Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, zwei Kulturempfehlungen, zeitgenössische Musik in Leipzig, Steffen Schleiermacher, Cy Twombly in Altenburg und begehrende Frauenhände

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Jürgen Henne vor gefühlten zweihundert Jahren bei der Vorfreude auf ein Konzert mit zeitgenössischer Musik. Die begehrende Hand ist eine schöne Frauenhand. Der Grundgestus mich begehrender Frauenhände hat sich erhalten, nur mein Gesicht veränderte sich nach fast vierzig Jahren, aber recht unwesentlich.

Und meine heftige Neigung zu zeitgenössischer Musik festigte sich auffällig. Deshalb mein Vorschlag für eine anspruchsvolle Freizeitgestaltung.
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Freitag, 3 Juli, bis Sonntag, 5. Juli, also drei nachfolgende Abende:

Schaubühne Lindenfels, Leipzig, Karl-Heine-Straße 50.

Musik u.a. von Cage, Crumb, Messaien, Laangaard, Poppe, Widman, Berio, Xenakis, Schulhoff.

Mit dem Ensemble Avantgarde, mit Martin Steuber(Gitarre), Erwin Stache(Installation), dem Arditti Quartett und natürlich Steffen Schleiermacher(Klavier) u.a.
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Gisela Hoyer von der bemoosten Uralt-Gilde der Leipziger Volkszeitung würde jetzt diese Hinweise mit einem launig-schlichten „Sehen wir uns?“ oder einem besonders einfältigen „Hingehen!“ abschließen. Ich werde mich dessen hüten, doch schlecht wäre es natürlich nicht.

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Cy Twombly

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Cy Twombly

Cy Twombly im Altenburger Lindenau Museum. Ich bin nicht ganz zufrieden. Gezeigt werden neben bemerkenswerten Arbeiten grafischen und zeichnerischen Zuschnitts auch zahlreiche Fotografien, die ich nur als mäßig bedeutsam bewerten kann. Natürlich sollte man vermeiden, die Möglichkeiten Altenburgs mit Wien zu vergleichen, wo im Museum Moderner Kunst gleichfalls eine Twombly-Ausstellung angeboten wird.
Vielleicht schreibe ich in Bälde noch ein paar Zeilen zu Twombly in Altenburg. Doch werde ich zur Zeit von einer bemerkenswerten Apathie behelligt, mich über Ausstellungen zu äußern (s.Lüpertz).

Da öde ich lieber über bekloppte Wiederholungen von dümmlichen Ergebnissen journalistischer Kraftakte.
So gibt es die Eisprinzessin (Witt), den Literaturpabst (Ranicki), das Boxenluder (habe ich vergessen), den Malerfürst (Lüpertz, Tübke) usw. Jeder labert diesen langweiligen Mumpitz nach und setzt ihn als Originalitäts-Urin auf seine Hitliste. Jetzt ist der King of Pop dran.
Michael Jackson hat mich nur am Rande interessiert, doch sollte man sich ernsthafter mit ihm beschäftigen
.

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Juni 27, 2009 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, Grünewald, Holbein, Bosch, Zander, Griesel, Triegel und mit Bildern Tübkes auf den Osterinseln

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Werner Tübke, Lebenserinnerungen des Dr. jur Schulze VII.
(Ausschnitt)

Dieses Bild ist das Grauen, zuverlässiges Material, um einen Frei-u. Feingeist in einen ästhetisch -plakativen Albtraum zu stürzen.

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s.o. (Ausschnitt)

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Vergelt`s Gott oder auch nicht, dass im Großraum Leipzig wichtige Ortschaften wie Chemnitz, Halle, Weimar, Dresden, Apolda, Berlin in überschaubaren Zeiten erreicht werden können, also zwischen Frühstückstoast und Abendsuppe.
Denn sie bieten, anders als die Siedlung Leipzig und deren Ausstellungsangebot, nach dessen Kenntnisnahme Frühstückstoast und Abendsuppe halbverdaut wieder nach oben drängen, ein bemerkenswertes Ausstellungs-u.Galerieprogramm.

Denn Leipzig muss sich zunächst mit Werner Tübke plagen. Wobei ich seine handwerkliche Genialität nicht bezweifeln möchte. Doch ich kann die Bilder nicht mehr ertragen. Zu DDR-Zeiten mit diesen Gurken gnadenlos dauerbelästigt, treibt mich der Renaissance-Bofel, hier etwas Bosch, da ein Häppchen Grünewald und Holbein, garniert mit Endlos-Zitaten aus der Kunstgeschichte in eine ewige Rezeptions-Apathie.

Dann gibt es in unserem Museum bald Leipziger Kunst 1949/2009, da schlafen mir jetzt schon meine Edelfüße ein. Natürlich mit Mattheuer und Tübke und sicherlich auch mit einigen Kostbarkeiten aus den Schreckens-Ateliers von Zander, Griesel, Triegel, Fischer-Art, Perlet und Ruckhäberle. Hoffentlich aber auch mit Arbeiten von Bernhard Heisig, zweifellos der bedeutendste Künstler Leipzigs der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts.

Und dann wird Neo Rauch das Leipziger Museum beherrschen, doch einfach zehn Jahre zu spät. Denn irgendwie wird bei Bildern Rauchs inzwischen nur noch gelangweilt abgewinkt. Und das ist schade. Denn seine Kunst im mittleren Stadium kann man getrost in die Rubrik „Weltkunst“ einordnen.
Doch Hans-Werner Schmidt ficht das alles nicht an. Er zieht sein Notprogramm durch und wird noch gefeiert. Doch ich befinde mich inzwischen auf den Straßen nach Altenburg, Halle, Weimar, Chemnitz…..

Und ich stelle mir vor, ich hause auf den Osterinseln mit diesen Steinschädeln und zweitausend Tübke-Bildern. Welches Oeuvre würde ich wohl in den Ozean werfen?

Juni 18, 2009 Posted by | Leipzig | 1 Kommentar

Jürgen Henne, Niki de Saint-Phalle, Else Buschheuers verschlossene Türen, Menhire im Regen, Koma an der Newa und ein Leben ohne Twitter

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Jürgen Henne, gewichtigen Schrittes und mit bedeutender Mimik, grübelt über sein künftiges Verhältnis zu Twitter
Dalyan,Türkei
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Jürgen Henne im weißnächtlichen Koma nach der ersten Berührung mit Twitterbeiträgen und nach der Tilgung verschiedener Büchsen- u. Flascheninhalte (s. Müllkübel daneben).
St.Petersburg, Russland
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Jürgen Henne sucht ungetwitterte Dialoge mit den panischen Glitzer-Korpulenzen von Niki de Saint-Phalle…
Südliche Toskana, Italien

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…und in der Einsamkeit korsischer Menhire
Filitosa, Korsika
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Als ich die frohe Kunde von Vorboten zur Kenntnis nahm, aus der man schließen könnte, dass sich auf der kommunikativen Ebene der twitternden Edelschreiber eine funkelnde Elite etabliert*, war mein Begehren eindeutig markiert.(*gelesen im Spiegel, in der Süddeutschen…?)
Ich wollte meinen Blog, diese Lächerlichkeit, schließen und um den Einlass in dieses Wunder-Reich kämpfen.
Angstvoll begann ich twittrige Texte zu lesen, getrieben von der Vorstellung, diesen Ansprüchen nicht genügen zu können.

Und ich las:

— „zum Beispiel Schnaps und Zigaretten, sind das Lebensmittel oder Todesmittel?#schmaler Grat“

Na, gut, Grass hat auch viel Müll geschrieben

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Und ich las:

— „hab der rewe-Kassiererin
zugezwinkert und gleich 5 treuepunkte
gekriegt. die Menschen hungern nach Zuwendung“

Okay, Handke schreibt auch nicht fugenlos erstklassig.

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Und ich las:

— „habe Kräuterquark mit dem Messer
gegessen und mir die Lippe
zerschnitten#feinmotorik“

Auch Schiller nervt hin und wieder.

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Und ich las:

— „es ist eine höllische Sache mit
dem Selbstbewusstsein, manche
haben zu wenig, manche zu viel davon“

Spätestens jetzt verformte sich wegen Unterforderung mein Gehirn zu einem Schaschlick, lechzten meine Augen nach geschlossenen Lidern und ich erkannte schlagartig, dass die Verfasserin dieser Nullsätze von der eigenen Überzeugung gepeinigt wird, umfassende, komplexe Texte mit komplexen Inhalten sprachlich und intellektuell nicht bewältigen zu können.
Es wird dann mit Begründungen wie Zeitökonomie, mit notwendiger Straffung der Gedanken, mit Zeitgeist hantiert. Dabei rumpelt sich nur der traditionelle Not-zur-Tugend-Komplex durch diese Begründungen. Die Twitterbolde müssen diesen Rückzug wählen, weil sie immerhin noch die Einsicht verarbeiten können, dass genau diese Ebene ihr Terrain ist, auf der, inmitten von Informationspanik, von Rudimenten und Piktogrammen die Hoffnung besteht, dass die eigenen Unfähigkeiten übersehen werden.

Diese getwittrigten Untaten (oben), diese Sprachsülze laberte Else Buschheuer ab und sie sind keine besonderen Ärgernisse sondern der Durchschnitts-Sound…und nicht nur bei Else Buschheuer, die allerdings schon in Ihrem Internet-Tagebuch als Bannerträgerin der literarischen Dürftigkeit fungierte und mit erbärmlichen Klischees, nässenden Imitationen und aggressiv-lächerlichen Verschleierungsriten ihrer biederen Normalität und Anpassungshysterie den Leser behelligte. Doch sollte sie auf twittelnden Übermittlungsformen beharren. Und vielleicht die Maximallänge noch etwas reduzieren, dann als wittern oder ittern oder ttern…..

Es gibt wundervolle Aphorismen und Bonmots, also keine Polemik gegen reduzierte Sprache und bei notwendigen Blitzinformationen z. B. bei Politik und Sport ist Twitter eine angemessene Lösung. Doch an diese Zelebrierung der Alltagsbanalität ohne literarischen Wert, mit geistigen Kübelresten und dem Anspruch einer elitären Sonderstellung muss man sich erst gewöhnen. Denn Else Buschheuer twitttellst selbsbewusst:

„heute rüttelt meine Sprachgewalt an verschlossenen Türen“

Die verschlossenen Türen sind eine zwingende Notwendigkeit, die Sprachgewalt kann ich bei Ihr nicht nachvollziehen, sie bezeugt dadurch ihre herausragende Fähigkeit, Selbstanalysen wissentlich und arglistig zu missdeuten, ein Heißsporn mit einer drolligen Hybris.

Ich werde meinen Blog nicht schließen, dieser Elite entfliehen und Twitter meiden wie die Geschöpfe mit dem auffälligem Gebiss-Design den Knoblauch.

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Juni 13, 2009 Posted by | Kunst, Leipzig, Neben Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, zeitgenössische Musik zum Pfingstfest in Rheinsberg, Rossow, Menz, Wittstock an der Dosse, Tschaikowski, Morton Feldmann und Morton Feldman, Steffen Schleiermacher, der Stechlin und ein Leben ohne Nordic Walking

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Rheinsberger Musiktage zu Pfingsten. Rheinsberger Pfingstwerkstatt Neue Musik 2009.

„Licht und Schatten“ – sprachlich und intellektuell sicher nicht gerade eine originalitätsbegnadete Ewigkeitsikone.

Diese Musiktage gibt es seit sechzig Jahren. Aktuelle Musik wurde vor achtzehn Jahren hinzugefügt. Wobei mir scheint, dass inzwischen etwas Apathie vor sich hinsumpft. Zumindest eine Nuance Desinteresse der Veranstalter gegenüber Besuchern und Musikern.
Das erste Konzert mit aktueller Musik endete nach vierzig Minuten, nicht gerade eine abendfüllende Veranstaltung. Kommentarlos, nur öde unterbrochen durch eine lächerlich blasse Preisverleihung (Berlin-Rheinsberger-Kompositionspreis 2007). Keine Ahnung, warum 2009 der Preis von 2007 verliehen wird.
Man glaubt vielleicht, die Touristen kommen ohnehin, weil hier Friedrich der Große, Fontane und Tucholsky herumgurkten. Deshalb könnte man sich hier und da eine kleine Zumutung gönnen. Glaubt man.
Bei derartigen Gefahren empfehle ich eine Kontaktaufnahme mit Steffen Schleiermacher, seit Jahren Organisator ähnlicher Veranstaltungen in Leipzig, wobei die Erwägung möglicher Weiterbildungsmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden sollte.

Mich treibt eigentlich nur die zeitgenössische Musik seit Jahren nach Rheinsberg, Daneben werden natürlich auch Beethoven,Händel, Vivaldi, Johann Adolf Hasse, Quantz….vielleicht auch Tschaikowski angeboten.
Heftige Müdigkeitsattacken könnte ich aber dabei vielleicht nicht bannen.
Denn bei Beethovens 5.Sinfonie greife ich in meinen heimatlichen Räumen zügig zur Fernbedienung des Radios und schon herrscht eine stabile Phon-Null. Bei Tschaikowskis erstem Klavierkonzert (b-Moll) werfe ich eine Axt gegen die Lautsprecher und dessen „Capriccio Italien“ unterbinde ich durch meinen kraftvollen Wurf mit dem Kühlschrank zwischen die UKW-Wellen. Tschaikowskis sechste Sinfonie ist natürlich bemerkenswert, die Kammermusik zum Teil von höchstem Rang und „Pique Dame“ ein Opernwunder, Soweit mein Verhältnis zu Tschaikowski.

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Schloss Rheinsberg. Im Mittelalter Wasserburg. Ab 1736 bewohnt Friedrich II. diese Hütte. Zügige Veränderung u.a. durch Knobelsdorff (auch Sanssouci/Potsdam). Ab 1772 von Heinrich Prinz von Preußen besetzt, Bruder Friedrich des II. Gleichfalls Veränderungen und Erweiterungen u.a. von Langhans (auch Brandenburger Tor).

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Zwei Männer in Betrachtung des…………………………………………………….Flügels
(etwas verschwommen)
Ulli Götte und Thomas Gerwin

Doch stagnierten sie nicht bei der Betrachtung, sondern forcierten ihren Auftritt mit der Malträtierung dieser Tastenkiste, unterlegt mit Perkussion und Live-Elektronik.
Außerdem u.a. Musik von Georg Katzer, ein Stück für Solovioline (Susanne Zapf) mit elektroakustischem Zuspiel von Thomas Gerwin und mit Dauergänsehaut, eine Komposition für Kontrabass und fünf Lautsprecher von Pei-Yu Shi und eine Tanzperformance mit Iris Sputh, Perkussion und Live-Elektronik.

Aber auch Musik von Stockhausen, Xenakis, Crumb, Morton Feldman. Im gedruckten Programm läuft er unter Morton Feldmann. Nicht der Rede wert. Doch im Ensemble kleiner und größerer Zumutungen vielleicht symptomatisch.

Vor, zwischen und nach der Musik dann…….
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……..Rossow, Ostpriegnitz.Dorfkirche aus Feldstein, um 1500. Altarretabel aus Eichenholz, Anfang 14.Jh. Mittelteil unten, Kreuzigungsgruppe. Vermutlich ehemaliger Hauptaltar des Havelberger Doms, seit 1607 in Rossow, als Folge der Reformation.

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Rossow, Dorfkirche. Wandmalerei, Ausschnitt. Erstausmalung um 1520.
Biblische Szenen.

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Menz, Gemeinde Stechlin, Feldsteinkirche. Romanische Grundmauern. 1585 vollendet. Turm von 1772. Einhundert Jahre später Erweiterung um Querschiff und Apsis. Im Kirchenschatz ein ansehnlicher Abendmahlkelch von 1665.

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Wiitstock /Dosse, Ostpriegnitz/Ruppin. St.Marien. Rechter Altarflügel unten, Spätgotik. Claus Berg zugeschrieben. Dargestellt sind Philippus mit Kreuzstab, Bartholomäus mit Buchrolle und Jacobus d.J. mit Tuchwalkerstange. Außerordentlich expressiv, manierierte Drehungen, schlotternde Gewänder. Irgendwie denkt man entfernt an Veit Stoss. Man beachte die Frisur von Jacobus.

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Wittstock/Dosse. St.Marien. Madonna aus Sandstein, um 1400. Annäherung an die „Schönen Madonnen“ des „Weichen Stils“. Recht selten in nördlichen Regionen. Ob Verbindungen zu Böhmen Karls d.IV bestehen, als in Prag diese stilistischen Besonderheiten zelebriert wurden (Parler), ist noch unbewiesen.

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Weitgehend unbekannter und wundervoller See mit menschlicher Anwesenheitsaskese in der Nähe von Rheinsberg. Und ich werde mich hüten, die geografischen Koordinaten preiszugeben. Denn ich würde gern weiterhin auf die Anwesenheit affiger Nordic-Walking- Fetischisten verzichten. Gleichfalls würde ich ungern Herden getriebener Radfahrer, die mir mit ihren Lenkern die Nieren zertrümmen, eine Begrüßungshymne zujubeln.

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Stechlin bei Neuglobsow. Hinweise zur Literaturgeschichte werde ich meiden. Ich denke, dass die Leser
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Juni 4, 2009 Posted by | Kunst, Leipzig, Musik, Neben Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar