Juergen Henne Kunstkritik

Juergen Henne und die begehrte Serie: „Mein größtes Ferienabenteuer“. Heute: 10. Juni 2016 in einer romanische Kirche Liguriens

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Basilika San Salvatore dei Fieschi in San Salvatore/Cogorno/Ligurien

Der erste Aufsatz nach den Sommerferien während meiner aktiven Schuljahre, also zur Zeit Robin Hoods, erhielt traditionell Überschriften wie: „Mein schönstes Ferienerlebnis“ oder „Mein größtes Ferienabenteuer“.
Wenn meine Lehrerin, inzwischen 94-jährig, mir heute eine ähnliche Aufgabe anböte, würde ich unseren Aufenthalt in der spätromanischen Kirche San Salvatore in der gleichnamigen Ortschaft beschreiben.
Romanische Architektur ist natürlich ohnehin nicht für ihre Licht-Exzesse bekannt, für hemmungslose Helligkeits-Überflutungen.
Doch setzt die ligurische Romanik in ihrer Lux-Tabelle besondere Zeichen einer sichtbaren Lichtverweigerung.

Das Gewitter hatte sich mitnichten angekündigt. Der Himmel hatte zwar eine etwas belegte Zunge, doch elektrische Entladungen und deren kausal-lärmende Geräuschkulisse konnte man nicht erahnen.
Der meteorologische Super-GAU begann nach unserem Eintritt in die Kirche.

Der ohnehin dunkle Bau verwandelte sich in einen Raum von rabenschwarzer Bodenständigkeit.
Die wenigen Lichter, welche die wenigen Heiligen sichtbar machten, flackerten scheinheilig oder erloschen kurzfristig. Aus anderen ligurischen Kirchen werden Ereignisse berichtet, während derer z.B. eine Statue Marias mit den Augen blinzelte.
Wir schauten nach „unseren“ beiden Heiligen, doch niemand blinzelte.
Ich steckte beiden die Zunge heraus, trollte mich und drehte in dem dreischiffig lateinischem Kreuz meine Runden, mit Foto-Gerät.

Die Kirche ist dem Heiligen Salvatore geweiht, in diesem Fall Jesus als Salvator mundi, als Erlöser.
Innerhalb der Kunstgeschichte u.a. mit der segnenden Hand (rechts) dargestellt.
Als Heiliger Salvatore wäre mir dann nur noch eine Figur bekannt die missionierend irgendwann im 16.Jahrh., irgendwo durch das spanische Land zog.
Die Kirche wurde aber im 13. Jahrhundert erbaut.
Und die anwesenden Schafe, als Kunstwerke in der Kirche verteilt, weisen auf Salvator mundi.
Am Thonberg in Leipzig/Reudnitz gibt es z.B. eine Erlöserkirche..

Bei der Identifizierung der beiden Figuren, die einfach nicht blinzeln wollten, fühle ich mich damit aber überfordert.
Dem männlichen Teil kriecht ein Teufel unter der Bekleidung hervor, bzw. wurde der Unhold von der Heiligkeit gnadenlos niedergerungen. Die weibliche Statue rammt sich Stechwerkzeuge in den Körper, da vergeht ihr natürlich die Blinzelei.
Die äußerliche Nähe zum heiligen Franz könnte nach Assisi führen, wobei die Entfernung zu der umbrischen Stadt überschaubar ist.
Doch ist die Architektur kein Beitrag einer Klostergründung, auch nicht des Franziskanerordens.
In der Offenbarung des Johannes wird der Teufel mit einer Schlange verglichen, auch eine mögliche Interpretation. Ich glaube gleichfalls bei Matthäus.

Der Vorplatz aus Meereskieseln füllte sich in wenigen Sekunden zu einem christlichen Swimmingpool.
Göttliche, doch zumindest halbgöttliche Heerscharen wüteten über dem Landstrich zwischen Genua und der toskanischen Grenze. Uns schien, dass selbst Chaak, Enki, Thor, Baal, ……. Position über der Kirche bezogen hatten, um uns, von ihrer, zumindest außerirdischen Existenz als Herrscher über Feuerbrünste als Folge von Blitzschlägen, über jeden Regentropfen und über jeden Tinnitus nach endloser Donnerdröhnung zu überzeugen.

Gedanken an Blitzeinschläge in Türme, berstende Kirchenschiffe und Gewölbe konnte ich nicht mehr entrinnen.
Das Gewitter entwickelte sich zu einem Dauerdonner ohne Intermezzi der Beruhigung, die kleinen Fenster weigerten sich, das Licht des Blitzes in den Innenraum weiterzuleiten.
Und geblinzelt wurde immer noch nicht.

Wir verließen die Kirche.
Die letzten Meter zu unserem Fahrzeug bewältigte ich schwimmend als fast scheiternder Poseidon.
Meine Gemahlin folgte mir wie die Figur aus einem Märchen von Hans Christian Andersen. Oder einer Oper E.T.A. Hoffmanns.

Nach einer halben Stunde aßen wir bei gleisender Sonne einen Eimer köstliches italienisches Eis, erinnerten uns an die romanische Kirche auf dem Berg und wussten, jetzt wird geblinzelt.

Mögliche Noten von meiner Lehrerin:

Inhalt: 1
Ausdruck: 1
Rechtschreibung/Grammatik: 1, vielleicht auch 2
Form: Keine Ahnung

Zugabe

Die Fieschi (um 1000 – 1550), Bauherren der Kirche, waren ein Geschlecht mit Macht und Besitz im Gebiet des Apennin.
Die Päpste Innozenz IV und Hadrian V. sowie die Heilige Katharina von Genua entstammen dieser Familie.
Innozenz schenkte der Kirche eine Reliquie des Heiligen Kreuzes.
Leider keinen Teil der Vorhaut.

Ich fotografierte während des Gewitters.

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Juni 21, 2016 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar