Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, Eric Clapton, Derek and the Dominos, filigrane Musik, Yardbirds in der Musikgeschichte, gärendes Regenwasser, der Phallus von Blind Faith, ein Bier mit Steve Winwood, akustische Orgasmen, Duane Allman, Oscar Wildes Rose und mit Roger Whittaker ins Schlafzimmer

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Meine Musikempfehlung der Woche

Derek and the Dominos und „Layla and other assorted love songs.“

Eric Clapton

Über die Entstehung dieser Scheibe und über Feinheiten zu Clapton kann man sich in angemessener Fülle anderweitig informieren.

Clapton agierte ja zunächst einige Monate als frühes Mitglied bei den Yardbirds, gemeinsam mit Jeff Beck (1963-65).
Den Yardbirds sollte ohnehin ohne Wankelmut der Status eines Höhepunktes in der Rockgeschichte zugebilligt werden.
Am Beginn der achtziger Jahre hatte meine Lebensgefährtin die Möglichkeit, sich eine Schallplatte aus dem „Westen“zu wünschen.
Ich bedrängte sie in gewohnt lästiger Manier, eine Scheibe der Yardbirds zu wählen, schon überzeugt davon, dass Sie diese Musik mit arg überschaubarer Ekstase begrüßen wird.
Ich webte dabei schon an der üblen Strategie eines bösartigen Krämers, durch einen Tausch die Musik der Yardbirds in mein Plattenrepertoire einordnen zu können.
Mein Plan formte sich exakt zur Realität und ich erhielt nach souveräner Kalkulation meine Wunschscheibe durch einen Tausch mit dem weichen Gegröle Art Garfunkels.
Zu brisanten Kollisionen hat meine Unverschämtheit aber nicht geführt. Wir begrüßen uns immer noch am Morgen mit entwicklungsbedingten Knautschgesichtern, aber leuchtenden Augen und teilen uns am Abend die Spiegeleier

Bei Musik hatte damals nicht die Liebe aufgehört, ich ging aber mitunter etwas gewöhnungsbedürftige Wege. Doch in diesem Infantil-Land DDR gab es nichts. Wenn andere um Fliesen und Auto-Ersatzteile kämpften, wählte ich eben Schallplatten und Bücher zu meinen Streitobjekten.

Ich hatte diese Schwarzrille Garfunkels im Leipziger Intershop käuflich erworben, allerdings ohne überbordende Freude und flugs im Nebenregal für Tauschobjekte einsortiert.
Paul Simons Oeuvre ist z.B unvergleichlich gehaltvoller als das Angebot seines ehemaligen Duettpartners, wobei „Graceland“ von 1986 natürlich als Edelprodukt auf der Abspielpiste rotiert.

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Cover zu „Layla and other assorted love songs“

Eric Clapton gründete dann nach seiner Teilnahme bei den Yardbirds die dreiköpfige Formation Cream. Was in nur kurzer Zeit aus diesen drei Köpfen, Händen und Füßen entspross, ist fest zementierte Musikgeschichte (1966-68).
Weiter ging es mit Clapton und Blind Faith, die mit ihrer einzigen Platte eine kostbare Blüte filigraner Musikkultur lieferten (1969),u.a. mit dem vortrefflichen Steve Winwood, einer der brillantesten Matadoren, den ich an bevorzugter Stelle in einer Liste mit Zeitgenossen plazieren würde, mit denen ich gern ein Bier tränke, oder ein Fass. Er müsste mir am Tresen dann zumindest „Gimme Some Lovin“ vorsingen.
Ich erjagte „Blind Faith“ nach harten Kämpfen mit überragend rhetorischen Leistungen vor etwa fünfunddreißig Jahren für einhundertundzwanzig blöde Mark der DDR.
Ich musste dann für einige Wochen mein Nahrungsangebot wegen mangelnder Zahlungsmittel auf unreife Preiselbeeren und gärendes Regenwasser reduzieren. Medikamente für die Regelung der Konsistenz meines Stuhlgangs erhielt ich dann kostenlos.

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Cover zur einzigen Platte von Blind Faith

Durfte in den USA in dieser Ausführung nicht erscheinen und wurde durch ein simples Gruppenporträt ersetzt.
Man vermutete eine phallische Symbolik

Im Dezember 1970 beschenkte dann Eric Clapton den gebildeten Musikfreund mit der Gründung von Derek and the Dominos und bald mit „Layla and other assorted love songs“.
Sicherlich könnte man missgünstig und sprachlich einfältig herumöden, dass diese Songs als musikalisch-vergilbter Schnee von gestern nur noch vor sich hin verrotten, nur noch als kalter Kaffee abriechen. Doch kann ich mir zur Zeit ganze Fässer dieser Brühe einschenken, denn sie ist noch immer wahrhaft bekömmlich.

Neben Clapton „zupft“ auch Duane Allman an der Gitarre.
Schon bei dieser Vorstellung werden sich bei dem gemeinen Freak dieses Saiteninstruments akustische Orgasmen im Hörzentrum ankündigen.
Clapton und seine Begleiter spielen und singen sich die Seele aus dem Leib. Die Kenntnis über die eigenen Fähigkeiten und ein stabiles Selbstbewusstsein dröhnen aus allen Noten, welche gesungen oder instrumentiert die Sauerstoffmoleküle verdoppeln und Quarks zerteilen können.

Selbst meinen Körper, in sechzig Jahren Leben gereift und geformt, kann diese Musik zu Besorgnis erregenden Entgleisungen treiben. Bei Titeln wie „Keep on growing“, „Anyday“, „Tell the Truth“ oder „Little wing“ spreizen sich meine Ohrläppchen und die reichhaltige Dosis Blues auf dieser Einspielung sammelt sich in meiner Cardia wie das Blut der Nachtigall in Oscar Wildes Rose.
Die Lautstärke sollte großzügig gewählt werden. Zurückhaltung kann man dann bei dem Gewimmer Annett Louisans zelebrieren. Den Phonregler also bis zum Anschlag.
Nörgelnde Nachbarn werden dann mit einer CD Roger Whittakers und einer Flasche Malzbier ins Schlafzimmer gepeitscht.

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Juni 24, 2011 Posted by | Leipzig, Musik | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, das Leipziger Wave-Gotik-Treffen, Infantil-Prosa, Zyklon B, Fischbrötchen, Polyphem, keimige Neubau-Brigaden, Kartoffelsalat auf der Bildröhre, bepisste Trainingshosen und der Intellekt von Kartoffel-Eidechsen


Wave-Gotik-Erscheinungen mit meiner Lieblingsausrüstung.

Früher lief diese Session schwarzfiguriger oder rotfiguriger Gesamtkunstwerke (gemäß der Differenzierung des Kolorits griechischer Antikvasen) unter Wave-Gothic, später dann Wave-Gotik. Natürlich gibt es auch andere Farben, z.B. Grün.
Über die theoretischen Grundlagen mancher Veränderungen wie Sprache, Kleidung, Musik, verfüge ich nicht.
Ich erinnere mich aber mit erhöhter Deutlichkeit an volkstümliche bis Ekel erregende Sprüche des Leipziger Publikums am Beginn der 90er Jahre.
Man musste sich dann in Leipzigs Zentrum durch eine Infantil-Prosa quälen, wie: „Die sollen erst mal richtig arbeiten“ oder „Ab ins Arbeitslager“ oder „Früher hat man mit Solchen kurzen Prozess gemacht“, u.s.w. Es endete dann bei Vorschlägen für eine Behandlung mit Zyklon B.
Derartige Unerträglichkeiten, abwertend-höhnische Reaktionen und die Gewissheit der eigenen Überlegenheit sind weitgehend überwunden.
Leipzig zelebriert das Fest und die Freude ist übergreifend, Gott sei Dank.
Wegen mir könnte hier die ganze Welt erscheinen, mit allen Mätzchen und Absonderlichkeiten. Deren Vertreter könnten dabei als Polyphem, Holländer-Michel aus Hauffs Märchen, als Bügelbrett, Fischbrötchen und Cheops-Pyramide auftreten.

Ich erinnere mich gleichzeitig an die Aktionen vor etwa fünfzehn Jahren, ich glaube in Rostock-Lichtenhagen, als keimige Neubaubrigaden sich kurzfristig von ihren keimigen Schrankwand-Neubauwohnungen trennten, die Straßen beschmutzten, abwertende King-Kong-Bewegungen tanzten und „Ausländer raus“ brüllten.
Ich spie das gesamte Angebot meiner vergangenen Mahlzeiten gegen die Bildröhre, einschließlich Restelemente des halbverdauten Kartoffelsalats.
Ich denke dabei besonders an den Herrn mit vollgepisster Trainingshose und schweißigem Turnhemd aus DDR-Armeezeiten, welcher derartig blöd herumkrächzte, seine erlesene Hässlichkeit und seinen Status als Träger der intellektuellen Grundausstattung von Kartoffel-Eidechsen präsentierte.
Und diese Pfeife lamentierte mit: „Ausländer raus!“

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Sicherlich nicht mehr ganz stilecht gegenüber den archaischen Anfängen, dennoch recht ansehnlich

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Gleichfalls

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Juni 13, 2011 Posted by | Kunst, Leipzig, Musik, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, André Derains Wege in die Unerheblichkeit, Fauvismus, Vlaminck und Dufy, Hemingway im Schrank, kunsthistorische Nebenwege, überschätzte Künstler, Jeff Beck in Dresden, Robert Plant in Berlin, ein Konzert mit Ochsen-Vorhaut und schamhaarige Kotzbilder (und nachträglich der Tod Bernhard Heisigs)

——————– Zunächst die Konzerttipps des Monats für den mitteldeutschen Raum.

——————–Jeff Beck in Dresden, Alter Schlachthof, Gothaer Straße 11, am 20.6., 20:00

Vielleicht nun nicht gerade der Wunschort
für ein Konzert. Hoffentlich schlittert
man nicht noch über Reste von Ochsen-Vorhaut

Auch der Besuch Santanas sollte beglücken, Leipziger Arena, 24.6.

Für unsere ruhrländischen Musikfreunde würde ich perspektivisch gern den Auftritt von Bryan Ferry (Roxy Music) in der Dortmunder Westfalenhalle empfehlen, am 1.8.

Und am 3.8 lärmt Robert Plant, der grandiose Schreihals von Led Zeppelin, wundervoll auf der Berliner Zitadelle.

André Derain, Beginn des 20.Jahrhunderts

Derain hätte sich heute über den einhundertundeinunddreißigsten Geburtstag gequält. Sicherlich nicht das klassische Jubiläum für Ovationen, es fehlen die Rundungen. Doch werden in diesem Jahr noch reichlich Gründe angeboten, frohlockenden Applaus zu spenden.
Gustav Mahler haben wir kollektiv bewältigt (Der Eindruck bleibt aber, dass manche Journalisten und Kommentatoren in allen Medien die Musik von Mahler und James Last nicht so recht trennen können, so untergrottig kamen deren Beiträge daher).
Aber Hemingway steht schon im Schrank, gewappnet, Huldigungen zu empfangen, mit festem Griff ums Jagdgewehr.
Es bleiben noch Liszt und Mercury, Miles Davis, Tarkowski, Kleist und Yves Montand. Und natürlich Roy Black. Alle wurden und werden beschenkt mit „runden“ Jubiläen im Jahr 2011.

André Derain, Beginn des 20.Jahrhunderts

Ohne mir die Aura ausufernder Geschäftigkeit zu verleihen, muss ich auf dem Hinweis beharren, dass mir für die Fertigung eines subtilen Porträts von Derain die Minuten nicht zur Verfügung stehen.
Es gibt doch dieses Bonmot, dass viele Menschen ihre Zeit damit verbringen, um zu erklären, sie hätten keine Zeit.
Ich nutze deshalb nur kurz diesen albernen und unrunden Geburtstag, um auf Derain und den Fauvismus zu verweisen, der doch weitgehend auf kunstgeschichtliche Nebenwege abgedrängt wurde (von Matisse abgesehen) und deren Künstler sich nahezu gleichzeitig mit der Dresdner „Brücke“ entschlossen, ergiebige Teile des Publikums zu nerven (1905)

André Derain, später

Derain spielte anfänglich eine einflussreiche Hautrolle innerhalb der Pariser Avantgarde, zog sich aber bald zurück und endete bei neoklassizistischen Entgleisungen.
Die vier Abbildungen zeigen Derains Weg in die Unerheblichkeit. Die deutschen Besatzer pflegten eine freundliche Geselligkeit mit Derain, nach dem Krieg wurde er der Kollaboration verdächtigt.
Er wehrte sich scheinbar auch nicht, einer Einladung von Arno Breker zu folgen, was den Nachkriegszorn auf Derain erheblich verstärkte.
Wobei man unbedingt neben Brekers Folgsamkeit gegenüber den deutschen Besatzern auch seine erfreulichen Reaktionen notieren sollte. So setzte er sich z.B.vehement für die Entlassung Peter Suhrkamps aus einem KZ ein. Außerdem sollte und auch sein hohes künstlerisches Vemögen nicht zur Debatte stehen.
Also eher ein Besuch Brekers als eine Tortur bei Grobklotz Josef Thorak oder bei den widerwärtigen Kotzbildern Paduas und Schamhaar-Zieglers.

André Derain, später

In meiner persönlichen Charts der Fauves platzierte sich Derain aber nie auf vorderen Plätzen. Dazu ist ein Teil seines Oevres zu grausig.
Denn auch Vlaminck, Camoin und selbst Valtat konnten sich in exzellente Höhen empormalen. Und natürlich Dufy mit seiner wundervollen, grafisch strukturierten Leichtigkeit.
Es bliebe dann noch Matisse, der unantastbare Vorsitzende der Fauves, doch für mich neben Munch einer der grandios überschätzten Künstler der jüngeren Kunstgeschichte.

Hier endet mein Hinweis, sich wieder einmal die Fauves zu gönnen.

Nachtrag: Soeben wurde ich informiert, dass Bernhard Heisig gestorben ist. Trotz aller Zwiespältigkeiten im politischen Rahmen zumindest der wichtigste Maler Leipzigs in den Zeiten der verblichenen DDR. Etwas Trauer muss sein.

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Juni 10, 2011 Posted by | Kunst, Leipzig, Musik, Neben Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar