Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, Melanie Safka und zwölf Wochen Frankreich in Leipzig und um Leipzig herum

Ich hatte das Privileg und die große Freude, meine vier Schuljahre (9-12, zweite Hälfte der 60er Jahre) an der sozialistischen „Erweiterten Oberschule“, heute als Gymnasium bekannt, mit Margot Honecker als Bildungsministerin, in der einzigen Klasse mit Französisch-Unterricht in Leipzig zu zelebrieren.

Und ich hatte dadurch das Privileg, innerhalb des Privilegs (s.o.) mehrmals vier Wochen innerhalb der jährlichen Sommerferien Begegnungen mit französischen Jugendlichen, weiblich und männlich, in der Regel Töchter und Söhne Lyoner Kommunisten, gleichfalls zu zelebrieren.

Doch diese infantilen Geister im trüben Arbeiter-u. Bauernstaat ostdeutscher Prägung, welche derartige Vorgänge steuerten, diese schlichten, mitunter auch bösartigen Gemüter, wir hatten ständig einen Betreuer aus der DDR-Schnüfflergilde an unserer Seite, waren sicherlich entsetzt, als während der insgesamt zwölf Wochen mitnichten auch nur ein einziges Mal z.B. die Namen Marx und Lenin auf das Tablett kamen.

Es ging eher um grenzübergreifende Freundschaft und grenzübergreifende Jugendliebe ( die musikalische Körperverletzung von U. Freudenberg hätten wir sicher nicht eingesetzt), es ging um Musik, vom Plattenteller und selbst erzeugt, um nächtliches Schaukeln im Starkregen und kollektives Wehklagen beim Abschied auf dem Leipziger Hauptbahnhof……und es ging um Tanz, auch schon einmal morgens 7 Uhr vor dem Frühstück und sicherlich mit pubertärem Mundgeruch. Völlig egal, die Hauptsache war, ein DDR-Körper und ein französischer Körper näherten und berüherten sich behutsam.

Sicherlich kein euphorisch gefeierter Handlungs-Ausschnitt aus dem öffentlich angeordneten Werte-Katalog für Mitglieder der „Freien Deutschen Jugend“ in der Deutschen Demokratischen Republik.

Die Musik stellte die französische Abordnung, allein Patrick reiste mit sechs LP`s von Otis Redding an. Wir hörten und tanzten nach Mick Jagger und seiner Truppe, nach Canned Heat, Spencer Davis Group, Procol Harum, Aphrodite`s Child, aber auch nach Jacques Dutronc, Michael Polnareff, Francoise Hardy, Hugues Aufray, die damaligen musikalischen Higlights unseres heutigen Nachbarlandes, damals gab es ja keine DDR-Frankreich-Grenze.

Und wir tanzten nach der Musik von Melanie Safka, die sich vor wenigen Tagen körperlich von dieser Welt verabschiedete, s. Foto oben. Diese kleine Scheibe ist , gemeinsam mit der Otis-Redding-Aretha-Franklin-Musik (unten), die mir aus dem Fundus unserer Gäste überreicht wurde, eine Erinnerung an die DDR-französischen „Jugendengleisungen“ vor über 50 Jahren.

Es wäre möglich, dass dieses Rillenobjekt, Melanies erste Veröffenlichungen abspielt, „Bo Bo`s Party“ erschien 1969, „Mr Tambourine“ ein Jahr früher. Aber wer weiß das schon.

Neben Janis Joplin und Joan Baez marschierte Melanie als einzige Frau über die Woodstock-Bühne, abgesehen von einigen Mitgliedern ihres Geschlechts in Musikgruppen

Mitte der 90er Jahre sahen und hörten wir Melanie in einem Leipziger Konzert, ein schöner Gedanke

Musik des Tages

Nach Melanie, Otis Redding und Aretha Franklin nun Kammermusik von Nicolaus Richter de Vroe

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Januar 26, 2024 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und Alberto Giacometti, Giovanni Giacometti, Annetta Giacometti, Diego Giacometti, Ottilia Giacometti, Bruno Giacometti…

„Die Giacomettis“, Film von Susanna Fanzun

Ich verspüre nur eine arg dezimierte Neigung, an dieser Stelle schriftlich über Alberto Giacometti zu referieren. Denn Literatur über den Graubündener Künstler steht in üppigem Umfang zur Verfügung.

Deshalb nur eine, um wenige Hinweise erweiterte Empfehlung für einen Kinobesuch.

Schon vor über fünfzig Jahren hatte ich Giacomettis Bildhauerei, aber auch seine Malerei, die Graphiken und Zeichnungen in die Elite-Kollektion innerhalb der globalen Kunstgeschichte des 20.Jahrthunderts eingeordnet. Daran hat sich bis zur aktuellen Stunde nichts geändert.

Natürlich konnte man in der düsteren DDR keine Literatur über Giacometti erwerben, doch gab es ja Ost-Rentner-Omas und Ost-Rentner-Opas, die dann nach „Westbesuchen“ im etwas merkwürdigen Ost-Teil Deutschlands edle Dinge aus aus den Tiefen ihrer Koffer kramten, darunter eben auch Giacometti-Kataloge. Natürlich auch Zappa-Tonträger, meiner seligen Großmutter sei es auch heute noch gedankt

Der Film von Susanna Fanzun beschreibt die Familie Giacometti, aber nicht nur als Nebenakteur im Umfeld Albertos, sie wird cineastisch erstrangig in das Leben des „Familienchampions“ integriert.

Eine durchaus hohe Wertschätzung erfährt in dem Dokumentarfilm Vater Giovanni Giacometti , der sich als spätimpressionistischer Maler eine überregionale Wirkung erarbeitete. Neben der Schilderung der stabilen Bindungen zu seiner Mutter, zu Bruder Bruno, der als Architekt am Beginn der 50er Jahre den Schweizer Pavillon auf der Biennale in Venedig errichtete und zu seiner Schwester Ottilia, wird Alberto Giacomettis enges Verhältnis zu seinem Bruder Diego gewürdigt, mit dem er z.B. lange Jahre gemeinsam in Paris arbeitete. Die innere Gestaltung des Pariser Picasso-Museums gilt als Diegos Meisterstück.

Mit den Namen von z.B Cuno Amiet, Giovanni Segantini, Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und kurzen, außerordentlich unterhaltsamen, auch erfrischend humorvollen Interviews mit ehemaligen Freunden, Bekannten und noch lebenden Familienmitglidern wird das soziale Umfeld der Giacomettis abgerundet. Bruno Giacometti starb erst 2012 mit 105 Jahren.

Eingebunden werden all diese Storys natürlich von alpinen Panoramen, vom Tal Bergell, welches durch das Flüsschen Mera durchmessen wird.

Ein ruhiger, unaufgeregter, sehr informativer Film , bei dem der Besucher-Blick nicht eine Sekunde ermüdet sich der Uhr näherte.

Und natürlich erinnerte ich mich freudig an den Aufenthalt während unseres dänischen Herbstes 2021 im Louisiana Museum of Modern Art, in dessen Sammlung auch Arbeiten von Alberto Giacometti aufgenommen wurden, Bildhauerei, Graphik (Lithographie), Bilder oben und unten.

Es böte sich also unbedingt an, bei einem Besuch Kopenhagens und dem obligatorischen Kniefall vor der kleinen Meerjungfrau und den folgenden Einzel-u. Gruppen-Selfie-Exzessen sich noch reichlich dreißig Kilometer Richtung Nordpol zu bewegen, um diesem Museum seinen Respekt zu bezeugen.

Der Name des Museums führt mitnichten auf das USA-Territorium am Golf von Mexiko. Der Besitzer des Hauses (Mitte des 19. Jahrh.) ehelichte drei Frauen, ich vermute nacheinander, die auf den Vornamen Louise hörten.

Musik des Tages:

Kompositionen für Schlagzeug von John Cage.

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Januar 17, 2024 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, einige Neujahrsimpressionen aus der Galerie Born (Darß) und einige Winterimpressionen aus dem Norden

Lucas Reiner, USA, Tempera, Musselin auf Holz, 2020

Lucas Reiner, USA, Tempera, Musselin auf Holz, 2020

Marc Mulders, Niederlande, Öl auf Leinwand, 2022

Han Klinkhamer, Niederlande, Öl auf Leinwand, 2022

Marc Mulders, , Niederlande, Öl auf Leinwand, 2023

Biene Feld, Deutschland, Kohle Acryl, Farbstift auf Papier, 2023

Weitere Teilnehmer dieser Austellung sind u.a. Uwe Kowski, Strawalde, Thomas Müller, Manfred Mayerle….

Die Zeitdauer der Ausstellung irritiert mich sanft. Geöffnet vom 26. Dezember 2023 - 6. Januar 2024. Nicht sonderlich gebräuchlich, doch wird es schon eine nachvollziehbare Begründung geben. Mir fehlte aber die Lust auf eine Nachfrage. Dennoch gehören diese Räume vermutlich zu der qualitätsvollsten Galerie auf dem Darß, zumindest im Bereich für zeitgenössische Kunst.

Außerdem erscheint mir das Ergebnis des Aufenthalt an der winterlichen Ostsee für die Erhaltung von seelischer und körperlicher Stabilität wesentlich ertragreicher als ein sommerlicher, in Herden-Mentalität zelebrierter, hitzig zusammengepferchter Sonnen-Anbetungsfetichismus, mit Zeitgenossen in einheitlicher, ganzkörperlicher Sonnenbrandfaltung.

Dazu ein paar ostseeische Winterbilder der vergangenen Jahre

Darß, Bodden

Sanddorn und Schnee, Steilküste zwischen Ahrenshoop und Wustrow
Ahrenshoop, Küste mit Mensch

Darß, Hinterland

Darß, Ostsee mit Sonne und Eis

Darß, Ostsee, Eis am Holz

Darß, hinter der Steilküste zwischen Ahrenshoop und Wustrow. J.H., der Küsten-Yeti, auf dem Weg in sein Quartier

Prerow, Kirche

Darß, abschließender Winterblick auf die Ostsee

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Januar 10, 2024 Posted by | Leipzig | 1 Kommentar