Und von Kirchner oder Beckmann kann man nie genug sehen.
Meine Begeisterungstrommelei für Surrealismus und Pittura metafisica (de Chirico) ist allerdings schon seit langen Zeiten verklungen.

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Empfehlung III

Dresden, Albertinum

„Zukunftsräume“ und die abstrakt-konstruktive Avantgarde in Dresden 1919-1932.
Mit Arbeiten von Mondrian, Baumeister (s.o.), Lissitzky, Feiniger, Schlemmer, Kandinsky, Moholy Nagy…
Also eine Zusammenführung von deutscher Bauhauskunst mit russischem Konstruktivismus und der niederländischen Künstlergruppe „De Stijl“, 2.März – 2.Juni 2019.
Ich belasse es bei dieser Information, denn weitere Gedanken würden zahlreiche Seiten füllen.
Ich hoffe, diese Ausstellung wird der Orgasmus des Jahres.

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Empfehlung IV

Ein kleines, persönliches Richard-Strauss-Festival sollte von jedermann jährlich durchgeführt werden.
Die Leipziger Oper bietet dazu das musikalische Fundament.

12.Januar Der Rosenkavalier
13. Januar Salome

Zweifellos Höhepunkte der gesamten Opernliteratur.

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Empfehlung V

Görlitz/Zgorzelec an verschiedenen Orten

Internationale Messiaen-Tage, vom 11.Januar bis 15.Januar 2019.
Als französischer Kriegsteilnehmer und Gefangener wurde Messiaen im Stalag VIII A in Görlitz interniert.
Während dieser neun Monate schrieb er, einer der herausragendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts (1908-1992), das Kammerstück „Quatuor pour le fin du temps“ („Quartett für das Ende der Zeit“)

Innerhalb von fünf Tagen gibt es in Görlitz Kammerkonzerte, Vorträge, Ausstellungseröffnungen, Liederabende, Jazz-Konzerte, Lesungen und Musik z.B. von Scelsi, Bauckholt, Guth, Theodorakis, Schubert, Debussy, Ravel, Murail und natürlich Messiaen.

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Empfehlung VI

16.Januar 2019, Leipzig, Gewandhaus, Mendelssohn-Saal.

Musica Nova, Musik der Zweiten Wiener Schule

Natürlich mit Kompositionen von Schönberg und Webern, auf Alban Berg wird leider verzichtet.
Aber auch mit Kammermusik von eher selten gespielten Komponisten wie B.E.Wellesz und H.E.Apostel.

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Empfehlung VII

Die konzentrierte, aufgeschlossene, kontinuierliche, wohlwollende Kenntnisnahme meines Blogs.
Es darf natürlich auch gekotzt werden.
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Januar 10, 2019 Posted by | Kunst, Musik, Neben Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar