Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, Bernd Alois Zimmermann und Herzog Blaubarts Burg in der Leipziger Oper

Den musikalischen Abschnitt meines heutigen Tages widme ich Bernd Alois Zimmermann, vor einhundert Jahren im westlichen Nordrhein-Westfalen geboren.
Aufführungen in der DDR mit der Musik Zimmermanns sind mir nicht erinnerlich.

Bernd Alois sollte man nicht mit Udo Zimmermann verwechseln, ein Dresdener Komponist, dessen Musik durchaus mit zuverlässiger Kontinuität gegeben wurde.
Seine Opern „Schuhu und die fliegende Prinzessin“, nach Hacks und „Levins Mühle“, nach Bobrowski, hörte ich im Verlauf der 70er Jahre in Dresden.

Zu einem Besuch der Darbietung von Bernd Alois Zimmermanns „Soldaten“ auf einer Opernbühne kann ich mich bisher nicht beglückwünschen.

Meine CD`s können nicht annähernd die Komplexität dieser Musik widergeben.
Filme werden eingesetzt, Lautsprecher auf der Bühne und zwischen den Zuschauern, ein ausuferndes Sänger-Sprecher-Orchester-Aufgebot, eine Jazz-Band…
Musik-Konserven sind besser als nichts, doch eben nur ein mittelmäßiger Ersatz.

Aus Zimmermanns OEvre habe ich neben den „Soldaten“ nur von „Photoptosis“, einem Cello-Konzert und von „Requiem für einen jungen Dichter“ akustisch eine Vorstellung.

Und vielleicht entschließt sich die Leipziger Oper, Zimmermanns „Soldaten“ zu inszenieren.
Entschuldigung, war nur ein Scherz.

Aber immerhin gibt es in Bälde eine Aufführung von Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“, eine einstündige Oper, die vor fast genau einhundert Jahren in Budapest erstmalig gespielt wurde.
Infolge der überschaubaren Länge wird der Abend mit Leoncavallos „Paggliacci“ angereichert (auch „Bajazzo“), gleichfalls mit der Dauer von knapp über einer Stunde.
Die Arie „Lache, Bajazzo“ schluchzt sich auch heute noch bei jedem Wunschprogramm aus den Lautsprechern und kann durchaus auf der Popularitäts-Skala in die Bereiche eingeordnet werden, in denen z.B. Puccinis Siedepunkte aus „Tosca“, „La Boheme“, „Madama Butterfly“ und „Turandot“ unverrückbar festgezurrt sind.

Kommenden Freitag, 23.3., 18 Uhr gibt es dazu in der Oper eine sogenannte „Werkstatt“, die kostenlos besucht werden kann.
Es wird gesungen, gespielt, unterbrochen, Anweisungen erteilt und weitergesungen, weitergespielt…
Sehr interessant.
Es gab schon Werkstätten, in denen die gesamte Oper gespielt wurde, vielleicht war es z.B „Salome“ vor einigen Jahren.
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März 20, 2018 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und Events mit Twombly, de Kooning, Newman, Malewitsch in New York, mit Uccello, Masaccio, Caravaggio in Florenz, mit Orgelmusik in Leipzig, mit einem Buch im Sessel…

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———————————————Ich bitte die Fragensteller um Vergebung-——————————

I

Als das New Yorker Museum of Modern Art 2004 in der Neuen Berliner Nationalgalerie M.v.d. Rohes gastierte, wurde ich nicht selten gefragt:

„Warst Du schon in Berlin zur Moma?“ (Mich nervt diese dämliche Abkürzung)
Ich verneinte.
„Ich denke, Du interessierst Dich für dieses Museum“, wurde dann skeptisch nachgefragt.
„Ja, ich interessiere mich natürlich für dieses Museum, deshalb war ich noch nicht in Berlin zur Gastausstellung des Museums of Modern Art in der Neuen Berliner Nationalgalerie und das wird auch so bleiben.“

Die Gesichter meiner Gesprächspartner widerspiegeln das Gefühl, verspottet zu werden.

II

Nach den Eröffnungsveranstaltungen in der Leipziger Paulinerkirche (Anfang Dezember) wurde ich nicht selten gefragt:

„Warst Du schon in der neuen Paulinerkirche?“
Ich verneinte.
„Ich denke, Du interessierst Dich für Architektur“, wurde dann skeptisch nachgefragt.
„Ja, ich interessiere mich natürlich für Architektur, deshalb war ich noch nicht in der neuen Paulinerkirche.“

Die Gesichter meiner Gesprächspartner widerspiegeln das Gefühl, verspottet zu werden.

III

Wenige Tage vor und während der alljährlichen Leipziger Musik-Aktionen „Classic open“ und „Klassik airleben“ werde ich nicht selten gefragt:

„Gehst Du zu Konzerten im Leipziger Rosental („Klassik airleben“) und auf den Leipziger Marktplatz („Classic open“)?
Ich verneine.
„Ich denke, Du interessierst Dich für Musik“, wird dann skeptisch nachgefragt.
„Ja, ich interessiere mich natürlich für Musik, deshalb gehe ich nicht zu Konzerten ins Leipziger Rosental („Klassik airleben“) oder auf den Leipziger Markt („Classic open“).

Die Gesichter meiner Gesprächspartner widerspiegeln das Gefühl, verspottet zu werden.

IV

Während der alljährlichen Leipziger Buchmesse werde ich nicht selten gefragt:

„Gehst Du auf die Buchmesse und besuchst Du Lesungen?“
Ich verneine.
„Ich denke, Du interessierst Dich für zeitgenössische Literatur“, wird dann skeptisch nachgefragt.
„Ja, ich interessiere mich natürlich für zeitgenössische Literatur, deshalb gehe ich nicht auf die Buchmesse und besuche auch keine Lesungen.“

Die Gesichter meiner Gesprächspartner widerspiegeln das Gefühl, verspottet zu werden.

Begründungen für meine Ignoranz

Zu I
Ich meide weitgehend organisiert auftretende Menschenaufläufe, deren Teilnehmern es gleichgültig ist, ob sie nach dreihundert Metern „Schlangestehen“ vor einer Wühlkiste mit verbilligten Schlüpfern oder vor Bildern aus dem „Museum of Modern Art“ stehen.
Der Weg ist dabei das Event, der spektakuläre New York-Aufkleber auf der New York-Kiste ist entscheidend, nicht der Inhalt.

Ich habe wenige Monate später die Sammlung des New Yorker Museums of Modern Art „vor Ort“ gesehen, zu einer guten Zeit und nicht selten allein in den Räumen.
Allein mit Twombly, de Kooning, Newman, Malewitsch, das ist mein Event.

Meine letzte große Menschenschlange durchlitt ich am Beginn der 90er Jahre in Tübingen zu einer herausragenden Ausstellung mit Bildern Cezannes.

Ich denke, ich bin inzwischen zu einem vorzüglichen Museumbesuchsorganisator gereift. Denn selbst in den Florentiner Uffizien erfreute ich mich an einer weitgehenden Einsamkeit.
Allein in Florenz mit Uccello, Masaccio, Caravaggio,… das ist mein Event.

Cy Twombly, New York, Museum of Modern Art

Willem de Kooning, New York,…

Franz Kline,…,…

Barnett Newman,…,…

Kasimir S. Malewitsch,…,…

Max Beckmann,…,…

Jürgen Henne, New York, Museum of Modern Art, Hof, eher unten, mittig links

Zu II
Ich meide weitgehend Menschenaufläufe vor und unmittelbar nach Eröffnungen, Einweihungen,…öffentlicher Kultur-Areale, die z.B. jede Wahrnehmung architektonischer Räume behindern, die das Zusammenspiel akustischer und optischer Besonderheiten stören und außerdem die Luft-Qualität reduzieren.

Während der mittleren Januartage, etwa sechs Wochen nach der Eröffnung, habe ich das Leipziger Paulinum betreten, allein im Kirchenraum.
Und Orgel wurde gespielt.
Nur für mich, das ist mein Event.

Zu III
Ich meide weitgehend musikalische Veranstaltungen („Klassik airleben“, „Classik open“), die von Verkehrslärm malträtiert werden (Hubschrauber kreisen bei Flötenmusik Debussys über die Konzert-Wiese), die durch den Dampf von Grill-Maschinen meinen Bühnenblick beeinträchtigen, die Konzertbesucher animieren, neben mir über die Neubesetzung des linken Verteidigers bei RB Leipzig zu debattieren, während
mein Hintermann rülpsend sein halbverdautes Bier in meinen Nacken erbricht.
Ich mag auch fremde, quäkende Kinder, aber nicht bei Flötenmusik Debussys.

Zu IV
Ich meide weitgehend, auf der Leipziger Buchmesse eine lesende Position einzunehmen, bei der mir nach wenigen Sekunden durch drängende Menschenaufläufe das Buch aus der Hand geschlagen oder in die Nase getrieben wird.

Mir fehlt jeder Antrieb und jede Fähigkeit, zwischen plärrenden Lautsprecher-Durchsagen, eingekesselt von den Geräuschen mittelmäßiger Lesungen mit unprofessionell eingestellter Akustik und brüllenden Schulklassen, unterlegt mit Temperaturen um 65 Grad, z.B eine Biografie Egon Schieles oder eine Betrachtung zu den Wahrheits-Koordinaten im 19.Jahrhundert zumindest oberflächlich einzuschätzen.

Und außerdem irritieren mich die ständig vorgetragenen Zwischenstände der Messe-Statistik.
Mehr Verlage, mehr Teilnehmer, mehr Austragungsorte.
Besucherzahl, 1.Tag
Besucherzahl, 2.Tag
Besucherzahl, 3.Tag
Besucherzahl, 4.Tag

Etwa 2800 Lesungen mit etwa 3500 Teilnehmern in vier Tagen, in diesem Jahr in Leipzig, mir wird schwindlig
Ich höre und lese nur wenige Worte über die Qualität der Literatur.
Nur Inhaltsangaben oder Inhaltsbeschreibungen.

Und wenn ich das Aufgebot von Autoren in der LVZ-Arena zur Kenntnis nehme, das penetrant in der einzigen Zeitung Leipzigs zelebriert wird, erhält meine Befürchtung von einer Erniedrigung literarischen Anspruchs eine stabile Grundierung.

Außerdem meide ich weitgehend Lesungen, bei denen Besucher mit tiefschürfender Interpretations-Hysterie ihren Kopf zwischen die Knie schieben oder sehnsuchtsvoll in das ewige Universum starren.
Ich setze mich in den heimischen Sessel und lese, das ist mein Event.

Ansonsten bin ich vorschriftsmäßig und lückenlos sozialisiert.
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————————————————–Ich bitte die Fragesteller um Vergebung—————————-
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März 18, 2018 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, ein Baum, ein Radfahrer….. im Rosental

Mein Standort:
Leipzig, Rosental, vor einigen Tagen, morgens gegen 8.15 Uhr.

Die Verleihung eines kleinen Preises für die beiden Bilder würde ich als angemessene Reaktion empfinden.
Vielleicht gibt es eine Jury, die sich folgenden Schwerpunkten widmet (Bild oben):

Gattung: Fotografie
Kategorie: Dilettanten-Fotografie
Genre: Naturfotografie
Abteilung: Natur auf großstädtischem Areal
Sujet: Bäume auf großstädtischem Areal
Untersujet: Bäume im Winter auf großtädischem Areal
Unteruntersujet: Verschneite Bäume im Winter auf großstädtischem Areal
Unterunteruntersujet: Verschneite Linden im Winter auf großstädtischem Areal

Da müsste doch etwas gehen.
Ein Fotoalbum als Preis würde mich freuen.

Zu diesem Bild werde ich keine Einordnungs-Analyse vornehmen.
Aber bei verschneiten Bäumen auf großstädtischem Areal mit nebligen Grundmuster und einem Radfahrer, der sich diffusen Figuren im Hintergrund nähert, müsste gleichfalls etwas gehen.
Ein zweites Fotaalbum als Preis würde mich gleichfalls freuen.


Musik des Tages:

Die besten Songs von Tony Joe White, z.B. „Polk Salad Annie“…
Die besten Songs von Don McLean, z.B. „Vincent“…
Die besten Songs von Paul Simon, z.B. „Graceland“…
Die besten Songs Bob Seger, z.B. „Against the Wind“
Die besten Songs von Jackson Browne, z.B. „Before the Deluge“…

Für mich sicherlich nicht die ganz große Insel-Musik, doch deren beste Songs sind unlöschbar in meinem musikhistorischen Gedächtnis archiviert und für eine klingende Tagesration durchaus geeignet.

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März 10, 2018 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und die Reise ins Überall


LVZ, 5. März, Seite 8.
Vorstellung der Favoriten für den Preis der Leipziger Buchmesse (Belletristik).

„Reisen ins Überall“

Wohin?

Es gibt sprachliche Verrenkungen, da röten sich die Kniekehlen und zeigen sich in meinen Augen die ersten Symptome von Netzhaut-Typhus.
„Reisen ins Überall“ gehört in diese Kategorie.

Diese missratene Melange aus schlicht gesetzten Bedeutungs-Kram, unterlegt mit infantiler Philosophie und lächerlicher Poesie-Bemühung bedrängt mich doch erheblich und verspottet meine intellektuelle Bereitschaft.

Selbst im Rahmen der Schweriner Poeten-Seminare zu finsteren DDR-Zeiten hätte ein derartiger Quark zu einem FDJ-Verfahren auf Grund mangelnden Talents geführt.
Und alle Journalismus-Sektionen dieser Welt, einschließlich auf Kiribati und Tuvalu würden den Verfasser bitten, die Tür von außen zu schließen.

Ich reise ins Überall, also über das All.
Ich könnte auch ins Nirgendwo reisen.
Aber überall ist das Nirgendwo.
Aber auch nirgendwo ist das Überall.
Also wohin denn nun?

Und in der Ewigkeit ist doch ohnehin jedermann im Nirgendwo.
Und im Nirgendwo der Ewigkeit ist doch jedermann irgendwo im Nichts.
Und überhaupt ist jedermann im Nichts der Ewigkeit ohnehin im Nirgendwo.
Und außerdem…..

Es gäbe da viele feine Sachen.

„Über dem Ah-All, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein…“ (Reinhard Henne)

Ich stelle mir vor, ich gehe zu einem Schalter in Leipzigs Hauptbahnhof und bitte um eine Fahrkarte ins Überall.
Die Fahrkartenverkäuferin wird vielleicht zunächst an der Zweckmäßigkeit meiner Kleidungsordnungs zweifeln und mir danach vorschlagen, mit Baikonur oder Cape Canaveral zu telefonieren.

Eine untalentierte Journalistin wollte mich einst, da lebte noch Theoderich, mit einem Vortrag über sogenannte Lasso-Sätze belästigen, die den Leser „einfangen.“
Ich bräuchte bei dieser Überschrift nicht die minimalsten Talente eines Entfesselungs-Künstlers, um mich aus dieser Schlinge zu befreien.

Sicher, es geht um eine regionale Zeitung, weniger um einen Gedichtband.
Doch auch Regional-Blättchen sollten sich um etwas Anspruch bemühen.

„Über dem Ühüh-Überall muss die Freiheit noch grehenhenz-enloser sei-hein…“ (Reinhard Henne)

Ich hoffe nur, das Buch des Preisträgers ist lesbarer als diese Wortgruppe.

Musik des Tages
Chaya Czernowin: „Hidden“ und „adiantum capillus-veneris. maidenhair fern-frauenhaarfarn. etudes in fragility I-III.

Film des Tages
S. Spielberg: „Die Verlegerin“
Meryl Streep und Tom Hanks spielen herausragend.


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März 6, 2018 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar