Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne und ein Gemüsestillleben, Schlammmuränen, Paranusssülze, Funktionärsgalle, Dufy und Marquet im Nebelvorhof, Matisse in Sankt Petersburg, halbweich gegarte Kastanien, die Erniedrigung des Pylorus, Polyphem in der Pfanne, Hochlandbambus und Flachlandpilze, die Hybris um Munch und Totenschädel in einem vergitterten Kotzkübel

Jürgen Henne. Gemüse-Stillleben mit Rosinen, 21.Jahrhundert, Wochenendeinkauf

Ich liebe es, Buchstaben gleicher Formung zu einem Trio zu vereinen.
Noch besser als L eignet sich das M wie Schlammmuräne oder Kammmolch. Auch das N bietet feine Kreationen wie Zinnnonne oder S wie südparaquayische Paranusssülze.
Das dreimalige H verschließt sich mir noch etwas.

Der Text zum Gemüse wird unten weitergeführt, denn es gibt noch andere Stillleben.

Claesz, Vanitas-Stillleben

Aus dem sogenannten Goldenem Zeitalter der Niederländischen Malerei im 17.Jahrhundert. Kalf, Heda könnten z.B noch erwähnt werden.
In Deutschland hat Stoskopff derartiges Zeug gemalt.
Im Leipziger Bildermuseum hängt ein ansehnliches Teil von Heda.
Und im vergitterten Kotzkübel DDR der 70er Jahre gab es ein Vanitasstillleben von Rudolf Nehmer, dass in studentischen Kreisen recht ausgiebig zelebriert wurde.
Denn wenn sich Totenschädel, verblichene Bücher, Sanduhren (Stundenglas) und verlöschende Ölfunzeln sich über die Fläche verteilten, wurde der infantil-sozialistische Optimismus getrübt und die Funktionärsgalle schwappte zwischen die Zähne.
Deshalb liebten wir dieses Bild.
Ich weiß, dass in meinem Anarchiezimmer irgendwo ein kleiner Katalog Nehmers lagert. Ich weiß aber auch, dass die Chance ihn zu finden, doch recht dürftig ist.

De Heem, Blumen-Stillleben, 17.Jahrhundert

Cezanne, Stillleben, 19.Jahrhundert

Ich bitte um eine Verbeugung.

Matisse, Stillleben, 20.Jahrhundert

Recht hübsch.Doch nachdem ich nun ausgiebig vor den Originalen stand, z.B. in Sankt.Petersburg, kann ich nicht mein Unverständniss über die allgemein zugewiesene Sonderposition von Matisse im Rahmen der Fauves mildern. Für eine detaillierte Darstellung der Gegenposition wäre ich geeignet, ist mir aber momentan zu beschwerlich.

In der traditionellen Beurteilung, der Wertigkeitsverteilung und der öffentlichen Beachtung durch Ausstellungen oder bei entsprechenden Forschungsarbeiten über die Fauves agiert Matisse natürlich souverän.
Danach starren Derain und Vlaminck genervt aus dem Nebel der Ignoranz.
Doch gibt es ja auch noch Dufy, Marquet, Friesz, Manguin, Valtat….Sie schlurfen noch nicht einmal im Vorhof zum Nebel.

Ähnlich empfinde ich die Hybris um Munch, dessen Bilder mich in Bergen und Oslo von Seufzer zu Seufzer führten.
Sicherlich gibt es einige hochwertige Arbeiten. Und die Bearbeitung psychischer Vorgänge und existenzieller Bedrohungen muss unbedingt hervorgehoben werden.
Doch das gesamte Werkverzeichnis brodelt vor etwas schlichter Symbolik, mäßig spannenenden Allegorien und weitgehend mittelmäßigem Handwerk.
Man sollte deshalb einen Blick auf die Kunst James Ensors wagen, fast identisch mit Munchs Geburts-u.Abgangsdaten.

Henne, Gemüse-Stillleben mit Rosinen, 21.Jahrhundert

Ich bin ja nun nicht der besessene Nahrungsverdauer, welcher unnachgiebig sich irgenwelche Moose und Farne eintrichtert, bereichert um ein kleines Kamilleblütchen und zwei halbweich gegarte Kastanien.
Da werden ja die Zähne blau und der Pylorus schindet sich mit Erniedrigungsgefühlen und der Gewissheit, bei körperlichen Abläufen unterfordert zu werden.
Einen mehrjährigen Akt absoluter Entsagung bei der Vertilgung von Erdbewohnern mit zwei Augen ( McCartney ; Also könnte man Polyphem an die Gurgel) habe ich aber auch schon bewältigt.
Den Katalysator spielte dabei eine Reportage, in der Meereschildkröten wie gelb-braune Rentnerschlüpfer an einer Leine befestigt wurden und lebend jämmerlich verdorrten. Soll dann besser schmecken.
Ich überstreifte gedanklich alle Panzer verendeter Schildkröten und bildete eine martiale Abwehr gegenüber fleischlichen Verlockungen. Natürlich nur aus dem Kochtopf. Vor den anderen Versuchungen ist selbst Titan Jürgen nicht gefeit.
Außerdem bin ich nicht der heilige Antonius.
Ich suhlte mich dabei in der Vorstellung, allen Schildkrötensuppensäufern als Nachschlag eine Portion gelb-brauner Rentnerschlüpfer zu gönnen, ungewaschen.

Ich beendete vorläufig diese asketische Fresserei, als bei einer Feier siebenundneunzig Peking-Enten in gebratener Konsistenz serviert wurden, ich aber Hochlandbambus und schlüpfrige Flachlandpilze hinunter würgte. Den wohligen Schmatz-u.Rülpsorgien musste ich danach eine übellaunige Zahnstocherei nach saublöden Körnern entgegensetzen.

Gewöhnungsbedürftig entwickelten sich dann auch Szenen, wenn die Gastgeber über Tage die edelste Fleischmahlzeit zusammengestellt hatten und ich naschte während der feierlichen Mittagsstunde nur die Möhre am Tellerrand, ohne die feinschmeckerischen Grundlagen der Speisekarte zu würdigen.
Eine gewisse Skepsis gegenüber kontinuierlicher Fleischverschlingerei hat sich erhalten, aber ohne radikale Inszenierungen und ein Wochenendeinkauf, wie im Bild präsentiert, ist immer noch ein Segen.

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August 31, 2011 Posted by | Kunst, Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und Loriot

Für Loriot.

Mich nerven Zeitgenossen, die ohne Unterlass plärren, dass früher ohnehin alles besser war. Natürlich bieten sich manche Abläufe an, ein gerüttelt Maß Skepsis bereit zu halten (s.vorheriger Text).

Doch wäre es müßig, Loriot immer wieder mit Mario Barth oder Cindy aus Marzahn zu vergleichen, um den kulturellen Absturz zu belegen. Vielleicht sollte man den Versuch erörtern, ihn mit Pispers oder Schramm abzuwägen. Dann wäre die heutige Zeit doch zu ertragen.

Und auch die gesamte Kunstgeschichte wurde von Moden, von zeitgeschichtlichen Marotten beeinflusst.
So konnte Piloty im 19. Jahrhundert als hoch verehrter Historienmaler im Triumph schwelgen, während wesentlichere Akteure in der Masse verschwanden, die heute aber ihren Namen im Olymp nicht mehr zu verteidigen brauchen.
Piloty dagegen interessiert heute kein Schwein.

Eine ähnliche Entwicklung wird sich auch im Verhältnis von Loriot zu Barth bald abzeichnen.

Trotz meines Widerwillens zu überladenem Nostalgiegeplänkel, welches die aktuelle Existenz erniedrigt, werde ich mich kurz, aber betont und nachhaltig den Trauersängern an die Seite stellen.

Als eine meiner bevorzugten Aktionen Loriots, die eben auch mein Fach betrifft, gilt die Szene, vielleicht aus einem Stummfilm, bei der irgendein Blödmann aus der Mülltonne steigt, fällt und sich seine Nase verbiegt. „Experten“ diskutieren dazu hysterisch die politischen, historischen und soziologischen Aspekte dieses Vorgangs.
Loriot erahnt hier außerordentlich weise, wie sich heute Kunstrezeption abspielt.
So hatte ich zum Beispiel vor Jahren einen Beitrag über einen Künstler zur Kenntnis nehmen müssen, der ständig rohes Fleisch an die Wand nagelte.
Soll er machen.
Nur die verbale Sülze eines „Theoretikers“ ließ meine Cholerik-Gene schäumen.
Er faselte von der Beziehung dieses Werkes zu den Vorsokratikern, zu Aristoteles und den Zisterziensern und endete bei Rosa Luxemburg, Goebbels und Tarzan.
Eine einzige Frage von mir, die um eine Vertiefung bat, erhöhte das Sülzpotential, erschuf aber auch eine Gesichtsfarbe der Scham und des Zorns, wogegen das Radieschen als Bleichgemüse erscheint.
Und diese Entwicklung der Kunstheorie zu einem infantil geführten Casino für labernde Legionen lärmender Selbstdarsteller, die sich gegenseitig pseudowissenschaftlichen Müll um die Ohren knallen und sich nach einem Elite-Status sehnen, hat Loriot sehr weise erkannt.

Also eine Gedenkminute.

Und dann hole ich mir jodelnd einen Kosakenzipfel aus dem Kühlschrank.

August 23, 2011 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, Bertold Brecht, Max Frisch, Jürgens Kaukasischer Kreidekreis, mit Homo Faber in intellektuelle Randkulturen, globale Schludrigkeiten, Masur in einer sozialistischen Spätverkaufstelle, Feuerwerksmusik für August, Joe im Summer in the City, Irritationen im Bettradio und verhöhnt mir mein Bauhaus nicht


Max Frisch und Bertold Brecht

Im Grunde ist diese kleine Auffälligkeit kaum geeignet,die Tastatur zu aktivieren, recht unerheblich, aber auch skurril und etwas symptomatisch.
Meine Kenntnisse der slowenischen Sprache sind ja nun doch eher lückenhaft. Ein Hinweis, dass ich kein Wort verstehe, wäre noch etwas präziser formuliert
Doch sind mir die äußeren Erscheinungsbilder von Max Frisch und Bert Brecht durchaus gegenwärtig.
Über den Kaukasischen Kreidekreis schrieb ich in meinen späten Jugendjahren, also kurz nach der Schlacht auf dem Lechfeld, eine größere Arbeit und Stiller, Gantenbein, Homo Faber musste man lesen, um zu unheilvollen DDR-Zeiten in intellektuelle Randkulturen aufgenommen zu werden.

Nun erschienen in Slowenien die Tagebücher von Max Frisch 1966-1971, eine Lizens des Suhrkamp Verlages und mich deucht, auf dem Buchumschlag Bertold Brecht wahrzunehmen.

Sicherlich werden die Schweizer Literaturhistoriker deshalb nicht zornig am Käse verröcheln, ist es doch eigentlich nur ein Beispiel dieser globalen Schludrigkeiten, welche inzwischen gemeinschaftlich ignoriert und bei jüngeren Semestern als revolutionär, unangepasst, gegen den Strom schwimmend und cool zelebriert werden.
Mir erscheint es etwas dürftig und die intellektuelle Leistung ist doch recht bescheiden.
Bei dem Brecht-Frisch-Tausch vermute ich aber eher ein Versehen.
Ich weiß natürlich, daß beide sich häufig trafen und Frisch seine Erinnerungen an Brecht schriftlich fixierte, die 1966 erstmalig erschienen,30-seitig.
Und auch in dieses Tagebuch wurde scheinbar der Text aufgenommen.
Doch deshalb musste man doch nicht geschwind Hauptakteur Frisch an repräsentativer Stelle durch den Statisten Brecht ersetzen (zumindest nicht bei dieser Veröffentlichung).

Nach dem Konzert Robert Plants am Grab Brechts auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof

Ein Bildnis Kurt Masurs wäre dann als Dekoration für meine Tagebücher eine angemessene Lösung. Denn Mitte der achtziger Jahre führte ich spät am Abend mit Ihm in der damaligen Spätverkaufsstelle am Leipziger Hauptbahnhof einen kleinen Dialog über Richard Strauss. Sicherlich hatte er sich nur gelangweilt. Denn die Warteschlange erreichte, wie damals üblich, beängstigende Dimensionen (Er erwarb Kaffee).

Oder Genscher als Buchschmuck für meine gewichtigen Notizen. Denn ich stützte ihn aufopfernd für wenige Sekunden, als er 1989/90 vor dem jetzigen Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu einer Veranstaltung preschte und etwas strauchelte.

Wie gesagt, im Grunde nicht der Rede wert.

Doch weil ich vor wenigen Tagen im Hörfunk zur Kenntnis nehmen musste, dass Händel seine Feuerwerksmusik für ein Event August des Starken schrieb (Georg II), das Original des Titels „Summer in the City“ dem Arm-Wipper Joe Cocker in die Kehle gelegt wurde (Lovin`Spoonful),keimen bei mir doch inzwischen erhebliche Irritationen.
Es gibt Bereiche, da ist mein Wissen unermesslich, mitunter auch überflüssig.
Und ein Besitzer dieser Kenntnise leidet dann natürlich besonders heftig.
Ich wollte den vergangenen Abend mit eingen Minuten der „Langen Nacht“ im Deutschlandfunk ausklingen lassen und aktivierte gegen 0.10 Uhr mein Bettradio, Thema war Belgien. Nach etwa 10-15 Minuten wurde die Sendung unterbrochen, mit dem Hinweis, dass man versehentlich nochmals das Band von 23-0 Uhr eingelegt hatte.
Absolut verzeihlich, doch diese Abläufe häufen sich.

Im Zusammenhang mit einer Ausstellung im Berliner Gropiusbau laberte der Kritiker eines Radiosenders ohnehin fünf Minuten nur dummes Zeug und wählte Walter Gropius als Architekten für dieses Haus, welches aber Martin Gropius zusammenfügte (u.a.). Martin agierte als irgendein Onkel von Walter.
Scheinbar angetrieben durch seine „Fundamentalkenntnisse“ sülzte er gleich noch sein Achtelwissen über das Bauhaus durch den Äther und trieb Martin Gropius in die Position des Bauhaus-Gründers.
In mir entfaltete sich eine Quelle möglicher Empörung.
Wie gesagt, es häuft sich.
Vielleicht gibt es aber auch triftige Gründe, die Tagebücher Frischs (1966/71) an herausragender Stelle mit dem Bildnis Brechts zu illustrieren.
Und ich bin einfach nur zu blöd, die Zusammenhänge zu erfassen

Brecht

Brecht

Brecht

Brecht

Brecht

Brecht

Brecht

Und jetzt Max Frisch

Max Frisch

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August 21, 2011 Posted by | Leipzig, Literatur, Neben Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, Ziegenkäseartiges, Schwielensohlen und Hornträger,Langschwanzgoral und südlicher Seran, eine Zuckerart, Sulguni aus Georgien, Ekel bei körperwarmer Ziegenmilch, Hufschweiß, Hornschuppen und Ziegenähnliche in Mexiko

Käsecremewaffeln
Ziegenkäseart

Handwerklich hergestellt

Ich werde ja schon bei Hinweisen auf „zuckerähnliche“ Substanzen, auf „Geschmacksverstärker“ oder „eine Zuckerart“ heftig genötigt, meinen halbvergorenen Mageninhalt mit kraftvoller Akustik auf den Auswurf vorzubereiten.

Doch was ist eine Ziegenkäseart?
Vielleicht eine Ziegenart mit Kiemen oder eine Käseart mit Gräten?

Ich denke, Ziegen bleiben Ziegen, gleichgültig ob sie in asiatischen Hochländern, oberhalb der Schneegrenze, albern von Gletscher zu Gletscher hüpfen oder ihre Hörner im sächsischen Tiefland am Elektrozaun schmelzen. Irgendwie ist die Gattung „Ziege“ zoologisch doch eindeutig definiert.

Und Käse bleibt Käse, gleichgültig ob er in Italien als Quartirolo oder in Georgien als Sulguni reift, in Irland als Coolea oder in Deutschland als Emmentaler gehandelt wird.
Die chemischen Prozesse dürften in den Grundabläufen doch übereinstimmen.

Die Ziege gehört aber auch zu den Paarhufern, die sich z.B. in Schwielensohlen und Wiederkäuer teilen. Die Wiederkäuer waren dann gewillt, Hornträger in ihre tierischen Legionen aufzunehmen, Seite an Seite mit Giraffenartigen und Gabelhornträgern. Die Hornträger mit den Unterfamilien Bovinae, Kuhantilopen u.s.w. entschlossen sich, innerhalb der Unterfamilie Ziegenartige die Gattung Ziegen zu bilden, woraus wiederum die Wildziege entsprang, die Ausgangsform der heutigen Hausziege.

Die Anpreisung einer „Ziegenkäseart“ in einem Gohliser Supermarkt wäre dann also korrekt. Denn dieses Meckervieh hat nun einmal den zoologische Katalogisierungsweg von der Ordnung Paarhufer und der Familie Hornträger bis zur Unterfamilie Ziegenartige und Wildziege theoretisch bewältigt. Die Wiederkäuer lagen auch noch irgendwo zwischendrin.
Also könnte man dann unter einer Ziegenkäseart eine Käseart von Ausscheidungen der Hausziege erwarten.
Oder vom Langschwanzgoral und vom Taiwan-Seran. Der Rote Goral und das Dallschaf würden sich anbieten. Auch Argali, Tschiru und Nilgiri-Schaf böten sich an.
Denn sie stammen aus der Unterfamilie der „Ziegenartigen“.
Es gäbe auch den Südlichen Seran, klingt besonders hübsch.

Doch glaube ich nicht so recht, dass in der „Ziegenkäseart“ in einem Gohliser Supermarkt Nilgiri-Schaf oder Argali verwendet wurden, Südlicher Seran schon gar nicht. Viel zu wohlklingend.
Ich vermute da eher Unrat und Kehricht. Warum schreibt man nicht schlicht und volkstümlich Ziegenkäse? Vielleicht ist das „Ziegenkäseartige“ nur geronnener Hufschweiß oder bearbeitete Hornschuppen.

Außerdem wurde ich einmal als kindlicher Bauernhoftier-Fanatiker recht erbarmungslos unter Druck gesetzt und musste einen Becher mit körperwarmer Ziegenmilch trinken….Bäh…Pfui Deibel….., die kleinen misslichen Erziehungsaktionen der Eltern. Nur gut gemeint, aber grausig inszeniert.
Noch bis heute schaudert mir bei warmer Milch, geschweige bei einer Ziegenkäseart in einem Gohliser Supermarkt.
In Bälde vielleicht einige Gedanken zur Bedeutung der Ziege in der Kunstgeschichte.

JH in Chichen Itza auf der Suche nach Ziegenartigen als Quelle zur Schaffung einer neuen Ziegenkäseart.

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August 17, 2011 Posted by | Leipzig, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und Robert Plant in Berlin, ein Konzert in Spandau, Testikel-Vibrationen bei „Whole lotta love“, Hendrix, Animals und Yardbirds, Plants Zähmung, Schreikrämpfe bei „Blowin` in the wind“, Askese bei kollektiv-rhythmischen Klatsch-Orgien, reichliche Portionen Country, die Schweißtropfen Mick Jaggers und Jimmy Pages legendäres Riff

Robert Plant

Ich schlurfe keinesfalls als ewiger Nostalgiger durch die Gänge, der nur noch bei der Erinnerung an verblichene Zeiten eine Erektion feiern kann, natürlich mit entsprechender Musik.
Es gibt auch heute grandiose Notenkunst, nur ist sie im Gesamt-Sud schwieriger zu finden.
Doch erinnere ich mich noch gern an die Verkrümmungen meines Körpers, als ich 1969 erstmalig Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ vernahm und meine spätpubertären Testikel im Skrotum heftig vibrierten.

Ich erkannte sofort, dass sich mit diesem wundervollen Lärm eine neue, rechtschaffene Musik entwickeln könnte.

Zumal der Eindruck keimte, dass die „alte“ Musik allmählich verröchelte. Denn im gleichen Jahr 1969 zelebrierten z.B. auch die Archies mit „Sugar Sugar“ und „Jingle Jangle“ heftige Siegeszüge in den nationalen Hitparaden. Und das ging eigentlich gar nicht.

Diese Klänge von Plant und Page, dieses Gedresche von Bonham hatten bei mir eine Euphorie ausgelöst, die sich außerhalb jeder Alltäglichkeit an jedem Körper-Molekül festgezurrt hatte.
Ähnlich exzessiv reagierte ich z.B bei „Hey,Joe“ von Hendrix, bei „When i was young“ und „Inside looking out“ der Animals, die Stimmen von Steve Winwood („Keep on running“, „Gimme same lovin`“) und Steve Marriott ( Small Faces ) trieben mich in eine reife Verzückung, „My generation“ der Who warf mich gegen die Wand und „Strawberry fields for ever“, „I am the walrus“ der Beatles, Canned Heats „On the road again“, Dylans „Like a rolling stone“ und reichlich Titel der Yardbirds („Heart full of soul“) hetzten meine musikvernarrten Sinne auf eine emotionale Spitze.

Robert Plant, August, Spandauer Zitadelle

So schließt sich dann der Kreis. Denn Robert Plant agierte selbst bei den Yarbirds, nannte seine neue Truppe zunächst New Yardbirds und später Led Zeppelin.
Also die Aufnahme einer Tradition mit höchstem Nimbus.

Vor einigen Tagen also Robert Plants Konzert in der Spandauer Zitadelle. Ein ordentlich gewähltes Terrain für zwei außerordentliche Stunden.
Eigentlich gibt es nicht viel zu schreiben. Ich werde mich daran halten.
Es bleibt die infantile Erkenntnis: Led Zeppelin der 70er Jahre ist eben nicht Plant 2011.
Er ist zahmer geworden, gebändigter.
Hin und wieder streiften etwas empörte Blicke die Bühne, weil Plant seine Urschreie von einst nur sehr sparsam riskierte. Doch er kann sie eben nur noch spartanisch verteilen, als fragmentarische Ausbrüche und würde sich bei exakten Kopien dieser Brachialgesänge der 70er Jahre einem Erstickungskoma nähern, er wird 63.
Und sind Aktualisierungen der eigenen Musik ohnehin oft ertragreicher und glaubwürdiger.
Bei einem Konzert mit Dylan vor einigen Jahren kulminierte die Misslaunigkeit meiner Nachbarin fast zu Schreikrämpfen, weil Herr Zimmerman „Blowin` in the wind“ modernisiert hatte und nicht in der Version von 1963 abkrähte. Eine gute Entscheidung, Bob.

Immerhin acht Titel (ich zählte nur sechs)aus den Zeiten Led Zeppelins intonierte Plant, doch eben mit etwas anderen Mitteln, z.B. „Rample on“, „Black dog“, „Misty mountain hop“.

Robert Plant, Anfang August, Spandauer Zitadelle

Auf der Bühne gab es keine Mätzchen, keine labernde Publikums-Einschleimung („I love you“, I love Berlin“… u.s.w.). Das Parkett wurde von Musikern beherrscht, nicht von Nebel und nervig-belanglos flackernden Leuchtkörpern.
Auch auf eine Animation zu kollektiv-rhythmischen Klatsch-Orgien wurde weitgehend verzichtet.
Plant, bemerkenswert uneitel, natürlich seiner herausragenden Stellung bewusst, gönnte seinen Mitspielern ausgiebige Solo-Auftritte, die er im Hintergrund nur mit Mundharmonika oder dezent gesanglich begleitete.

Gospel und vor allem eine reichliche Portion Country entwickelten sich keinesfalls zu entbehrlichen Nebenklängen. Patty Griffin, Buddy Miller und Darrell Scott boten Songs, die mit emotionaler Wucht zwischen die 7000 Besucher perlten.
Spieldauer zwei Stunden, für meinen Jahrgang eine angemessene Belastung. Außerdem suchte ich mir einen Standpunkt mit lockerem Bewegungsradius.
Die Zeit des Rolling-Stones-Konzerts 1990 in Berlin mit 100 000 Teilnehmern ist nun tatsächlich Vergangenheit und auch etwas Nostalgie.

Von 16-21 Uhr, etwa 10-15 Meter vor der Bühne, mit gepressten Körperkontakten und Musik vom Band.
Von 21 bis 0 Uhr, jetzt etwa acht Meter vor der Bühne, mit den Rolling Stones in schier klaustrophobischer Enge. Ich wollte Mick Jaggers Schweißtropfen auf meiner Haut spüren.
Sie begannen mit „Start me up“ aus „Tattoo you“ und das gesamte Leid der vergangenen fünf Stunden verblasste.
Die Frustration von fast vierzig Jahren sozialistischem Kerker entlud sich dann bei mir in einem einzigen Konzert.

Robert Plants Auftritt, vor wenigen Tagen in Berlin,entfaltete sich zu einem entspannten, auch routinierten und vor allem musikalisch hochwertigen Ereignis. Etwas schriller und krachiger hätte es natürlich sein können.
Ich harre der frohen Botschaft, dass auch bald Jimmy Page Spandau besucht und vor mir mit seinem legendären Riff aus „Whole lotta love“ seine Gitarre malträtiert.
Vielleicht dann mit Plant gemeinsam. Ich hatte beide vor einigen Jahren in Erfurt erlebt, die absolute Ohnmacht.

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August 10, 2011 Posted by | Musik, Neben Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar