Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, die täglichen Behelligungen, ein obergeiles Pantoffeltierchen, der Präsident von Entenhausen, Anal-Sex bei Kürbissen, eine infantilisierte Gesellschaft, galoppierender Harndrang und der Redenschreiber einer Venus

LVZ, Sbd./Son./12./13.Okt.

Behelligung I

In der LVZ-Kuppel (LVZ=Leipziger Volkszeitung), Standort für global beachtete Veranstaltungen von höchstem Anspruch, bei dem selbst Polyphem auf Grund begeisterter Hysterie das Restauge aus dem Gesicht fallen würde, gab es am vergangenen Freitag scheinbar ein Gespräch zwischen Guido Schäfer, auch bekannt als Redenschreiber der Venus von Willendorf und einem Tormann namens René Adler.

Ich kenne Egon Adler, Teilnehmer der Friedensfahrt während der 50er/60er Jahre und Leo Adler als Architekturtheoretiker.
Von Psychotherapeut Alfred Adler habe ich vor vielen Jahren einige Seiten gelesen und nichts verstanden, Sabine Adler hörte ich oft als Korrespondentin im Deutschlandfunk.
Als winziger Ersatz-Ornithologe sind mir natürlich auch Steinadler, Seeadler, Fischadler…bekannt.
René Adler kenne ich erst seit vorgestern.
Vorgestellt von Guido Schäfer, auch bekannt als Presse-Sprecher der Hängenden Gärten von Semiramis, der zunächst die Botschaft eines ehemaligen Trainers von René Adler verkündete:

„René, du warst ein Mann. Du warst ein geiler Torwart und ein geiler Typ.“

Er war ein Mann, jetzt ist er wahrscheinlich ein Pantoffeltierchen, natürlich ein geiles Pantoffeltierchen, geradezu ein obergeiles Pantoffeltierchen.

Bei derartigen Ouvertüren werfe ich das geile Handtuch, meine Kunsthüfte färbt sich violett und ich blättere weiter.
Es bleibt natürlich die Frage nach der Zielgruppe dieses Blattes.

Zumal auf der Titelseite (!) ein bedrohlich ausuferndes Bild der Trauerfeier zur Verscheidung Karel Gotts dominierte, ein treuer Sohn der tschechischen Diktatur, er unterzeichnete das Dokument zur Vernichtung der Charta 77 und sang u.a. Titel wie „Lady Carneval“, „Einmal um die ganze Welt“, „Babicka“…, stöhn, schmerz,schmerz, schüttel…
Eine Notiz unter „Sonstiges“ hätte vielleicht genügt.
Es bleibt tatsächlich die Frage nach der Zielgruppe dieses Blattes.

Behelligungen II und III

Innerhalb einer sonntäglichen Sendung des Deutschlanfunks Kultur laberte Ralf Bei der Kellen wie gewohnt seinen einleitenden Quark, dessen Fakten er vermutlich immer bei Wikipedia findet, sprach von Nero und dessen sich veränderndes Bild in der Geschichtswissenschaft mit positiver Tendenz und betonte dann mit einer unvergleichlich intellektuellen Dürftigkeit seine Zweifel, ob sich bei Donald Trump in ferner Zukunft eine ähnliche Entwicklung abzeichnen könnte.

Und Andreas Rebers, ein Spaßmacher, dem ich mich vor Jahren, er spielte damals noch Akkordeon, durchaus freundlich zuwandte, nölte einfältig, daß nun alle wissen, dass Entenhausen von Donald Trump regiert wurde.

Nach fast drei Jahren Trumpscher Regierungszeit und Milliarden Hinweisen, Vergleichen, Satiren mit Hilfe Donald Ducks, Bildern aus Entenhausen mit Enten-Schnabel-Trump und Trump-Frisur findet diese Einfalt kein Ende.

Wie in der DDR, als jeder schriftliche oder mündliche Beitrag, ob über die Fußpflege des Quastenflossers oder über den Anal-Sex bei Kürbissen, mit Zitaten Honeckers, Breschnews, Marx`, Lenins oder mit dämlichen Texten vergangener SED-Parteitage garniert werden musste.
Trump geht immer und vor allem unter der weitgehenden Gleichschaltung aller Medien.
Ich brauche keinen Donald Trump, ich brauche aber auch nicht eine dogmatische Infantilisierung der Gesellschaft, die außerdem einen deftigen Beitrag zum Triumph dieser unerquicklichen AfD leistete.

Behelligung IV

Deutschlandfunk Kultur.
Gestern.
Der Song „Sunny“ wurde gespielt.
Danach des Moderators Hinweis, dass „Sunny“ einer der meistgecoverten Musiktitel sei.
Das ist richtig.
Und das die meisten Zeitgenossen nicht mehr wissen, wer eigentlich das Original sang.
Das ist gleichfalls richtig.
Er sprach dann von Bobby Hebb als Verfasser und Sänger des Songs.
Das ist wiederum richtig.
Und er meinte, das Bobby Hebb diese Lied 1956 komponierte und interpretierte.
Das ist allerdings falsch.
1966 wäre die präzise Information gewesen.
Und der Moderator informierte weiter, daß die eben gespielte Version von irgendeinem Sänger dargeboten wurde.
Das ist richtig, aber der Sänger hieß Robert Mitchum.
Und Robert Mitchum als irgendeinen Sänger zu bezeichnen, ist zumindest etwas nachlässig.
Ich stelle mir vor, Karel Gott hätte gesungen.
Also in etwa zwanzig Sekunden eine falsche Information und eine halbe Schlamperei.
Setzen, sechs.
Und das ist in allen Medien alltägliche Normalität.

Leipzig, das Opernhaus der knallenden Türen

Behelligung V

Vor einigen Wochen innerhalb der Werkstatt zu „Tristan und Isolde“ in Leipzigs Oper. Im Opernhaus dann am vergangenen Sonnabend zur zweiten Aufführung der Neuinszenierung.

Irgenwie knallte es mitunter.
Es knallt schon seit Jahrzehnten.

Ich enthalte mich einer musik-u.aufführungstheoretischen Abhandlung, ist mir momentan zu beschwerlich.
Jedenfalls habe ich recht zufrieden den Saal verlassen.

Aber es knallte mitunter.
Die Türen knallen infernalisch. Während der Werkstatt musste ich als reiferer Herr mit sich plötzlich galoppierend entwickelndem Harndrang die Toilette aufsuchen und schloss die Tür.
Sie knallte, die Toilettentür, wodurch ich befüchtete, dass Ulf Schirmer vor Schreck seinen Taktstock dem ersten Geiger in die Nasenlöcher schob.
Aber auch die Türen zum Hauptsaal knallen.
Gleichfalls das Hauptportal, es stört besonders, wenn man innerhalb einer Pause bei Dämmerung und in tiefer Richard-Wagner-Versunkenheit in Richtung Mendebrunnen glotzt.

Einem Menschen mit durchschnittlich ausgeprägter Motorik dürfte es nur unter höchster Körperbeherrschung gelingen, die Türen knallbefreit zu schließen.
Millimeter für Millimeter müsste man sich herantasten, um dann zitternd die einzelnen Elemente der Tür zusammenzufügen.
Vielleich knallt es dann nicht.
Aber wer hat schon dafür Zeit bei galoppierendem Harndrang.

Aber vielleicht kann man auch geringfügige Veränderungen in der Türschließmechanik erwägen.
Oder einen sanften Samtbeschlag zwischen die Bretter heften.
Was weiß ich denn, jedenfalls geht mit diese Türknallerei ziemlich auf die Ersatzhüfte.

Musik des Tages

Wieder einmal Pavement hören.



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Oktober 15, 2019 Posted by | Leipzig, Medien, Sprache | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und die deutsche Album – Charts

Ich glaube, Goethe laberte einst:

„Sage mir, mit wem du umgehst und ich sage dir, wer du bist.“(Oder so ähnlich)

Daraus entwickelten sich dann zahlreiche Mutationen, zumeist ziemlich blödsinnig.

„Sag mir, was du ißt und ich sag dir, wer du bist.
Oder verkürzt: „Du bist, was du ißt.“ Ähnlich blödsinnig.

Könnte man natürlich erweitern: „Du ißt, was du bist.“
Auch möglich: „Was Du nicht ißt, das bist Du nicht.“
Oder: “ Nicht Du das bist, Du nicht was ißt.“

Ende der 60er Jahre gab es in der DDR das Lied „Sag mir, wo du stehst“ von diesem unsäglichen Oktoberklub mit Oberhorst Hartmut König als führendem Einpeitscher.

Ich könnte natürlich auch etwas beifügen:
„Sag mir, wen du fickst, ich sag dir, wie du tickst“

Oder mit dem Blick auf die obige Information:

„Sag mir, welches Album mit welcher Musik auf Anhieb an die Spitze der Album-Charts getrieben wurde und ich erkläre Dir auf Anhieb die kulturelle Fitness dieser Zivilisation.“
Auf Anhieb.

Der Rest ist Schweigen.


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September 8, 2019 Posted by | Leipzig, Musik, Sprache | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, Donald Trump und Stefan Kuzmany in Deutschland

„Der Spiegel“, Nr 36, 31.8.2019, S.8, Überschrift zu einem Text von Stefan Kuzmany

„Der Spiegel“ konnte sich noch nie dauerhaft im Regal meiner bevorzugten Wochen/Monatsschriften einordnen.
Und ich vermute, das diesen Blatt bald erbarmungslos aus meinem Weiterbildungs-Reservoir getilgt wird.
Denn die inhaltlichen und sprachlichen Dürftigkeiten häufen sich.

Innerhalb dieses Textes (s.oben), sollte sicher eine Art Glosse werden, kündigt Stefan Kuzmany den Besuch Trumps in Deutschland an und unterbreitet Vorschläge für kommunikative Schwerpunkte.
Er verweist nochmals auf Trumps Sehnsucht nach Grönland, eigentlich ein politisches Intermezzo, das keine Sau mehr interessiert, das jeder begabte Mensch schon wieder vergessen hat.
Nur Stefan Kuzmany vergisst nicht.

Und mit feinsinniger Ironie und hoher Originalität vermutet unser Stefan, dass Trump auch in Deutschland die Begierde entwickeln könnte, eine Insel zu erwerben.
Und zwar Sylt, vermutet Kuzmany geistesgegenwärtig und Stefan wäre nicht Stefan, wenn er nicht sofort nach seiner Vemutung auch eine Lösung anböte.
Merkel soll Mallorca anbieten, womit das Problem auf der spanischen Inselwelt abgelagert wird.

Stefan Kuzmany könnte sich nach dieser journalistischen Klimax erschöpft aber auch glücklich zur Seite lehnen.
Doch er gönnt seinem draufgängerischen Intellekt keinen Stillstand und zelebriert weiterhin seinen Vermutungsmodus.

Denn bei Kuzmany wölbt sich der Verdacht, dass Trump auch deutsches Festland begehren könnte und denkt dabei an die bayerischen Alpen (zur Errichtung einer Mountain-Ranch) und an Mecklenburg-Vorpommern (für Atombomben-Tests).

Spätestens jetzt beginnen meine halbverdauten Bratkartoffeln ihren Weg zurück in die Mundhöhle.
Reicht mir schnell den Übelkübel.
Sonst wird mir ohne Kübel übel.

Und abschließend philosophiert Stefan Kuzmany über ein Gastgeschenk an Trump und denkt dabei an Hans-Georg Maaßen, der dann neben Trump als Sonderberater für Migrations-und Grenzfragen dienen soll.

Ich müsste mich einer knochenharten Belastung aussetzen und nachdenken, wann ich letztmalig eine derartige Häufung von Dümmlichkeiten in derartig wenigen Zeilen gelesen habe.
Dieser Kehricht ist nicht nur infantil und grottig im durchschnittlichen Sinn.
Diese Grottigkeit endet am Mittelpunkt der Erde.
Vielleicht wird dort wenigstens dieses rote Atlantis-Urvieh erheitert, dass neben dem Vulkanschlot vor sich hin döst, in dem Lindenbrocks Schüssel nach oben fegt (Film, 1959).


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September 1, 2019 Posted by | Leipzig, Medien, Sprache | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und Leipzig liest, läuft, hört, singt, tanzt, feiert, bellt, laust, fickt, trumpt, fällt aus dem Himmel, haut auf die Schnauze….

LVZ, 13.August

Gefühlt bei jeder zweiten Ausgabe wird in Leipzigs Tageszeitung, in der Regel auf der Titelseite, etwas infantil verschleimt Leipzigs Zusammengehörigkeit zelebriert.
Also Montag-Mittwoch-Freitag-Sonntag.
Sonntags erscheint keine Zeitung, dann wird eben schon am Sonnabend zuvor zelebriert.
Also Montag-Mittwoch-Freitag-Sonnabend.

Während der Buchmesse heißt es dann: „Leipzig liest.“

Vor einem Leipzig-Marathon: „Leipzig läuft.“

Während der Hörspieltage oder vor Abläufen am Zooschaufenster und vor dem Alten Rathaus: „Leipzig hört.“

Natürlich geht bei organisierten Massenaktionen auch schon einmal: „Leipzig singt“, „Leipzig tanzt“, „Leipzig feiert“….

Neben meiner Verunsicherung über das beleidigende Defizit der Zeitungs-Schreiber beim Einsatz sprachlicher Möglichkeiten irritiert mich mein Gefühl, auf einer kleinen Lepra-Insel am Rande der Stadt zu verkümmern.

Denn ich lese mitnichten mit zwei Millionen Mitlesern auf der Buchmesse, ich lese in meiner heimatlichen Hütte.

Ich höre gleichfalls nicht mit sieben Millionen Mithörern am Zooschaufenster oder vor dem Alten Rathaus. Oder auf der Wiese in ZOO-Nähe. Mir genügen Konzertsäle und meine heimatliche Hütte.

Ich verweigere ebenso die Teilnahme an der Bewältigung marathonähnlicher Strecken über Leipzigs Asphalt, gemeinsam mit elf Millionen Mitläufern, ich laufe im Bärlauch-Schleier durch Leipzigs nordische Wälder.

Ich singe auch nicht mit Heerscharen von Mitsängern, tanze nicht mit Heerscharen von Mittänzern, feiere nicht mit Heerscharen von Mitfeierlingen…

Ich bitte Leipzigs Journalisten, meinen Aussätzigen-Status zu beachten.

Also „Leipzig liest, außer Jürgen“, Leipzig läuft, außer Jürgen“, Leipzig hört, außer Jürgen.“
Würde ich so akzeptieren.

Bei der aktuellen Ankündigung der Aktivitäten, die „Leipzig“ so im Schilde führt, lässt mich die mangelnde Harmonie zwischen Bildinhalt und dessen journalistische Kommentierung etwas stutzen (s.o.).

Ich habe das mathematische Verständnis eines Feldhamsters und mich Ende der 60er Jahre gerade so mit letzter Wucht und kurz vor dem Koma durch das Mathe-Abitur geschoben.
Ein Antrag, mich als Carl Friedrich Gauß von Gohlis bezeichnen zu dürfen, würde wohl nicht die Zustimmungsmehrheit erhalten, schon gar nicht bei meinen noch lebenden Mathelehrern

Aber trotzdem beharre ich gnadenlos auf meinem Zählungsergebnis von sieben Surfern (s.o.), vielleicht etwas dürftig für ein Leipziger Massenereignis unter der markigen Ankündigung „Leipzig surft los“.
Außerdem bestreite ich die Notwendigkeit des Einsatzes von „los“ bei „Leipzig surft los“.
Ein reduziertes „Leipzig surft“ wäre ausreichend, „Leipzig surft los“ klingt einfach nur beknackt.
Ein Gespür für sprachlichen Feinsinn haben diese Zeitungshersteller, das stinkt nicht nur zum Himmel, das stinkt bis in die übernächste Galaxis.

Aber sicher werden sich bald neue Möglichkeiten ergeben, die unzerstörbare Verbundenheit Leipziger Bürger und Bürgerinnen auf dem Titelblatt ihrer Tageszeitung auch journalistisch zu dokumentieren.

Vielleicht in Bälde bei einer volkstümlichen Fallschirmsprung-Performance.
„Leipzig fällt vom Himmel“, klingt doch spannend.

Oder „Leipzig bellt“ für eine niedliche Hundeausstellung.
Als Alternative könnte man „Leipzig laust sich“ erwägen.

Oder bei Boxkämpfen für die ganz Kleinen auf Leipzigs Zentral-Markt wäre doch ein „Leipzig haut sich auf die Schnauze“ eine angemessene Losung.

Und natürlich „Leipzig fickt“ als Slogan der Vorfreude für eine Erotikmesse.

Aber besonders erfreut wäre ich über den Besuch des aktuellen Präsidenten der Vereinigten Staaten in Leipzig, der entzückt an der sozialdemokratischen Tür des Lipinski-Hauses in der Rosa-Luxemburg-Straße leckt, umringt von Leipzigs gesamter Bevölkerung.
Nur Jürgen wäre abwesend und die Leipziger Edelgazette könnte titeln: „Leipzig trumpt, außer Jürgen.“

Musik des Tages

Nach all diesen Lesereien, Laufereien, Hörereien, Singereien, Tanzereien, Feiereien, Bellereien, Lausereien, Fickereien, aus dem Himmelfallereien, auf die Schnauzehauereien….wäre ein Rückzug in die Individualität mit Amon Düül II auf der Kiste eine angemessene Reaktion.

„Yeti“
„Tanz der Lemminge“
„Carnival in Babylon“
„Wolf City“

Aus den Jahren 1970-73, die große Zeit von Amon Düül II.

Ich bevorzuge „Yeti“, da quiekt, quäkt, dröhnt, scheppert es so wundervoll.


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August 16, 2019 Posted by | Leipzig, Medien, Musik, Sprache | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, die Nervungen der Woche und Patriarchats-Ausbrüche, militante Radfahrer, große Truthahn-Eier, Netzhaut-Scharlach, Etagen-Bespielungen, Hingucker, krachende Niederlagen, Ligeti, Nancarrow, Bette Midler…alles ein Stück weit

LVZ, 13./14.7. 2019

Ein vierzehnjähriges Mädchen möchte aus dem Patriarchat ausbrechen.
Ganz schön kernig, die junge Frau.

Ich habe ja mitnichten etwas gegen gegen spätkindliche Rebellions-Bedürfnisse, gegen frühjugendliche Umwälzungs-Positionen.
Und Herrschaftsformen, ob Patriarchat oder Matriarchat, überhaupt alle „Herrschaftsformen“, sind mir weitgehend zuwider.
Auch z.B. die sich anbahnende Herrschaft der militanten Radfahrer.
Mir scheint es, dass ich als konsequenter Fußgänger zukünftig ohnehin erst die Radfahrer fragen muss, ob ich heute…morgen…übermorgen auf der Straße geduldet werde.
Und eine stabile Furcht, dass mir Radlenker von hinten die Nieren zertrümmern, beunruhigt mich ohnehin dauerhaft.

Ähnlich zuwider wie Herrschaftsformen mit überbordener Machtausübung quält mich die Art und Weise, wie dümmlich doktrinäre Politiker, Journalisten, Pädagogen… z.B ihren Mitmenschen in pubertären Lebens-Etappen eine derartige Parolen-Sprache aufdrängen (s.o.), das ist Kinderschändung mit sprachlichen Mitteln.

Denn man muss vermuten, dass die Verarbeitungsqualität z.B. soziologisch-politischer Themen in diesem Alter noch recht rudimentär abläuft und daß mit diesem Lärm-Vokabular, dessen lächerlich kämpferischer Einsatz in Europa im Grunde keine Berechtigung mehr besitzt, schon frühzeitig simple Denkungsarten anerzogen werden.
Sicher gibt es auch in Deutschland noch Defizite bei der Sicht auf eine uneingeschränkte Gleichwertigkeit der Geschlechter.
Aber ein Patriarchat?
Und die Wollust, vierzehnjährige Mitbürger deshalb zu dem Ausbruch aus einem „Patriarchat“ zu animieren, widerspiegelt grob-einfältige Denkmuster.

Nicht minder irritiert mich der Versuch, kausale Zusammenhänge zwischen der Beseitigung eines Patriarchats und der Verbesserung des Klimas zu konstruieren.
Das ist infantilster Populismus, wie er in öffentlich-deutschen Diskussionsrunden anderen Ländern, auch auf anderen Kontinenten zugeordnet wird.

Ich könnte mir dann z.B. vorstellen, daß nach der Beseitung eines Matriarchats sich vielleicht nicht das Klima ändert, aber die Truthähne größere Eier legen.

Jeder lesende und hörende Mensch mit sprachästhetischer Veranlagung hat doch sein Abneigungs-Vokabular, welches zu Netzhaut-Scharlach führen könnte.

Hinweise in Ausstellungskritiken wie „…der Künstler X bespielt die erste Etage des Museums…“ zählt u.a. zu meinen Netzhautscharlachkatalysatoren.
Der Künstler bespielt eine Etage…, das ist die sprachliche Hölle, sofort die Ausstellungskritikerlizenz entziehen.

Eine „Kritik“ vor einigen Tages in Leipzigs Zeitung erhöhte das Qualpotential.
Denn hier bespielt nicht irgendein Künstler irgendwas, sondern „Nicht allein Galerie und Festsaal werden bespielt, sondern Räume in sämtlichen Etagen.“
Da wird selbst der Spieler weggelassen.
Zustände sind das.

Auch der sprachliche Einsatz von „Hingucker“ könnte meine Bereitschaft zu Flatulenzen erhöhen.

„Das Bild von Michael Triegel ist natürlich ein echter Hingucker.“
Oder so ähnlich.

Abgesehen davon dass ich zu Triegels Bildern mitnichten hingucke, sondern mit geschlossenen Augen in Bolt-Manier an den paar Metern vorbeischleudere, nervt mich diese lästige Folklore-Zelebrierung.

Außerdem scheitert man heute nicht einfach mal so oder verliert einfach ebenso.
Keineswegs. Heute wird nur noch krachend verloren und krachend gescheitert.

XY ist bei der Abstimmung im Parlament krachend gescheitert.
Die Mannschaft aus YZ hat im Viertelfinale krachend verloren.

Ein Grauen.

Die Kanzlerin nutzte vor einiger Zeit im Zusammenhang mit Trumps Politik-Originalitäten die Formulierung „Ein Stück weit“.
Seitdem ist unser Land nur noch aus weiten Stücken zusammengesetzt.

Vor ein paar Tagen musste ich innerhalb eines Gesprächs mit einem FDP-Verkehrspolitiker im Deutschlandfunk den Einsatz dieser Floskel etwa 15-18 mal ertragen innerhalb von 8-10 Minuten, das ist eine akustische Tortur.
Danach wechselte ich aber ein Stück weit den Sender.

Obendrein verliert die Sprache schleichend ihre Verhältnismäßigkeit,
Selbst „Die Zeit“ unterstützt diesen Abstieg.

Im Inhaltsverzeichnis der letzten Ausgabe ist dann Michael Jürgs ein Ausnahmejournalist, Greta Thunberg die faszinierendste Figur dieser Tage, Artur Brauner ein genialer Produzent, Francois-Xaver Roth ein Stardirigent, Seymmour Hersh ein legendärer Enthüllungsreporter….

Doch „historisch“, „legendär“, „heldisch“, „ikonisch“ ist inzwischen ohnehin alles, jede Flatulenz, jede Efflation, selbst eines Feldhamsters.

Man sollte einfach nur noch die legendäre Kirche im Dorf lassen.

Dabei malträtiert mich weniger die Verwendung dieser einfältigen Sprache, eher die ständigen Wiederholungen, das permanente Nachgeplärre durch untalentierte Journalisten, Politiker…

Musik der Woche

I. Kammermusik von Györgi Ligeti, z.B. die beiden Streichquartette, ich glaube, er hat nur zwei geschrieben (s.o.).

II. Kammermusik von Conlon Nancarrow, unbedingt auch die Musik für Pianola (Player Piano), s.o.
Ligeti aktivierte in Europa das Interesse für Nancarrows Musik.

III.Bette Midler, Live-Auftritt (1984) mit dem Rolling Stones-Song „Beast of Burden“ („Some Girl“, 1978)
Dadurch werden auch in der alternden Gesellschaftsschicht männliche Zuschnitts mögliche Erektionsverkrampfungen gelöst.
Aber auch ohne die Beseitigung von Erektions-Verstopfungen ist dieser Titel unbedingt hörenswert (auch mit Mick Jagger).

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Juli 18, 2019 Posted by | Leipzig, Medien, Sprache, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar