Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, die alltäglichen Irritationen und Spaltung, Abhängung, Klaffung, Dürr-Obst, Mielkes Großmutters Magenkrämpfe, Stalinorgeln vor Stuttgarts Oper, Jahrhunderthits und Jahrhundertballaden, ein Senderwechselknöpfchen und Januar/Februar-Wünsche

Irritation I

LVZ vor einigen Tagen, Filmkritik von Stefan Stosch

Hass, Wut, gespaltene USA, die Mächtigen, Schwächsten und eine Schicksalsgemeinschaft (s.o.)

Seit Jahren öden sich Journalisten mit den Hinweisen auf gespaltene Länder und gespaltene Parteien, auf gespaltene Regierungen, gespaltene Religionen, gespaltene Gewerkschaften, gespaltene Kontinente und gespaltene Tabletten durch alle Medien, die Platz zu Laber-Exzessen anbieten, ohne auch nur kleinsten Variationen zu nutzen.

Da spaltet gerade jemand oder spaltete vorgestern, da hatte jemand irgendwas gespalten gehabt, wird vielleicht übermorgen erneut spalten würden oder wird schon gespaltet haben und wird gespaltet haben sein werden.

Da wird jemand abgehängt, abgehängt werden oder abgehängt worden sein oder abgehängt worden werden.
Da klafft die Schere auseinander, da klafft es hier und klafft es dort. Da wurde hier geklafft und dort geklafft.
Und Populisten sind ohnehin alle, die dem Schreiber nicht in den Kram passen.

Die deutsche Medienlandschaft bleibt noch eine Landschaft, aber darüber legt sich auffällig eine ungenießbare Schicht Dürr-Obst, an der zahlreiche Politiker und Journalisten nagen.

Und dann kommt auch noch Einpeitscher Stefan Stosch und schreibt von Hass und Wut, von Mächtigen, Schwachen und Schicksalsgemeinschaften und über seine Verwunderung von der Anwesenheit hilfsbereiter Zeitgenossen (s.o.).
In den USA.
Da hätte selbst Mielkes Urgroßmutter abgekotzt.

Nach der Stoschchen „Analyse“ wird im Land zwischen den Ozeanen nur noch gespalten, abgehängt und geklafft und populisiert.
Und wenn einmal etwas dazwischenkommt bei dieser ganzen Spalterei, Abhängerei, Klafferei, Populisiererei….,dann wundert sich Stosch beträchtlich.

Dabei sind es genau diese intellektuellen Mikro-Organismen mit unanständiger Grundanlage Stoschcher Prägung, die spalten, abhängen lassen, klaffen lassen, populisieren, die sich scheinbar Unfrieden und Zwietracht herbeisehnen, um dadurch Tag um Tag journalistisch zu überleben.
Und die gleichfalls täglich die deutschen Medien durcharbeiten, um erst danach ihre eigenen Texte, entsprechend dem aktuellen Trend zu schreiben.

Irritation II

Und noch ein Zwietrachtler, ein Spalter, ein Populist, ein Klaffer.

Deutschlandfunk vor einigen Tagen.
Moderator Christoph Heinemann im Gespräch mit Gerd Landsberg vom DStGB (Deutscher Städte-u. Gemeindebund) über die zunehmende Schließung von öffentlichen Schwimmbädern.

Als Liebhaber des wogenden Elements und als Vertreter Poseidons in Leipzig/Gohlis interessiert mich diese Entwicklung, zumindest auf Nebengleisen, obwohl ich keine öffentliche Bäder nutze.

Geheimnisvoll und verschwörerisch fragte Heinemann bald seinen Gesprächspartner:
„Woran denken sie, im Zusammenhang mit der Bäderschließung, wenn Sie hören, dass die Sanierung der Stuttgarter Oper 850 Millionen EURO kosten wird“
(Keine wörtliche Widergabe, doch inhaltlich korrekt).

Ich habe Landbergs Gedanken nicht erfahren, ich wechselte den Sender.

Aber vielleicht marschieren bald die Opernfreunde, welche nicht den Sender wechselten, mit Äxten, Abrissbirne und Stalinorgel zu allen Schwimmbad-Baustellen des Landes und begegnen Schwimmbadfreunden, die mit Äxten, Abrissbirne und Stalinorgel zu allen sanierungsbedürftigen Opernhäusern dieses Landes marschieren.
Jürgen, der Demokrat plädiert für die Sanierung der Stuttgarter Oper und für die Erhaltung zahlreicher Schwimmbäder.

Zugegeben, die kurze Darstellung möglicher Reaktionen wurde von mir satirisch überhöht.
Doch wie heißt in einem ebenso beknackten und ständig gesülztem Klischee: „Wehret den Anfängen“.
Natürlich müssen bedrohliche Ausbreitungen beobachtet und beurteilt werden, doch möglichst mit dem Einsatz des gesamten Repertoirs der deutschen Sprache und vor allem mit dem Einsatz einer erweiterten intellektuellen Bereitschaft.

Denn durch diese journalistische Versimpelung, auch in der öffentlichen Diskussion, durch diese sprachlichen Tendenzen zur inhaltlichen und rethorischen Verkümmerung im Gleichschritt-Modus reduziert sich das Bedürfnis, Informationen wahrzunehmen und die Augen der Adressaten rotieren gelangweilt nach oben.

Irritation III

LVZ vor einigen Tagen, Textanfang

Karats „Über sieben Brücken musst Du gehn“ wird in die Kategorie „Jahrhunderthit“ eingeordnet.
Ich denke, man kann es auch übertreiben.
Ich will nicht verhehlen, dass mein Wechselfinger nach der akustischen Wahrnehmung der ersten Noten dieses Titels auffallend zügig das Senderwechselknöpfchen meines Rundfunkempfängers drückt.
Natürlich gönne ich jedem seine orgiastischen Verzückungen.

Und jetzt gerade erinnere ich mich an eine, bei der ostdeutschen Bevölkerung durchgeführte Befragung nach dem beliebtesten Titel der DDR-Musikgeschichte.
Man entschied sich für „Jugendliebe“ von Ute Freudenberg.
Und jetzt krieche ich unter meine Lautsprecher und beweine dieses Grauen.

Textabschluss

Auch als Jahrhundertballade wird diese mehrfache Brückenüberquerung gepriesen, wobei sich mir balladeske Elemente nicht erschließen wollen, zumindest nicht im literarischen Sinn.
Vielleicht ist mir auch irgendetwas entgangen.

Jahrhunderthit und Jahrhundertballade für dieses Liedchen und „Jugendliebe“ als bester DDR-Song, irgendwie werden die Qualitätsmaßstäbe verbogen.

Wunsch des Tages

Oh Apollon, lass das Beethovenjahr zügig und für mich unhörbar bis zum 17.Dezember 2020 dahineilen.

Januar-Wunsch und Februar-Wunsch für 2020
Leipzig, Rosental, 2010


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Dezember 20, 2019 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, Walter Ebert, Leipzigs Lichter, Gretas Geschwader und die neue Freude am Leipziger Bildermuseum

LVZ (vorgestern)
Betrachtungen zur perspektivischen Erweiterung des Weihnachtsmarktes in Leipzig (s.o.).

Trotz des Riesenansturms gibt es also noch Luft nach oben.
Aber sicher gibt es noch Luft nach oben, ich könnte mich z.B. auf den Rathausturm setzen und jodelnd weihnachtliche Lötkolben verkaufen.

Zusätzlich wird also im kommenden Jahr auch noch der Burgplatz z.B. mit Hütten für Glühwein-Suppe zugeschmiert.
Auch „Lichtinstallationen“ sollen verstärkt aufgetürmt werden.
Sieht jetzt schon alles so absonderlich billig aus, aber die Hauptsache viel und mehr und maßloser und massiger und….
Man sollte sich nur einmal diesen schludrig zusammengeschusterten Märchenfiguren-Ramsch auf dem Augustusplatz ansehen.
Unmittelbar daneben wird man am weihnachtlichen Kinderkarussell mit Musik in den Tonlagen Roland Kaisers, Petrys, Drews`… gepeinigt.

Bei derartigen Zukunftsvisionen von Leipzigs Weihnachtsmarkt werde ich mich wohl um die Aufnahme in Greta Thunbergs Luftgeschwader bewerben.

Gleichfalls LVZ, gleichfalls vorgestern, nur wenige Seiten später

Aber es gibt natürlich auch Hoffnungen (s.o.).
Soll sich Leipzigs Marktamtsleiter Walter Ebert doch seine private Bude lichtinstallatorisch, glühweinklebrig zupflastern, aber den Dezembermarkt wenigstens auf einem weihnachts-ästhetischen Mindestmaß festzurren.

Nur wenige Schritte vom Weihnachtsmarkt steht das Bildermuseum.

Ich zeige einige Arbeiten als Beispiele für die Kunst, die aktuell angeboten wird.
Ungeordnet, wahllos und unkommentiert.
Vielleicht eine Alternative für schludrige Märchenfiguren, für Roland-Kaiser-Noten, zumindest für zwischendurch.

Paule Hammer

Iza Tarasewicz

Manfred Wakolbinger

Pakui Hardware

Michael Riedel

Karl Hermann Trinkaus

Sighard Gille

Max Liebermann

Carl Blechen

Caspar David Friedrich

Rogier van der Weyden

Meister Francke

Michel Erhart

Nach einhundertundfünfzig Minuten verließ ich das Museum mit einer hinreichenden Zufriedenheit.
Ein Zustand, der sich zwischen 2000 und 2017 nur sehr selten entfalten konnte (Amtszeit von Hans Werner Schmidt).
Ich mied den Heimweg über den Weihnachtsmarkt.


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Dezember 11, 2019 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar