Juergen Henne Kunstkritik

Helene Fischer singt, Norbert Wehrstedt kritisiert und Jürgen Henne schaudert

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Red-Bull-Arena Leipzig
Tatort eines Konzerts

Helene Fischer in Leipzig.

Konzertbeschreibung in der einzigen Leipziger Tageszeitung (29.Juni, 2015). Inhaltliche Zusammenfassung mit Zitaten.

„Oder Helene Fischer muss ihn verdammt gut kennen“ (den Regengott, denn es regnete nicht, (J.H ))

„Womöglich ist er ihr sogar verfallen.“

„Größer ging es nicht. Größer als Helene Fischer geht es wirklich nicht.“

„..noch perfekter, noch aufwendiger, noch phänomenaler, noch spektakulärer.“

„Ein überrumpelndes Feuerwerk aus Farben, Bewegung, Musik, szenischer Fantasie, fantastischen Projektionen….“

„Ein Feuerwerk, das mal als sanfte Seelenwelle, mal als Tornado durch das volle Stadion wirbelte“.

„…sprühten Funken und Fontänen aus der 52-Meter-Bühne, platzten Raketen, flogen grüne Papierschlangen und gelbe Schmetterlings-Plättchen durch die Luft.“

„Helene kommt als Amazone, enges, gelbes, dekolletiert, langes Leibchen vorne und hinten mit Zipfeln. Was putzig zipfelig über den goldenen Riemenstiefeln aussah.“

„Auf der Rückwand viel Buntes in fliegender, ständiger Veränderung, Federn, Rechtecke, Wellen, blau und pink, dann rote Schleier“.

„Zu Wunder dich nicht“ im verspielten Ethno-Puszta-Sound leuchtet ein grüner Traumwald“

„Doch mit Helene Fischer, nein mit der kann er nicht mithalten. Sie ist die Magierin, die alle betört, hinreißt, begeistert. Sie schlängelt zwischen schlängelnden Tänzern. Sie kommt im weißen Mini-Glitzer-Kleid mit Schleppe und Tabaluga-Beichte.“

„Man möchte einfach nur seufzen. Sie wird umtanzt von Stelzengängern und Männern in altmexikanisch und altägyptisch anmutenden Kostümen vor eisblauen Perlen-Panoramen.“

„Sie räkelt sich sexy, umgezogen in einem blauen Overall mit grünen Stöckelschuhen zu „Sexy“ von Marius Müller-Westernhagen auf einem roten Lippensofa…“

„Sie kommt aus einer rot und rosa leuchtenden Blume zu „Everything I do I do it for you“ – und die Arena ist gefüllt mit wippenden Leuchtstäben und Handy-Leuchten.“

„…Sie fliegt zu „Von hier bis unendlich“, von Stahlseilen gehalten, über die Köpfe der Fans durchs Stadion, dreht sich, stürzt herab, steigt auf – und landet auf einer Podestbühne ihrer Fans im Innenraum.“

„Wen sie bis dahin nicht in den Bann gezogen hat, der ist spätestens jetzt im siebten Helene-Himmel angekommen“.

„Blond, klein, schmal sitzt sie auf einem Hocker, geht ein bisschen herum zu „Das kleine Glück“ und schafft mit „The Rose“, ganz zart, ganz innig, ganz einfühlend Taschentuch-Momente.“

Bei „Feuerwerk“ saß Helene schon auf dem Lichtthron. Jetzt ist sie endlich im Olymp angekommen.“

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Geschafft.
Diese Sprache zu lesen und zu zitieren, also selbst zu schreiben, erfordert ein gerüttelt Maß an Überwindung, Selbstbeherrschung und ein wenig Masochismus.

Wie war eigentlich die Musik, Norbert Wehrstedt?

Denn abgesehen davon, dass diese Veranstaltung, nach Ihrer Beschreibung, den maskulinen Teil der Besucher mit einem Dauerständer beschenkte, vermisse ich die Einschätzung der musikalisch-qualitativen Ebenen.
Stattdessen eine Kitsch-Orgie von stattlicher Ungenießbarkeit.

Mir geht es dabei nicht um die Musik Helene Fischers. Ich kenne tatsächlich nur „Atemlos“, diesem Titel konnte man ja nicht entfliehen. Ist nicht meine Tonkunst, die ich täglich benötige. Doch gönne ich natürlich jedem Mitbürger seine seligen Stunden.
Doch wenn der Kritiker ein Konzert ausschließlich über den äußeren Zirkus, über Kleidungsordnungen, Stelzengängern, gelben Schmetterlingsplättchen, Erotik… beurteilt, werde ich etwas stutzig.

Entweder die Musik ist schlecht oder der Kritiker ist schlecht

Und diese Sprache, diese einfältige Frontalsymbolik lässt mich schaudern.

Sanfte Seelenwelle….was putzig zipfelig aussah….ein grüner Traumwald leuchtet….Sie schlängelt sich zwischen schlängelnden Tänzern….siebter Helene-Himmel.

Und HF räkelt sich natürlich sexy zu „Sexy“ von Westernhagen.
Und HF sitzt natürlich klein auf einem Hocker und singt „Das kleine Glück“.

Ich breche ab. Kann ich nur schwer durchstehen.

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Juni 29, 2015 Posted by | Leipzig, Musik, Presse | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und die Heimkehr zu meinen sächsischen Wurzeln, nach einem mehrwöchigen Landgang auf der irischen Insel. Teil I.

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Irland, die Insel einer überragenden Literatur

Mir ist spontan kein Land mit einer derartigen Dichte von hochwertiger Literatur erinnerlich, relativiert zur Bevölkerungsdichte. Dabei blieb bei dieser Ansichtskarten-Auswahl der Nobelpreisträger Seamus Heaney (1995) unberücksichtigt.
Vier Nobelpreisträger für Literatur seit neunzig Jahren bei einer Einwohnerzahl zwischen 2einhalb und 5einhalb Millionen Iren. Davor gab es z.B. noch Wilde und Swift und Beckett und Joyce sind ohnehin unschlagbar.
Als ich zu frühen Pubertätszeiten, also vor einhundert Jahren, Wildes „Rose und Nachtigall“ las, musste ich heftig weinen.

Ich tauschte am Beginn der 70er Jahre „Die Blechtrommel“ (wurde in der DDR nicht aufgelegt), die ich wenige Tage zuvor gegen ein anderes Buch (?) eingetauscht hatte, für die Dramen Becketts (wurde in der DDR nicht aufgelegt).
Ich tauschte auch Bücher von Rolf-Dieter Brinkmann (wurde in der DDR nicht aufgelegt) und Hubert Fichte (wurde in der DDR nicht aufgelegt) gegen die Romane Kafkas (wurde in der DDR nur arg begrenzt aufgelegt), die ich mir dann wieder hurtig neu besorgen musste.
Eigentlich tauschte man nur noch.

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Meine ersten lesbaren Informationen im Hafen von Rosslare, kurz vor dem Landgang. Eine feine und sensibel gewählte Begrüßung. Foto aus unserem Kabinenfenster.

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Irland, die Insel der Kathedralen…..
Rock of Cashel. Chor um 1240, Vierungsturm Mitte 14.Jahrh., „Cormacs Chapel“ (auf dem Bild eingerüstet), der sicher bedeutendste romanische Beitrag in Irland, blieb uns verschlossen. Wegen denkmalpflegerischen Arbeiten. Ich reagierte traurig, doch mit Verständnis.

Ich erinnerte mich dabei an meine hochgradige Verärgerung im Benediktinerkloster Alpirsbach 1990, in dem viele Teile gesperrt waren. Bei mir dominierte immer noch das Entsetzen, dass die Grenze vielleicht doch wieder vermauert würde. Also alles sehen und studieren, was auf dem Weg liegt, steht und hängt. Und darüber hinaus.
Für den Kreuzgang der Abtei im südfranzösischen Moissac hatte ich meine Familie 1991 zu einem Umweg von 300 Kilometern gezwungen.
Erbarmungslos.
Dann probte in dem Viereck eine schlechte Jazz-Truppe. Scheißstimmung
Heute ist man doch etwas gesetzter geworden.

Dazu auch der erste Teil der beänstigend begehrten, doch eher unregelmäßig bearbeiteten Serie: „Wo ist der Jürgen ?
Heute: Wo ist der Jürgen in Irland?“, Teil 1 (Bild oben)

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Irland, die Insel der Abbeys….
Jerpoint Abbey, Zisterzienserkloster, dreischiffig, gegründet 1158. Turm, 15 Jahrh. über der Vierung, Normalfall in der zisterziensischen Architektur.
In einer Kirche, wenige Meter abseits von Jerpoint Abbey, soll der heilige Nikolaus von Myra begraben sein ( das ist der vom Nikolaustag, mit den Bonbons in den Schuhen).
Ritter von Jerpoint überführten seine Leiche nach den Kreuzzügen aus Myra, Lykien/Türkei, nach Irland.
Aber auch italienische Kaufleute sollen am Ende des 11.Jahrh. den Sarkophag in Myra aufgehebelt, sich den bleichen Nikolaus geschnappt und im süditalienische Bari wieder ausgepackt und begraben haben.
Doch wer weiß das schon?

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In der „Holy Cross Abbey“, nahe der südirischen Bischofsstadt Thurles, gleichfalls ein ehemaliges Zisterzienserkloster wird angeblich (?) ein Splitter des Kreuzes Christi aubewahrt.
Ich besuchte während der vergangenen Jahrzehnte eine erkleckliche Reihe von religiösen Einrichtungen mit ähnlicher Triumph-Werbung.
Demnach hätte das Holzteil größentechnisch locker für die gesamte Familie King Kong gereicht.

Auch ein Teil der Vorhaut-Reliquie des Heiligen wird an zahlreichen Orten verehrt. Christi Eichel könnte man dann gleichwertig neben das Leipziger Völkerschlachtdenkmal stellen.

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Irland, die Insel der Schafe

Eigentlich wollte ich ein Lämmer-Quartett fotografieren, was aber ein dummes Schaf nicht akzeptieren wollte und sich hurtig entfernte. Ich brüllte hysterisch: „Bleib stehen, du dummes Schaf“, doch sprang es in der gewohnt albernen Jungschaf-Hüpferei ins hohe Gras.
Mir schien, ein unterdrücktes Heiterkeitsgurgeln in der Herde vernommen zu haben.
Deshalb nur ein Terzett.

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Irland, die Insel der Sheela-na-Gigs

Killinaby, unweit von Lisdoonvarna, am Fuße des Burren.

Plastisches Detail an einer Kirchenruine, ich vermute, Ende des 15.Jahrh./Beginn 16.Jahrh.
Darstellung einer Sheela-na-Gig.
Eine weibliche Figur, die mit ihren Händen die Vulva spreizt. Ein feines Angebot.
Vermutlich eine keltische Göttin, welche die Fruchtbarkeit verkörpert und deren Bedeutung, trotz der irischen Christianisierung, weitergeführt wurde.
Nicht ganz selten in Irland und England.
Etwas Phantasie muss sein. Doch das sollte zumindest dem maskulinen Bevölkerungsteil schon gelingen.
Ich vermute, dass diese Darbietung sich bei den heutigen Maßstäben keinesfalls für eine gefällige und stabile Erektion anbietet. Diese Vulva ist ja auch von einem halben Jahrtausend gezeichnet. Und wer will das schon mit einer Erektion belohnen.

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Irland, die Insel der mittelalterlischen Bildhauerei

Jerpoint Abbey

Grabmal des des Bischofs O`Dulony, erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die sogenannten „Weepers“. Die „Weinenden“.

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Irland, die Insel der skrurrilen Bäume…..

Dazu der zweite Teil der immer noch beängstigend begehrten, doch eher unregelmäßig bearbeiteten Serie: „Wo ist der Jürgen?“ Heute: „Wo ist der Jürgen in Irland?“, Teil 2.

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….und der Autographenbäume, eher weniger nah…

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….halbnah

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…..nah

Blutbuche im „Coole Park“, unweit von Gort im mittleren Westen Irlands, Lebensort von Isabella Augusta Gregory, irische Dramatikerin, heute weitgehend vergessen. Aber ständige Gastgeberin für Mitglieder der globalen Literaturelite, die ihr Autogramm in den Baum einsäbelten, u.a. Shaw, Yeats und O`Casey.

Bei Nummer 2 hat George Bernard das Messer geprüft.
Schwierig nachzuvollziehen, doch wenn man vor dem Baum steht, erschließen sich die Schriftzüge.
Rechts neben der 2 das G, darunter B, recht gut zu erkennen, darunter das S, weniger gut zu erkennen.

Teil 2 folgt

Musik des Tages

Arvo Pärt: „Arbos“ für 8 Blechbläser und Schlagzeug
„These Words“ für Streichorchester und Schlagzeug
„Fratres“ für Kammerensemble

Dmitri Schostakowitsch: Sämtliche Streichquartette (15)

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Juni 23, 2015 Posted by | Geschichte, Kunst, Leipzig, Neben Leipzig, Reisen | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und eine dringliche Kulturempfehlung. Dringlichkeitsstufe: Dringlich. 6. Intenationale Schostakowitsch Tage Gohrisch. 19.-21. Juni

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Schostakowitsch – Fünfzehn Streichquartette – Aus meinem CD-Reservoir.

Das 8.Streichquartett komponierte Schostakowitsch in Gohrisch, neunzig Autominuten von Leipzig entfernt.
Seit 2010 gibt es deshalb die „Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch“.

Am 19.Juni (Freitag) wird das diesjährige Fest eröffnet (bis Sonntag).

Freunde der Notenkunst, die nicht nur bei Verdis Gefangenenchor, bei Beethovens Götterfunkengequäke, Tschaikowskis b-moll-Geklimper oder zur Not noch bei der Orffschen Vertonung der benediktbeuerischen Ferkelei-Gesänge die Ohren öffnen, sollten sich mit diesen 7 (!) Konzerten an drei Tagen selbst beschenken.
Über den gegenwärtigen Stand des Kartenverkaufs bin ich nicht informiert.

Der sogenannte Festivalpass für alle Konzerte kostet 210 Euro. Natürlich sind auch Einzelkarten käuflich zu erwerben.
Das wird ein unerbittliches Wochenende, allein am Sonnabend finden sich die Musiker zu vier Konzerten zusammen.
Ich bin mit Vorfreude, tausenden Noten im Gedächtnis und einer Flasche Whiskey irischen Ursprungs bestens gewappnet.

Im vergangenen Jahr wurden die Tage durch die Anwesenheit und Mitarbeit von Sofia Gubaidulina, dieser wundervollen alten Frau und Gidon Kremer veredelt.

In wenigen Tagen wird Arvo Pärt, ein estnischer Gigant der zeitgenössischen Musik im Elbsandsteingebirge erwartet, u.a. mit zwei deutschen Erstaufführungen.

Die Konzerte bieten Musik von Schostakowitsch, u.a. drei Streichquartette, für mich Höhepunkte der Musik des 20.Jahrh. Von Arvo Pärt, Benjamin Britten, Mjaskowski und Zaderatsky. Also Musik, nach denen sich sensible und intelligente Ohren sehnen.

In einer Pause könnte man die wundervolle Marienkirche in Pirna besuchen, mit ihrem Netzgewölbe und den skurrilen Spiralrippen und Astrippen. Nur 16 Kilometer entfernt.
Doch bietet das Elbsandsteingebirge auch Berge zur Besteigung an.
Oder man träumt einfach nur vom folgenden Konzert.

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Arvo Pärt – Te Deum – Aus meinem CD-Recervoir

Natürlich können derartige, gemäßigt populäre Veranstaltungen, nur durch zahlende Besucher weitergeführt werden.
Das Konzert in Leipzig mit Grönemüller vor einigen Tagen wurde von 45 000 Besuchern heimgesucht.
Ein paar Hundert sollten es in Gohrisch schon werden.

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Juni 15, 2015 Posted by | Leipzig, Musik, Neben Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar