Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, die Jahre 1968 und 2018, meine selige Großmutter, Chris Doerk neben den Greifensteinen, Wolfgang Lippert auf Rügen und ein knalliger, quietschlebendiger, putzmunterer Journalist

Von meiner seligen Großmutter über die Grenze geschmuggelt, 70/80er Jahre

Wie oben

1968
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„Beggars Banquet“ der Rolling Stones wurde veröffentlicht, gleichfalls „Electric Ladyland“ von Jimi Hendrix, Zappa gönnte sich „Lumpy Gravy“, Deep Purple ihre erste Scheibe und die Beatles stellten „Das Weiße Album“ zusammen.

Cream mit „Sunshine of Your Love“, Steppenwolfs „Born to Be Wild“, Vanilla Fudge mit ihrer Version des Supremes-Titels „You Keep Me Hanging´On“, Sly and the Family Stone mit „Dance to the Music“, die Chambers Brothers und „Time Has Come Today“…… besetzten die Hitpraden Westeuropas und der USA.
Wir rüttelten uns an Kofferradios durch Mittel-u.Kurzwelle.

Amiga, DDR, 80er Jahre

Rolling Stones, „Beggars Banquet“.
Neben „Exile on Main Street“ ihre beste Platte.

1968
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Wir hörten von Filmen wie „2001:Odyssee im Weltraum“, „Spiel mir das Lied vom Tod“, „Die Nacht der lebenden Toten“, „Rosemarys Baby“, „Die Stunde des Wolfs“, „Schande“, wir erfuhren von Kubrick, Leone, Romero, Polanski, Bergmann und wollten deren Filme sehen.
Konnten wir aber nicht, denn wir lebten in der DDR.

1968
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Wir verfolgten im Westradio die studentischen Unruhen und wären gern dabeigewesen.
Konnten wir aber nicht, denn wir lebten in der DDR.

1968
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Und dann gab es noch 1968 „Heisser Sommer“, den DEFA-Film der DDR mit Chris Doerk und Frank Schöbel.
Hätten wir sehen können, denn wir lebten in der DDR.
Wollten wir aber nicht.

Denn ich kenne niemanden meiner Generation, der dieses spätpubertäre Geilheitsgeröhre mit Samenstau und Erektionshemmungen gesehen und gehört hat.
1968 bot man in den ostdeutschen Kinos immerhin „Junge Dornen“ mit Sidney Portier, Lulu und den Mindbenders an, ein Jahr darauf „Privileg“ mit Paul Jones, der frühe Sänger der Manfred-Mann-Truppe.
Am Beginn der 70er Jahre dann „Blutige Erdbeeren“.
Die einfältigen Kulturfunktionäre wollten uns die Verruchtheit des „faulenden“ Kapitalismus vorführen.
Doch wir sahen das anders, wir sahen für ein paar Stunden in die Freiheit und das gesamte Kino stimmte in „Blutige Erdbeeren“ bei „Give Peace a Chance“ und Thunderclap Newmans „Something in the Air“ ein.

Ich quälte mich einige Jahrzehnte später durch „Heisser Sommer“, aus cineastischem Interesse.
Das blanke Grauen.

Innerhalb der kulturellen Berichterstattung der Leipziger Tageszeitung wurde nun am vorgestrigen Dienstag an dominanter Stelle und mit Euphorie auf die Musical-Version von „Heisser Sommer“ auf der Waldbühne an den Greifensteinen (Erzgebirge) hingewiesen.

Ich war irritiert, zumal am Wochenende zuvor im gleichen Blatt und an ähnlich bevorzugter Stelle ein Interview mit Wolfgang Lippert ausgebreitet wurde, der über seine Rolle in Ralswiek (Rügen) laberte und seine Meinung zur Weltlage abödete.
Genau das wollte ich nicht wissen.

Meine Irritation formte sich deshalb recht heftig, weil mit „Heisser Sommer“ und Wolfgang Lippert zwei Ereignisse von fast bedrohlicher Banalität aus üblen DDR-Zeiten zelebriert wurden.

Und als der Autor dann noch über „Heißer Sommer“ einfältige Formulierungen wie „Echter Knaller“, „Quietschlebendiges Filmmusical“ und „Putzmunterer Drive“ abquasselte, konnte ich eine etwas angewiderte Grundemotion nicht unterdrücken.
Er schrieb auch von Defa-Kultfilm.
Wie gesagt, mir ist niemand bekannt, der diese Leinwandgurke gesehen hat.

Der Schreiber lärmt von einem ersten Knaller und einem zweiten Knaller auf der Bühne an den Greifensteinen.
Dem ersten Knaller, „Ronja Räubertochter“, folgte nun „Heißer Sommer“ als zweiter Knaller.
Eine Anmaßung, Astrid Lindgren mit diesem Natschinski-Geträllere auf einer journalistischen Zeile zu vereinigen.

Ein Höhepunkt des Abends scheint die leibhaftige Erscheinung Chris Doerks auf der Bühne gewesen zu sein
Bei deren Auftritt verdunkelten sich schon bei mir vor fünfzig Jahren alle Bildschirme und Radio-Skalen.

Und dann gelingt dem Verfasser im Abschluss-Satz noch eine feine, intellektuell hochwertige Nuance.
„Mit „Heißer Sommer“ wird der Theatersommer so richtig heiß“
Wahrhaftig, eine erlesene Intuition.

Außerdem denke ich über die Tatsache nach, dass in diesen Tagen über Lippert, Doerk, Schöbel geschrieben wird, tausend affige Quiz-Sendungen, fünftausend Serien, zehntausend Koch-Aktionen, fünfzehntausend Kriminalfilm-Wiederholungen….. über die heimischen Bildschirme dröhnen, ich aber bisher auf allen Programmen keinen einzigen Film Ingmar Bergmanns zu dessen 100. Geburtstag zur Kenntnis nehmen durfte.
Finde ich bedenklich.


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Juli 26, 2018 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und vier verstreute Zumutungen

Tulln, Egon-Schiele-Denkmal, 2015

Tulln, Schiele-Museum, 2015

Tulln, Schiele-Museum, Eingang, 2015
Durch die linke Türscheibe sieht man etwas diffus eines der bekanntesten Porträtfotos Schieles.

Erste verstreute Zumutung
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Vor wenigen Tagen öffnete in der Görlitzer Stadthalle die Ausstellung „Mythos Europa“ mit Malerei und Zeichnungen von Antoinette, in denen u.a „fabelhafte Wesen“ und „mythische Tierwelten“ sich in das Format einordnen.
Und alles im „Stil von Egon Schiele und Goya“.

Die hervorgehobenen Wortgruppen sind Zitate, die in verschiedenen Veröffentlichungen nachgelabert werden.

Es gehört natürlich nicht zur Sache, zumindest nicht in diesen Zusammenhängen, dass mir die Bilder von Antoinette erbarmungslos aufs Gewinde gehen.

Mich irritiert aber die kunsthistorische Taxierung dieser Bilder.
Denn wenn ich qualvoll von der „unverwechselbaren Handschrift“ Antoinettes lesen muss, die aber scheinbar im Stil Schieles und Goyas auf die Fläche gedrückt wird, reduziert sich mein Interesse, dem weiteren Verlauf des Textes zu folgen, doch erheblich.

Schon der Vergleich mit Goya ist ein hanebüchener Unfug.
Sicher hat Goya Bilder mit visionär-mytischer Grundtendenz gemalt.
Ich denke an „Saturn frißt eines seiner Kinder“ oder „Der Koloss“
Um bei Antoinettes Bildern an Goya zu denken, benötigt man aber ein hohes Maß an Unkenntnis.
Aber um die ganze Görlitzer Fehde etwas aufzuwerten, wird „Im Stil Goyas“ abgedröhnt.

Und gerade diesen Werkteil muss man qualitativ auf den unteren Brettern in Goyas OEvre ablegen, „Der Koloss“, so wird aktuell vermutet, sei ohnehin eine etwas dilettantische Arbeit seiner Werkstatt.
Vermutete ich schon lange.

Bei dem markigen Hinweis auf Antoinettes Bilder im „Im Stil Egon Schieles“ fühle ich mich dann auf höchster Ebene unerfreulich belästigt.

Ich habe z.B. in Wien, Tulln, Krumau (Ceský Krumlov) wesentliche Sammlungen mit Arbeiten Schieles gesehen.
Vergleiche, Traditionen, Ähnlichkeiten der Stile zu beschwören, sollte unter einem hohen Quantum Scham berichtigt werden.
Für weitere Erörterungen zu diesen törricht-krampfigen Zuordnungs-Exzessen fehlt mir die Motivation und ich müsste mit Horst Janssen antworten: „Ich muss mich erst einmal auf Euer Niveau herabsaufen“(Oder so ähnlich)

Innerhalb vereinzelter Beiträge wird Antoinette eine gebührende Stellung innerhalb der bedeutendsten Porträtmaler und Porträtmalerinnen in globalen Maßstäben zugewiesen.
Ich vermute, das wäre mir aufgefallen.
Doch fiel es mir bisher mitnichten auf.
Es wäre mir auch nicht entgangen.
Denn mir entgeht nichts bei aktuellen Kunst-Abläufen.

Um diese verwegene Einsortierung Antoinettes in die Elite zeitgenössischer Kunstproduzenten zu unterstreichen, werden dann auch gleich einmal die Hünen der Kunstgeschichte spachlich-journalistisch in deren Nähe platziert, scheinbar Vorläufer Antoinettes.
Mir schwinden die Sinne.
Cranach und Dürer werden genannt, Botticelli, Breughel, della Francesca, Goya, Picasso, Dix, Beckmann, Freud.
Meine Sinne verstärken den Schwindungsprozess.

Auch hier erscheint mir eine weitere Beschäftigung entbehrlich.
Oder ich müsste gleichfalls Janssen folgen (siehe oben), werde ich aber nicht.

Nur irritiert mich die Anwesenheit Breughels auf dieser, inkompetent zusammengeklatschten Liste bemerkenswerter Porträtmaler.

Zunächst müsste man ja ohnehin Pieter Brueghel den Ä. von Pieter Brueghel den J. von Jan Brueghel den Ä. von Jan Brueghel den J. trennen, volksmündlich auch Bauern-B. und Höllen-B. und Blumen/Samt-B. genannt.
Doch diese notwendigen Festlegungen werden durch die Überforderung der Schreiber behindert.

Und keiner aus der Brueghel-Truppe ist auch nur im Ansatz als Porträtmaler hervorgetreten.
Ist ja auch gleichgültig, Brueghel klingt immer gut, kann man überall verwenden.

In einem anderen Text steht geschrieben: „Da scheinen sich Antoinettes Bilder mit Bosch und Picasso zu einem Dreieck zu vereinen.“

Außerordentlich fein analysiert, vielleicht noch mit dem kleinen Trompeter in des Dreiecks Zentrum.
Ich falle vom Stuhl.

Zweite verstreute Zumutung
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„Neben einer ganzen Reihe von Werken, bei denen die Künstlerpersönlichkeiten sich selbst und ihre Arbeitsmöglichkeiten reflektieren,…
(LVZ, 16.Juli 2018)

Als ich vor dreißig Jahren erstmalig versuchte, den unerträglichen Qualitäts-Standart der Ausstellungskritik in Leipzigs Tageszeitung zu heben, grollte schon der Umbruch innerhalb der Stadtmauer.
Doch die alten, gefühlt 105jährigen Kultur-Frettchen bestimmten immer noch Inhalt und Form des Blattes.
Obwohl ich dann z.B. neutral und unaufgeregt von „Künstlern“ schrieb, las ich dann im gedruckten Ergebnis „Künstlerpersönlichkeiten“, vermutlich auch noch „sozialistische Künstlerpersönlichkeiten.“
Danach prüfte ich die Möglichkeiten, das Verlagshaus mit Kettensäge zu besuchen.
Und vor einigen Tagen musste ich diese Sack-Formulierung erneut lesen (siehe oben).

Den Namen des Text-Autors habe ich vergessen, recht so.

Allein dieser Halbsatz motiviert zum Weiterblättern.

Die Künsterpersönlichkeit reflektiert sich selbst.
Was den sonst, Sie Journalistenpersönlichkeit

Es häufen sich die Texte in allen Medien, bei denen, wenn man die Luft rauslässt, nicht mal ein Semikolon übrig bleibt.

Dritte verstreute Zumutung
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Es gab ja auch in der DDR eine erkleckliche Reihe politisch motivierter Wunderwerke sprachlich journalistischer Ausprägung.
Willy Brandt wurde als Berliner Bürgermeister während der 50/60er Jahre mitunter als Willy Brand(t)stifter gekennzeichnet.
Auch an dem Wunsch „Wir wollen Sonne und nicht Reagan“ wurde hart gearbeitet.
Der sprachliche Weg von Trump zu Trumpel (siehe oben) erscheint mir von etwas schlichter Grundstruktur, wird von seinem Schöpfer trotzdem einige Nächte der Mühsal gefordert haben und ich vermute, er berührte die Grenzen von dessen intellektueller Belastbarkeit.

Vierte verstreute Zumutung
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Innerhalb eines Gesprächs fragt die Reporterin eine Politikwissenschaftlerin, ob Trump und Putin nun Freunde oder Feinde sind (Vor deren Treffen).

Ich denke dabei an meine Existenz als Viertklässler am Beginn der 60er Jahre, als Jochen aus der Slevogtstraße zu mir kam und fragte, ob ich nun sein Freund oder sein Feind sei. Und wenn ich sein Feind sei, würde er zu Siegfried in der Unteren Blücherstraße gehen, der nähmlich zu ihm gesagt hätte, dass er gern sein Freund wäre.
Ich sagte zu Jochen, dass ich natürlich sein Freund bleiben möchte, obwohl Dieter aus der Faradaystraße auch mein Freund, aber Dein Feind ist. Darauf sagte Jochen, dass…..

Diese tägliche Infantilisierung bereitet mir Kummer.


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Juli 21, 2018 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, dümmliche Fragen in Klagenfurt und vor Sprungschanzen, Form und Inhalt in Klagenfurt, Diskrepanzen zwischen Gohlis und Klagenfurt, Papageien in Klagenfurt und ein Streichquartett von Lutoslawski

Standort der Lesungen zum Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt (Kärnten) mit einem lässig entspannten Touristen aus Leipzig/Gohlis (Deutschland), Mai 2017

Während einer Mittagspause innerhalb des gestern beendeten Lese-Contests um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt fragte eine auffällig unbegabte Mitarbeiterin einen Musiker, der vor einigen Jahren selbst an dieser Veranstaltung teilnahm, Romane schreibt, aber auch eigene Lieder vorträgt, ob es Unterschiede beim Schreiben von Liedtexten und Romanen gibt.
Ich habe die Anwort nicht abgewartet und meinen Bildschirm mit einem resoluten Knopfdruck verdunkelt.
Ich glaubte auch, die Dröhnung gehört zu haben, als sich Ingeborg Bachmann im Grab umdrehte.
Da hätte man ja auch Michelangelo fragen können, ob in den Arbeitsstrukturen bei der Fertigung locker gezeichneter Skizzen und der flächenfüllenden Bemalung einer sixtinischen Kapelle Unterschiede auftreten können.
Ich vermute, der Mann aus Caprese hätte dem Fragesteller seinen Hochrenaissance-Pinsel in die Nase gedrückt.

Überhaupt peinigt mich diese Hysterie der Sender, vor und zwischen und nach den eigentlichen Ereignissen irgendwelches Endlos-Gelaber von höchster Entbehrlichkeit anbieten zu müssen.
Soeben in Klagenfurt und aktuell in Russland.
Besonders prägnant und belästigend empfinde ich diese Abläufe z.B bei Skisprung-Übertragungen, in denen mindestens jeder deutsche Teilnehmer vor das Mikrofon gepeitscht wird.
Und dann folgt z.B. eine derartige Frage: „Freuen Sie sich, dass Sie nach dem 102-Meter-Sprung im ersten Durchgang jetzt 134 Meter gesprungen sind.“
Vielleicht sagt mal einer: „Mitnichten freue ich mich, ich wollte 819m springen, du Knalltüte.“

Über die Qualität der Lesungen, über Autoren und Jury in Klagenfurt werde ich mich nicht äußern.
Ich muss in mich gehen, mich sorfältig überprüfen, denn ich stand weitgehend diametral den dominierenden Jury-Urteilen gegenüber.

Die Gründe haben sich mir aber schon erschlossen.
Obwohl Hubert Winkels in seiner Abschlussrede die Meinung vertrat, dass die Jury des Jahrgangs 2018 sich besonders auf das sprachliche Vermögen der Autoren konzentrierte und die inhaltliche Linien weitgehend vernachlässigte, habe ich an diesen drei Tagen genau das Gegenteil erfahren.

Da wurde über die familiären Zusammenhänge von Mutter 1-4 debattiert, über inhaltliche „Räuberpistolen“ und die Möglichkeit, ob der Solinger Anschlag von Ende Mai 1993 nachgezeichnet wurde. Man lobte oder kritisierte inhaltliche Sprünge und verständigte sich über fehlende Angaben zu Berufen der Akteure und nörgelte, das man ohnehin zu wenig über die Personen erfahren hätte.
Über den Einsatz sprachlicher Mittel, meinetwegen auch nur über die Schönheit der Sprache, über Metaphern und überraschende, auch groteske, lyrisch, surreale Bilder, also einfach nur über die Frage, wie ein Inhalt sprachlich gemeistert wurde, legte sich überwiegend eine desinteressierte Behäbigkeit.

Der Grund einer Beurteilungs-Diskrepanz zwischen der Klagenfurter Jury und dem Leipzig/Gohliser Jürgen war ständig hörbar.
Denn es gab sie nicht, diese sprachlichen Mittel.
Und wenige, meißt unerträgliche Versuche wie „Sie bekam ihre Tage wie ein Vulkan auf einen fernen Planeten“ übergingen die Juroren.
So wurde z.B. auch ein stiller Verweis von Hildegard Keller auf grammatikalische Mängel innerhalb eines Textes ebenso still von der Rest-Jury ignoriert.

Juror Klaus Kastberger begeisterte das „Bild“ von den Pferden, deren Augen ausgestochen wurden, weil sie nur blind als Arbeitstier in das Bergwerk gehen.
Doch wird hier kein literarisches Bild angeboten, diese Abläufe waren Realität.

Ich erinnere mich dabei an die Formalismusdebatte gerade in Leipzig am Beginn der 50er Jahre, bei der mit einer stupiden, ideologisch festgezurrten Gnadenlosigkeit das Primat des Inhalts gefeiert wurde.
Der klassenkämpferische Schweißtropfen auf des Bergmanns Stirn musste funkeln.
Die Qualität der Ausführung war nebensächlich, nur realistisch musste alles sein und abstraktem Expressionismus, Tachismus, lyrischer Abstraktion, konkreter Kunst…des „Westens“ prophzeite man als menschenverachtendes Teufelsgebräu den baldigen Untergang.

Ein Vergleich der Klagefurter Lesungen mit derartigen Exzessen wäre natürlich hochgradig albern.
Doch bei unverkrampften Grübeleien über die Polarität meiner und der Juroren Urteil über die schriftstelleriche Fähigkeit von vierzehn Autoren in Klagenfurt dachte ich an diese Ereignisse.
Und an die Mechanismen dieser Preisvergabe, an Unabhängigkeit und Kompetenz der Jury.

Klagenfurt, Stadtzentrum, Mai 2017

Klagenfurt, Dom, Mai 2017

Meldung des Tages

Einige Löwen haben vermutlich drei menschliche Nashorntöter als Nahrungsmittel gewählt.
Weiterhin guten Appetit, ihr schönen und wichtigen Tiere.
Und allen, die Körpermaterial dieser gleichfals schönen und wichtigen Horntiere dazu nutzen wollen, um die schleimige Attraktivität ihrer Schritt-Sülze zu erhöhen, soll ihre Nudel nach Einnahme dieser Substanz im Klobecken zwischen ihre Notdurft fallen und heruntergespült werden.
So wahr mir Gott helfe.

Musik des Tages

Witold Lutoslawski, Streichquartett, scheinbar sein einziges.
Überragend.



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Juli 9, 2018 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar