Juergen Henne Kunstkritik

John Cage, Jürgen Henne und Ute Freudenberg

John Cage

Ute Freudenberg

24.Oktober 2012 im Leipziger Gewandhaus, kurz vor 20 Uhr.
Im kleinen Mendelssohnsaal der Hütte am Augustusplatz gibt es ein Konzert, ausschließlich mit Musik John Cages.

Wir betreten das Foyer und barmende, bettelnde Mitmenschen mit selbstgebastelten Schildern flehen uns an: „Wir suchen Karten“.

„Oha, hört, hört“ murmelte ich volkstümlich und freute mich auf ein ausverkauftes Cage-Konzert mit Steffen Schleiermacher und dem Ensemble Avantgarde, sah aber bald noch eine gefährlich geöffnete Tür, der Nebeneingang zum Großen Saal des Gewandhauses, fast 2000 Plätze.

Auf meine Frage nach dem zweiten Konzert des Abends wurde mir dann hysterisch „Ute Freudenberg“ entgegengekreischt.
Diese ächzenden Musikfreunde haben also nach Ute-Karten geächzt.
Diese Erkenntnis hätte ich mir auch selbstständig entwickeln können.

Ich suchte zügig eine Sitzmöglichkeit im Mendelssohnsaal.

Etwa 130 Besucher frohlockten dann bei der Musik von John Cage für Kaktus, Wurzel, Wassereimer, Radio, Klavier, Horn, Oboe, Fagott….

Und etwa 2000 Besucher vibrierten bei Ute Freudenberg im ausverkauften Hauptsaal. Bei fünf weiteren Konzerten hätte es sicherlich gleichfalls kein Absatzproblem gegeben.

In der heutigen Tageszeitung Leipzigs strahlt als zentraler Kulturbeitrag ein Gespräch mit Axel Prahl über dessen Musik (Konzert am 1. November im Gewandhaus). Davon habe ich keine Ahnung.
Darunter, ebenso mit strahlender und farbiger Abbildung, die Kritik des Liederabends von Ute Freudenberg, gleichfalls in dominanter Position.

Auf der zweiten Kulturseite dann an untergeordneter Stelle, etwa innerhalb der Rubrik „Was sonst noch passierte“ die Rezension zu Cage, allerdings von Tatjana Böhme-Mehner vorzüglich geschrieben und in Nachbarschaft, doch gleichfalls untergeordnet, zu einer Besprechung der Aufführung der Oper „Dialogues des Carmélites“ von Poulenc, beide ohne strahlende und farbige Abbildung.

Auf den journalistischen Knotenpunkten agieren also Prahl und Freudenberg, in den Hinterhöfen dann Cage und Poulenc.

So einfach ist das.
Doch will ich mich nicht mehr 24 Stunden am Tag über derartige Mechanismen aufregen. Denn es gibt Ereignisse, nach denen sich alle Wertigkeiten verschieben. Und ich werde in diesen Monaten mit einem Markstein dieses Zuschnitts geschunden.

Trotzdem. Die Musik der neuen CD Ute Freudenbergs wird mitunter auch in die Nähe von Genialität verfrachtet. Tatsächlich wird von Genialität gesprochen.
Ich erlebte eine Performance, bei der ein nackter Jüngling sich eine Schleife um das Gemächt band und einen Zylinder auf den Kopf setzte. Auch hier wurde dann journalistisch von genialen Einfällen gelabert.

Die Musik von Ute Freudenberg, die Schleife um eine männliche Nudel und der Zylinder auf dem Kopf sind also genial.
Vielleich sollte man sich doch um weniger Leichtfertigkeit bei Leistungsbewertungen bemühen.

Und meiner unterschiedlichen Zuneigung zu John Cage und Ute Freudenberg habe ich sichtbar durch die Wahl der Bildformate Ausdruck verliehen (oben).

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Oktober 26, 2012 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar