Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne und Ernst Wilhelm Nay

Bild, LVZ, 30. September 2022

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Ernst-Wilhelm Nays kenne ich nicht. Schiebt das „s“ doch einfach zurück ins Alphabet und schreibt Ernst Wilhelm Nay, ihr Pfeifen. Ihr könntet auch noch das Strichlein zwischen Ernst und Wilhelm tilgen, so ist es fein. Zwei Fehler bei der schriftlichen Formulierung eines Namens, das muss man erst einmal beherrschen.

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September 30, 2022 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, der kleine Muck, der kleine Jürgen als Indianer, eine besoffene Großmutter, ein verpenntes Dornröschen, ein gefräßiger Canis lupus, Hauff und Schwab in der Mülltonne, Meiselarbeiten an Straßenschildern und Lohengrin, der kein Führer mehr sein darf

Märchenfilme, oben nach Wilhelm Hauff, DEFA, unten nach W. u. J. Grimm, Disney

Nun wüten selbstgewählte, von niemandem bestellte Wohltätigkeitskolonnen, die scheinbar rund um die Uhr in Büchern, Filmen, Musikstücken, in Ergebnissen der bildenden Kunst und in allen anderen kulturellen Leistungen aller Epochen der Zivilisation mit ihren gelangweilten Sinnesorganen irgendwelchen moralischen Bedenklichkeiten nachhecheln, auch in Wolfgang Staudtes Verfilmung der „Geschichte vom kleinen Muck“ (1953). Ich vermute den Grund in der orientalischen Einfärbung im Gesicht des Hauptdarstellers, eine Aktion, die dann unter Aneignung fremder Kulturen und unter Rassismus eingeordnet wird.

Überhaupt könnten diese feinsinnigen Humanitätsbewahrer im Märchen noch reichlich Material finden, um die Notwendigkeit ihrer Schnüffel-Exzesse zu belegen (Nicht nur in Verfilmungen, auch in Original-Texten).

Vor allem das Frauenbild müsste diesen Scharfrichtern im Kampf für eine „bereinigte“ und „ordnungsgemäße“ Kulturgeschichtsbearbeitung zur Weißglut treiben. Deshalb auf den Scheiterhaufen mit den Grimmchen Kinder-u.Hausmärchen, am besten auf dem Berliner Opernplatz, vielleicht glimmen noch ein paar Reste. Und das „Deutsche Wörterbuch“ der Gebrüder Grimm kann man auch noch nachschieben. Denn wer derartige Märchen sammelt, kann kein guter Mensch sein und gleichfalls keine hochrangigen Wörterbücher schreiben. Werden sie sagen

Denn mit der besoffenen Großmutter bei Rotkäppchen, die nicht mehr aus dem Bett steigt und außerdem noch schädliche Backwaren verschlingt, wird der aktuelle Status unserer Seniorinnen verhöhnt. Und was Schneewitchen mit den sieben Zwergen und deren Kolossalschwänzen so treibt, weiß man ja auch nicht so genau. Von der Gebäck-Architektin ganz abgesehen, die dem pubertären Hänsel ständig an irgendwelchen Knöchelchen oder Fingerchen herumfummelt. Die Frau als Sünderin, als wolllüstige Waldbäckerin, so geht das einfach nicht.

Aber auch über das verpennte „Dornröschen“, das blondhaarig auf ihren Prinzen im Schwarzenegger-Format wartet und über die brave, fleißige, untertänige und nie murrende Goldmarie bei „Frau Holle“ ließe sich heftig debattieren.

Und selbst die Wolf-Euphoriker sollten endlich ihren Protest an den Mond heulen. Denn die Darstellung von Canis lupus als hinterhältiges und verfressenes Untier vor und nach der Zerfleischung der sieben minderjährigen Hornträger oder wiederum bei „Rotkäppchen“, kann man nicht durchgehen lassen.

Wilhelm Hauff, der Verfasser der „Geschichte vom kleinen Muck“, s.o. und Gustav Schwab ( „Sagen des Klassischen Altertums“) gehörten am Beginn des 19. Jahrhunderts zum Schwäbischen Dichterkreis, es wäre törricht, deren antisemitischen Tendenzen zu bezweifeln. Doch waren sie mitnichten im 19. Jahrhundert die Frühnazis innerhalb einer judenfreundlich gesinnten Humanistenherde. Der normale, alltäglich akzeptierte „Zeitgeist“ beeinflusste sie, was diesen Zeitgeist natürlich nicht erträglicher macht.

Aber mir schaudert vor möglichen Abläufen, in denen einfältige Mitbürger, deren Zahl und Einfluss nicht unterschätzt werden sollte, eine historischen Vernichtung z.B dieses Schwäbischen Dichterkreises fordern. „Hinweg damit, hinweg in den Müllkübel der Geschichte, denn wer sich mit Hauff und Schwab verband, muss aus der Erinnerung getilgt werden“, könnten sie dann lärmen

Aber weil diese Denunziations-Exzesse leidlich viel Zeit kosten, werden sie übersehen haben, dass z.B auch Eduard Mörike („Frühling lässt sein blauea Band…“) und Ludwig Uhland („Die linden Lüfte sind erwacht…“) sich dem Schwäbischen Dichterkreis zugehörig fühlten. Antisemitische Tendenzen sind mir nicht bekannt. Doch die Robin Hood`s der edlen Gesinnung werden es schon richten. Ab in die Schmutztonne mit Hauff, Schwab, Mörike, Uhland…

Greifswald hat den Namen von Ernst Moritz Arndt aus seiner Universitätsbezeichnung getilgt, auch eine Aktion, die mich irritiert. Arndt verband seine antifranzösische Propaganda als Reaktion auf die Kriege Napoleons auch gegen Deutschland mit der öffentlich proklamierten Sehnsucht nach einer deutschen Einheit. Sicher ergaben sich dabei auch nationalistische Verzerrungen, die man aktuell interpretieren kann, aber in das geschichtliche Umfeld des 19.Jahrhunderts einordnen sollte. Alles andere ist grobschlächtige Agitation.

Und wenn ich mir vorstelle, dass dann allmählich von allen Straßenschildern, aus allen Schulen Ernst Moritz Arndts Name herausgemeiselt wird, entwickelt sich bei mir eine deftige Übelkeit. Denn Arndts Namen wird man vergessen.

Aber wenn alle historischen Abläufe und Zusammenhänge, alle geschichtlichen Personen und deren Aussagen, die heute zu Recht nicht mehr zeitgemäß sind und die man natürlich ansprechen, aber sachlich bewerten und wissenschaftlich kompetent einsortieren sollte, aus dem Wissensfundus gelöscht werden, fügt sich das Bild der Kulturgeschiche z.B des 19 Jahrh. nur noch rudimentär zusammen. Historische Entwicklungen werden verfälscht und sind als Fundgrube für aktuelle Erkenntnisse wertlos.

Nachtrag

Im originalen Libretto von „Lohengrin“, das Richard Wagner selbst verfasste, wird die Titelfigur als „Führer“angerufen. In Bayreuth wurde deshalb über die Zumutbarkeit dieses Titels debattiert. Zu meinen bevorzugten Wörtern zählt „Führer“ keinesfalls. Doch was wird mit dem Opernführer, soll ich nun „Wo ist nur mein Opernbeschreiber“ debil vor mich hin murmeln ? Oder wird dann die Verkehrskontrolle mich um meinen „Fahrzeuglenkerschein“ bitten ?

Und noch etwas

Während der Zeiten vor sechzig Jahren wünschte ich mir immer ein Indianer-Kostüm für die alljährlichen Faschingsfeiern. Damit wollte ich meine Freude über die Schönheit ihrer Bekleidung, aber auch meinen kindlichen Respekt, meine Achtung , vielleicht auch meine kindliche Liebe für diese, mir fremden Menschen zeigen. Das Indianerkostüm wurde mir nie verwehrt. So schlecht kann diese Erziehung doch nicht gewesen sein.

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September 24, 2022 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar