Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, eine geschlossene Buchhandlung, zehn Bäckereien, Hermann Hesses Schmetterling und „The Death of Klinghofer“.

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Buchhandlung in Leipzig-Gohlis, unweit des Schillerhauses, Bild I

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Buchhandlung in Leipzig-Gohlis, unweit des Schillerhauses, seit Montag geschlossen, Bild II, Detail

Jetzt gibt es noch eine Buchhandlung, die ich ohne Beschwerden und zu Fuß erreichen kann.

Dagegen kann ich sechs Bäckereien ohne Beschwerden und zu Fuß bewältigen.

Und 2x Rewe, mit Bäckereien.
Also 8 Bäckereien.
Und 1x Kaufland, mit Bäckerei.
Also 9 Bäckereien.
Und 1x Hit, mit Bäckerei
Also 10 Bäckereien, ohne Beschwerde und zu Fuß.
Also innerhalb einer Fläche von 400m x 400m kann ich mir 10 unterschiedliche Prasselkuchen kaufen.
Aber nur ein Buch erwerben, in nur einer Buchhandlung
Also 10 Prasselkuchen und eine Buch.

Zu DDR-Zeiten hieß der Buchladen „Ottokar Domma“, nach der literarischen Figur von Otto Häuser.
Ein zwölfjähriger Schüler beschreibt den sozialistischen Alltag in einer sozialistischen Schule.
Hatte mich nie interessiert.
In diesem Alter las ich eher Verne, Cooper, Gerstäcker, Defoe…..

Mein Deutschlehrer in der Markkleeberger Penne bekam feuchte Augen, wenn er zelebrierte, uns Goethe, Schiller, Lessing, Heine…. unterzuschieben.
Endlose Rollen-Lesungen bei „Faust“ I+II, bei „Egmont“ und „Kabale und Liebe“.
Aber natürlich auch Lessings „Ringparabel“, bei der noch heute meine Augen von einer feuchten Glasigkeit belegt werden.

Doch irgendwann erschauerten wir bei der Erkenntnis, dass deutschsprachige Literatur keinesfalls bei Goethe, Schiller, Lessing, Heine…endet.
Auch nicht bei Keller und Storm.
Und schon gar nicht bei Bruno Apitz und Willi Bredel.

Neunzehnhundertundachtundsechzig gingen wir, allen Grundsätzen eines sozialistischen Jugend-Kollektivs zuwider, bei „Born to be wild“ die Wände hoch, füllten uns mit billigster Wermut-Brühe ab, warteten bald auf „Magic carpet ride“, „Pusher“, „Monster“, „Sookie, Sookie“…. und begaben uns auf die Reise zu Hermann Hesses Nirwana, denn Steppenwolf nannte sich die Truppe.

Bald erfuhren wir dann die Namen von Stefan Zweig, Franz Kafka Thomas Mann, Franz Werfel, Robert Musil, von Benn, Trakl, Heym, von Rilke, Hofmannsthal, Grass, Böll…., Autoren, die von den offiziellen Kultur-Clowns ignoriert oder in kleinen Auflagen und als sogenannte „Bückware“ verlegt wurden und innerhalb der staatlich vorgegebenen Unterrichts-Anordnungen keine Rolle spielten.

Und natürlich Hermann Hesse, der Peter Camenzind, der Steppenwolf und Glasperlenspieler, der Hans Giebenrath und Knulp unserer späten Pubertät.
Der Club der toten Dichter wäre für uns eine angemessene Veranstaltung gewesen.

Und Hermann Hesses wegen öffneten ich und mein Freund diese Buchhandlung in Leipzig Gohlis (s.o.,damals noch nicht „Ottokar Domma“), ich denke Neunzehnhundertneunundsechzig und fragten einen streng wirkenden Herrn hinter der Theke nach H.H.
Des Buchhändlers Gesicht vibrierte, die Augen mutierten zu Dolchen und er barmte mit überdurchschnittlicher Lautstärke: „Hermann Hesse, Hermann Hesse, den gibt es hier nicht.“
Wir waren erschüttert, doch auch beeindruckt.
Wir spürten den Zorn über sein Leben als Buchhändler, dem es versagt blieb, Bücher von Hesse straffrei anzubieten.
(Nach meiner Kenntnis wurden dann ab 1970 einige Bände von Hesse durch den Insel-Verlag herausgegeben.)

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Und dennoch verließen wir den Laden nicht ohne Hermann Hesse.
Denn wir erwarben für etwa sechs Mark den Erzählungsband „Doch in uns das Herz“ aus dem St.Benno-Verlag.
Zwischen Saint-Exupery und Luise Rinser beschreibt Hermann Hesse auf etwa zehn Seiten das Schicksal eines platten, getrockneten Schmetterlings zwischen zwei kindlichen Lepidopterologen („Das Nachtpfauenauge“).
Und von dem Buchverkäufer mit den dolchigen Augen trennten wir uns auch einvernehmlich und warmherzig.
Denn wenn derartige Pickel-Jünglinge nach Hermann Hesse fragen, gibt es auch noch Hoffnung für dieses Land.
So wird er vielleicht gedacht haben.

Am Tag darauf kaufte ich bei Dolch-Auge eine zehnbändige Schiller-Ausgabe, mit schön güldenen Einbänden (für etwa zehn Mark) und suchte noch im Laden die Seite, auf der „Die Bürgschaft“ gedruckt wurde.

Die Buchhandlung schließt, die Bücher besitze ich noch heute.

Musik des Tages

John Adams, „The Death of Klinghofer“
Orchester der Oper Lyon, Kent Nagano

Bilder des Tages

Boucher: Leda-u.Odalisque-Darstellungen
Fragonard: „Die Schaukel“


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Januar 31, 2016 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und eine Zugabe zu meinem Artikel vom 18.1.2016. Markus Lüpertz, Beethoven-Denkmal vor dem Leipziger Bildermuseum

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Briefliche Meinungsäußerung über das Beethoven-Denkmal vor dem Leipziger Bildermuseum, LVZ, 22.Januar 2016

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Unterzeichner der brieflichen Meinungsäußerung über das Beethoven-Denkmal vor dem Leipziger Bildermuseum, LVZ, 22.Januar 2016

Diesmal von Leipziger Lokalgrößen, die vom kulturinteressierten Sachsen mit unterschiedlicher Wertigkeit über Jahrzehnte zur Kenntnis genommen wurden, zumindest nebenbei.

Baldwin Zettl war über Jahre ein Bewohner meines Nachbarhauses und ich fand seine filigranen Kupferstiche, eine nur noch selten genutzte Technik, durchaus bemerkenswert. Mit Treibmanns Tochter fläzte ich in den Hörsälen der Leipziger Karl-Marx-Universität und die Buchgestaltung von Gert Wunderlich beurteilte ich als herausragend.

Ich friste mein Leben nun auch schon jenseits der Sechzig.

Doch das diese Mumientruppe sich zu einer Arbeit äußert, die natürlich erheblich außerhalb ihres künstlerischen Verständnisses angesiedelt ist, kommt schon etwas bizarr daher.

Das Durchnittsalter dürfte bei etwa 82 Jahren liegen. Heiduczek und Müller müssten sich gnadenlos der 90 nähern, andere treiben sich in den 80ern herum, Zettl ist mit fast 73 der Lehrling.
Es heißt natürlich nicht, dass sich alte bis uralte Zeitgenossen sich nicht zur aktuellen Stadtgestaltung äußern dürfen.

Doch geht es Ihnen mitnichten um Qualität, die natürlich unzweifelhaft vorliegt.
Lüpertz ist ein Dilettant, Beethoven ein Genie, deshalb ist das Denkmal Müll, Balkenhol ist natürlich gleichfalls ein Dilettant, alles ist Mittelmaß und im Grunde eine Zumutung.

Diese „Analyse“ erscheint mir etwas dürftig.

Während Müller, Zettl, Thiele, Richter noch irgendwie im 19.Jahrh. herumkrakeln, hat Lüpertz das 20/21.Jahrhundert nach Leipzig geholt.
Siegfried Thiele bei den bildenden Künstlern irritiert mich etwas, denn Siegfried Thiele agiert als Komponist. Günter Thiele ist der Maler, liebe Kulturschreiber,…GÜÜÜÜÜNTEEEER, heißt er, nicht……SIIIIEEEEGFRIIIEEED.
Ist ja diesen Journalismus-Giganten ohnehin Pansen, Hauptsache Thiele steht in den Zeilen.
Alban Berg oder Andrea Berg, wem interessiert das schon.
Oder Heiner Goebbels und Joseph Goebbels, Hauptsache es goebbelt.

Und die Einordnung von Günter Richter unter „weitere Unterzeichner“ finde ich gleichfalls gemein, denn Günter Richter ist ein bildender Künstler.

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Markus Lüpertz, Beethoven-Denkmal, vor dem Leipziger Bildermuseum

Lassen Sie doch bitte auch weiterhin das 20/21.Jahrhundert nach Leipzig.
Oder sollen wir unsere „Stadt der Hochkultur“ (oben) mit Müllers, Thieles, Zettls oder Richters verkleistern.
Oder mit Bildhauerei und Malerei Max Klingers.
Wenn ich den Beethovensaal des Leipziger Bildermuseums durchquere, mache ich ohnehin einen auf Usain Bolt.

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Balkehol auf Klinger, Wagner-Denkmal in Leipzig

Außerdem ist der „erhabene Sockel Max Klingers“ (oben) keineswegs erhaben, er ist herausragend hässlich.
Nur die Blicke auf Balkenhols Skulptur und die von einem wahren Künstler hinzugefügte Genital-Behaarung lohnen den Umweg.

Vielleicht könnte ein aktueller Klinger-Epigone für ein Beethoven-Denkmal die Tochter aus Elysium formen, aus deren Möse ein Götterfunken funkelt, während daneben Millionen kleine Müllers, Thieles, Richters und Zettls umschlungen werden.
Ein paar weitere Zutaten von symbolistischem Kram ließen sich bestimmt noch finden.

Natürlich wünsche ich den Herren Müller,Thiele, Richter und Zettl ein unentwegtes Ausstellungsprogramm, aber vermutlich ohne meine Besuche.
Als Ersatz würde ich mich eher auf meinem Campingstuhl vor dem Lüpertz-Beethoven setzen.

Ich wünsche auch Horst Nalewski weitere tiefe Erfahrungen mit Rilke und George, Herbert Kästner ein sensibles Fingerchen bei bibliophilen Perlen und vielleicht findet Werner Heiduczek noch einen Tod am Meer.

Doch lassen Sie Wagner auf dem hässliche Klingersockel und Beethoven vor dem Museum stehen.

Und gemach, haben Sie noch etwas Geduld. Ich denke, irgendwann wird diese Bildhauerei nach einer Demonstration von einfältig-aggressiven Mitbürgern in Grund und Boden gekloppt.
Danach platzieren wir gemeinsam an diesen Standort eine Vitrine mit Bildern von Müller, Thiele, Richter und Zettl, die sicherlich bis zum kommenden Urknall unversehrt bleibt.
Denn Langeweile und Biederkeit klebt ewig.

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Eine Internet-Bude hat es tatsächlich gewagt, mir diesen Kalender anzubieten, mit diesem beknackten Datums-Lappen über van Gogh.
Bei Müller, Thiele, Richter oder Zettl hätte ich diesen Eingriff als ästhetische Nuance für eine Auflockerung verstanden.
Aber bei Vincent ist das eine Zumutung.


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Januar 25, 2016 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, Markus Lüpertz, Beethoven, Elke Wahlers aus Leipzig, Manfred Hoffmann aus Schkeuditz, u.a., die Hässlichkeit eines schaurigen Machwerks, Beethovens Grabumdrehungen, die Evozieration von Widerwillen und Ablehnung, was hat Elke Wahlers in Leipzig verloren und Herr Cieslak meint, Lüpertz kann Beethoven nicht leiden

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Max Klinger, Beethoven, Leipziger Bildermuseum

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Markus Lüpertz, Beethoven-Skulptur vor dem Leipziger Bildermuseum

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LVZ, Leserbrief I, 13.Januar

Aber, Frau Wahles, selbstverständlich dürfen Sie ihr Entsetzen über die „grauenhafte Beethoven-Büste“ des Herrn Lüpertz zum Ausdruck bringen. Aber selbstverständlich.
Sie dürfen sich natürlich auch grausen, der „Hässlichkeit“ dieser Figuren wegen, aber natürlich.

Doch ist Hässlichkeit mitnichten eine Kategorie für die Qualitätsbewertung von Kunst. Ich empfehle Ihnen das Studium einiger grandioser Werke der spätgotischen Malerei Deutschlands z.B. von Hans Hirtz, Hans Multscher, Jörg Breu d.Ä……und konzentrieren Sie sich auf Geißelung, Dornenkrönung und Kreuztragung Jesu. Diese Fratzen werden sie nie vergessen.

Auch bei Dix und Grosz (20.Jahrh.) sind groteske Überzeichnungen das Maß aller Dinge.
Und selbst innerhalb der edlen, reinen Renaissance-Kunst gibt es Darstellungen von wundervollster Hässlichkeit und, merken Sie auf, von höchster Qualität, z.B. Ghirlandaios „Alter Mann mit Enkel“, Hans Baldung Griens Frauen-u.Hexenbilder sowie die zahlreichen Bildnisse Lorenzo de Medicis („Lorenzo il Magnifico“)
Kunst wird von Hässlichkeit geprägt.

Ich denke, Beethoven würde sich keineswegs im Grabe umdrehen und vermute, dass Ihnen das Bild Carl Rohlings bislang entgangen ist, in dem er das einzige Treffen von Goethe und Beethoven beschreibt (Teplitz, Böhmen, Beginn des 19.Jahrh.).
Künstlerisch ohne wesentliche Bedeutung zeigt es aber, natürlich aus Rohlings privater Sicht, Beethovens Widerstand gegen etablierte Abläufe.
Während Goethe vor einer Truppe adliger Tagediebe Heinrich Manns Diederich Heßling kopiert, schlurft Beethoven mit beispielhafter Ignoranz, genervt die Hände auf dem Götterfunken-Rücken verschränkt, an dieser Formation der Gelangweilten vorbei.
Könnte so gewesen sein, muss natürlich nicht.
Zumindest glaube ich nicht, dass „Bürgerschreck“ Beethoven die Arbeit von Lüpertz symbolisch abgebrannt hätte, ein Akt, dem Sie sicherlich gern beiwohnen würden, Frau Wahlers. Zumindest deutet ihre feinsinnige Formulierungs-Perle „schauriges Machwerk“ auf diesen Wunsch.
Glauben Sie mir, Frau Wahlers, ich würde wie ein als Löwe verkleideter Feuerwehrmann oder wie ein als Feuerwehrmann verkleideter Löwe gnadenlos um die Rettung dieser Bildhauerei kämpfen.

Und ich hoffe, dass Lüpertz auch weiterhin mit seiner Kunst unsere Stadt veredelt, vielleicht in Erinnerung an Hans Hartung, diesem herausragenden Vertreter des Informel, der in Leipzig geboren wurde.
Ich vermute, dass Ihnen dann bei Ihrer Kompetenz eine sprachliche Anmut wie „schauriges Machwerk“ nicht genügen würde und sie sich vielleicht für „entartet“ oder „undeutsch“ entschließen müssten.
Denn auf dem Weg zum Vokabular des schlurfenden Sportpalast-Triumphators Joseph.G. haben Sie schon wacker eine erkleckliche Distanz bewältigt.

Sonderinformation“
Der Germanist Jeremy Adler sprach vor einigen Tagen, im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von „Mein Kampf“ von einem „erbärmlichen Machwerk.“
Sie, Frau Wahlers, laden also Lüpertz auf dem gleichen Acker ab, auf dem schon dieses braune Dreckzeug fault.

Ich entspanne mich köstlich bei der Information, das Forschungen womöglich ergeben haben, das Beethovens Ur-Gene in indonesischer Erde wurzeln. Denn seine nahen Vorfahren siedelten im niederländisch sprechenden Flamenland, während zuvor Niederlande den Handel und die Besitztümer auf dem Inselstaat beträchtlich erweiterten.
So schlösse sich ein Kreis. Denn Einflüsse der Kunst Ozeaniens, unweit Indonesiens und z.B. von den Expressionisten geschätzt, vermag ich auch ohne intellektuelle Überanstrenugung in diesem Beethoven-Denkmal von Lüprtz finden.

„Er(Lüpertz) hat eigentlich in Leipzig nichts verloren….“

Vergelt’s Gott, Elke, dass sie nicht gefragt werden, wer in Leipzig etwas verloren hat und vermeiden Sie, Kunstwerke, deren Bedeutung Sie nicht überschauen können, in Ihre Rubrik „Schaurige Machwerke“ einzuordnen.
Sehen Sie, Elke, bei der Wahrnehmung von z.B. Michael Triegels Bildern bekomme ich Augen-Asthma, doch bemühe ich mich um kultivierte Umgangsformen und würde nie von schaurigen Machwerken sprechen.

Und nun, merken Sie erneut auf, Frau Wahlers.
Ich habe während der vergangenen fünfunddreißig Jahre recht ausgiebig die Kunst von Markus Lüpertz zur Kenntnis genommen. Nicht nur Malerei, Graphik, Bildhauerei in Katalogen und vor Ort, auch Bücher, seine Texte und Interviews überzeugen mich, dass einer der gewichtigsten Künstler im derzeitigen Deutschland mit hohem Intellekt, ästhetischem Feinsinn und handwerklicher Fertigkeit sein problematisches Verhältnis zu Beethoven vor das Bildermuseum gestellt hat.

Ihre penetrante Intoleranz, Elke Wahlers, ihre hemmungslose und fast bösartige Verdammung von Kunst, die sie nicht verstehen (also fast alles) und die außerhalb Ihrer Lebenskreise ablaufen, schaden Leipzig, zumal diese Zeitung scheinbar ausschließlich die eher grobschlächtigen, begrenzt sachkundigen Leserbriefe veröffentlicht.

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LVZ, Leserbrief II, 13.Januar

Es nervt mich, auf alle Beiträge einzugehen, die mich durch ihre intellektuelle Behäbigkeit erschüttern.

Doch Michael Hoffmann schreibt: „Kunst soll und darf auch provozieren. Diese Skulptur aber evoziert meines Erachtens nur Widerwillen und Ablehnung.“ (Leserbrief II)

Aha, „evozieren“, Herr Hoffmann ist ein feiner Herr. Aber herbeiführen, auslösen, bewirken, verursachen, erregen, entfachen…..würden vielleicht gleichfalls genügen.

Provokation ist doch durch die Evozieration von Widerwillen und Ablehnung gelungen, Sie müssten also zumindest sachlich auf diese Bildhauerei eingehen. Sie evozieringen bei mir Irritationen.
Verstehen Sie das, Herr Hoffmann.
Und auch sie sind ein Vertreter der anspruchsvollen Machwerk-Theorie.

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LVZ, Leserbrief III, 13.Januar

Lüpert kann Mozart nicht leiden und er kann auch Beethoven nicht leiden, meint Herr Cieslak aus Leipzi (Lesebrief III)

Ich kann gekochte Makrelen-Hüfte in Nougat-Soße nicht leiden, gleichfalls nicht den Stiefneffen meiner Nachbarin, weil er ständig seine Pobel an die Wand des Treppenhauses schmiert.
Mein Gott, ist das eine Anspruchsebene.
Herr Cieslak aus Leipzig meint, Lüpertz schuf diese Plastik, weil er Beethoven nicht leiden kann….ächz, schüttel, stöhn….
Er kann Beethoven nicht leiden…., er kann Beethoven nicht leiden. In Wirklichkeit, in Wirklichkeit kann Lüpertz den Beethoven nicht leiden.
Herr Cieslak, Sie sind der Pionier zukunftsweisender Interpretationskultur.

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LVZ, Leserbrief IV; 13. Januar

Ein weiterer Beitrag. Ich werde von Lustlosigkeit gepeinigt, es reicht, deshalb kein Wort.



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Januar 18, 2016 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, ein Frühstücksei bei Benediktbeuren, mittelalterlische Saufgesänge, ein Asam im Bedeutungseimer, Anastasia hinter Rokoko-Gitter, JH auf der documenta 2017 und die Bezwingung der Ei-ger Nordwand

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Mein erstes Frühstücksei im neuen Jahr, bayerisch alpenländische Herkunft, 1. Januar 2016, gegen 9 Uhr.
Vorderseite
Hoffentlich bleibt es das einzige Unglück während der folgenden zwölf Monate.

In Gedanken an Courbets „Ursprung der Welt“ könnte man sich eine ähnliche Interpretation vorstellen.

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Dieses Ei berstete in einem Gästehaus, unweit der heutigen Pfarrkirche Benediktbeuren, bis 1803 Klosterkirche St. Benedikt des Benediktinerklosters, Fundort der „Beurer Lieder“ („Carmina Burana“), die Sammlung mittelalterlicher Ferkeleien und Saufgesänge, welche Carl Orff vertonte und inzwischen nicht selten zu lausig interpretierten Gassenhauern mutiert sind.

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Pfarrkirche St.Benedikt, Benediktbeuren, Stichkappengewölbe

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Pfarrkirche St.Benedikt, Benediktbeuren, Gewölbemalerei von Hans Georg Asam

Die Gewölbe bepinselte Hans Georg Asam, der erstmalig die illusionistische Deckenmalerei Italiens nach Bayern brachte, doch weitgehend in den kunsthistorischen Bedeutungs-Eimer griff, weil er Cosmas Damian und Egid Quirin zeugte, Architekten, Maler und Stuckateure, die den gesamten Süden Deutschlands mit höchster Barock-Qualität bedeckten, z.B. München, Rohr, Ettlingen, Weingarten, Weltenburg…..Ich habe mich vor Ort von deren Güte überzeugt, obwohl ich nicht gerade als euphorisches Barock-Frettchen gelte.

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Rokoko-Gitter

Anastasiakapelle an der Pfarrkirche in Benediktbeuren
Gehaltvolles Rokoko (1751-53), zu dem mir, im Gegensatz zur Barock-Kultur, ein ungetrübter, leichtfertiger Zugang gelingt.

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Anastasiakapelle an der Pfarrkirche in Benediktbeuren

Detail des Innenraums
Wundervolles Rocaille von Johann Michael Feuchtmayer, ich liebe diese Asymetrie.
Ähnlich den Asams werkelten sich auch die Feuchtmayers mit hohem Anspruch durch den Süden Deutschlands, einschließlich Österreich und Schweiz.
Ein anderes Mitglied dieser Truppe (Joseph Anton) formte z.B. den herausragenden „Honigschlecker“ in der Wallfahrtskirche Birnau am Bodensee.
Als ich vor diesem Putto stand, entwickelte sich ein süßes Verlangen, den Honig von seinen wurstigen Speckfingern abzuschlabbern.

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Mein erstes Frühstücksei im neuen Jahr.

Rückseite

Man sollte diesem künstlerischem Objekt eine ästhetische Strategie natürlich nicht absprechen.
Vielleicht bewerbe ich mich für die kommende documenta, Sommer 2017.
Die Haltbarkeit macht mir aber Sorgen.
Außerdem frage ich mich, ob ich die Faszination, die suggestive Kraft dieses künstlerischen Objekts steigern würde, wenn einige Salzkristalle die Oberfläche beunruhigen würden.

Die Bedeutung der Eier in der Kunstgeschichte ist vielfältig.
Ich denke spontan an die Fabergé-Eier aus St.Petersburg, darunter auch ein Exemplar mit goldener Henne.
Hieronymus Bosch zelebrierte das Ei. Bei Pieter Brueghel,d.Ä. kriechen aus Eiern hässliche Teufel („Dulle Griet“), die man natürlich nicht unbedingt braucht. Manieristische Maler nutzten sie und bei Mariendarstellungen werden sie mitunter üppig eingesetzt.
Fruchtbarkeit, Auferstehung, Leben, Geburt….. werden durch Eier veranschaulicht.
Auch die Surrealisten (Dali, Magritte) schreckten davor nicht zurück.

Ich wünsche jedenfalls allen Mitmenschen, die mich mögen, also ein arg überschaubares Rudel, ein glückvolles Jahr mit stets gelungener Frühstückseizubereitung, Eierbecher aus einer Bauhaus-Serie und nicht so ein abgebildetes Dreckding, wenig Ei-ter in Gesäßpickeln, wenig Griffe in den Ei-mer, die intellektuelle Frische Ei-nsteins und vor allem die hochsportliche Bezwingung der Ei-ger Nordwand.


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Januar 5, 2016 Posted by | Leipzig | 1 Kommentar