Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, Gertrude Stein und eine Kulturempfehlung

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Jürgen Henne bei der Vorbereitung für die winterlichen Spiele in Pyeongchang 2018
(Sommerliche Spiele in Rio 2016, s.u.)

Kulturempfehlung
Heute, 30.Juli 2016, Deutschlandfunk, 23.05 Uhr bis 2.00 Uhr

Eine lange Nacht über Gertrude Stein

Gertrude Stein unterstützte, besuchte, empfing, begegnete u.a.:
Pound
Wilder
Schtschukin
Hemingway
Picasso
Proust
Kahnweiler
Vollard
Eliot
Matisse
Gershwin
Tzara
Braque
Fitzgerald (keineswegs Ella)
Apollinaire
Cocteau
Ray
Gris
Jarry
Passos
Vallotton
Rousseau (mitnichten Jean Jacques)
Jacob (Max)
Joyce………………………..sicher hätte sie auch mich unterstützt, besucht, empfangen.

Mit dieser Truppe kann man getrost drei Stunden vor dem Radio verbringen.

Zumindestens aufregender als in Bälde um die gleiche Zeit in Rio:
Rudern, Vorläufe, Männer, Vierer mit zwei Steuermännern und einem Hochsitz oder der Kampf um die Plätze 36-38 im Bogenschießen mit Rundpfeil, doppelt gefräst.



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Juli 30, 2016 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Neil Young am Völkerschlachtdenkmal, ohne Jürgen Henne und Roland Kaiser als Zugabe

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Meine erste Scheibe mit Neil Young. „Déjà vu“, noch mit seinen musikalischen Fachgenossen Crosby, Stills, Nash. Für mich bis zum aktuellen Datum von außerordentlicher Bedeutung.
Und wie Neil Young markierten auch David Crosby (zuvor bei den Byrds), Stephen Stills und Graham Nash (zuvor bei den Hollies), gleichfalls bis zum aktuellen Datum, wesentliche Akzente der musikalischen Pop-Kultur.

Diese Schallplatte „schmuggelte“ meine selige Großmutter am Beginn der 70er Jahre über die Grenze von Niedersachsen über Sachsen-Anhalt nach Sachsen.
Ich vermute Neil Young ganz links im Bild.

Ich bin der Musik Neil Youngs recht zugänglich, seit fünfundvierzig Jahren.
Doch muss es nicht unbedingt „Heart of Gold“ sein, nervt mich inzwischen etwas.
Auch „Harvest“ und „After the Goldrush“ höre ich nur noch in wenigen Auszügen.
Als Euphoriker jammernder, johlender, krähender, kreischender Gitarren-Tumulte neige ich eher z.B. zu „Mirror Ball“

Ich empfehle, auf YouTube „Rockin‘ in the free world“ einzugeben, Live-Aufnahmen mit Neil Young im Hyde Park, Juni 2009 und Toronto 2011 (mit Pearl Jam).
Ich empfehle weiterhin, eine Pulle Rotwein in Griffnähe zu lagern, am frühen Morgen gegen 1.30 Uhr die Phonstärke entsprechend zu regeln, dass die Nachbarn aus dem Bett fallen.
Dann hat die Nacht sich gelohnt.

In Erfurt (Kongresshalle), in Dresden (Elbufer) habe ich Neil Youngs Konzerte mit Freude bewältigt.

Und nun Neil Young in Leipzig, mein Rentnerportmonnaie meldete Bedenken, ich widersprach mit dem Bonmot meiner seligen Großmutter: „Was es einem wert ist“.

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Leipzig, Völkerschlachtdenkmal

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Leipzig, Völkerschlachtdenkmal, Krypta

Doch dann nahm ich die Konzert-Stätte zur Kenntnis, das Terrain um Leipzigs Völkerschlachtdenkmal, feinsinnig auch „Völki“ genannt.
Neil Young singt am Leipziger Völkerschlachtdenkmal, der Kanadier, der seit vielen Jahren auf einer Ranch in Kalifornien lebt. Die Urheimat seiner Familie ist Manitoba.

Sofort rekapitulierte ich Erinnerungen an historische Aufnahmen der Nacht vom 30./31.Januar 1933 am Brandenburger Tor in Berlin.
Der Triumphzug zu Hitlers Machtübernahme und bei mir entwickelte sich eine flächendeckende Gänsehaut.
Brandenburger Tor und Völkerschlachtdenkmal.

Denn ähnliche Bilder erlebte ich als Pubertierender vor dem Völkerschlachtdenkmal.
Zu irgendwelchen kommunistischen Jugendfestivals und anderen Ekel-Veranstaltungen.
Aus tausenden FDJ-Kehlen platzten Kampflieder wie gelb-grüne Furunkel mit Hammer-Sichel-Ährenkranz-Ornamentik, Parteisekretäre brüllten ihre infantilen Lobpreisungen auf Staat und Partei in Mikrofone und aus tausenden FDJ-Armen wuchsen grauenvolle Fackeln.
Und dahinter das Völkerschlachtdenkmal, für die Ewigkeit in die Erde gerammelt. Ich musste kotzen.

Der Konzertkritiker der Leipziger Volkszeitung schreibt dann von Youngs sozialem und ökologischem Engagement, der als musikalischer Prediger und politischer Barde den Globus umrundet, von dessen Respekt vor den Menschen und der Natur, von „Mutter Erde“, von Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit.
Was für ein Gesülze.

Der Konzertkritiker erwähnt, immer noch sülzend, kniende Menschen, den Blick verzückt zum Himmel gerichtet, während der Mond hinter dem Völkerschlachtdenkmal aus dem Schatten tritt und das Seine zur spirituellen Aura dieses großen Abends beiträgt.

Und der Konzertkritiker schwelgt, tatsächlich immer noch sülzend, von der „traumschönen Nacht am Völkerschlachtdenkmal“.

Ich bedaure, dass der Konzertkritiker, einst fähiger Journalist mit musikwissenschaftlicher Vorbildung sich penetrant den garstigen Ebenen banaler Beschreibungskritik nähert, der Verkleisterung durch Ignoranz oder Mutlosigkeit, verölt durch die Anbiederung an den Mainstream.

Ich erstarre im Angesicht dieses Steinhaufens, aus dessen Magmatiten schon 1913 übersteigerter Nationalismus, Chauvinismus ausdünstete und Legionen für künftige Kriege ausgebrütet wurden, trotz des ursprünglichen Anliegens eines Gedenksteins für die Opfer der Befreiungskriege.

Um die „spirituelle Aura“ eines Mondes am Völkerschlachtdenkmal würden sich in meiner Wahrnehmung germanische Runen und FDJ-Fackeln gruppieren.

Und die „traumschöne Nacht“ hätte man selbst bei den sozialistischen Poesie-Seminaren in Schwerin mit dem FDJ-Rohrstock weggedroschen

Neil Young singt vor dieser steinernen Hybris……das sollte sich ausschließen.
„Rockin‘ in the free world“ (Titel Neil Youngs, siehe oben) vor dem Völkerschlachtdenkmal….das geht gar nicht.

Meine Geldbörse und mein musikästhetisches, historisches Verständnis einigten sich, dieses Konzert zu meiden.

Und wenn ich mich auch zukünftig diesem entsetzlichen Steinklumpen wegen unaufschiebbarer Ereignisse hin und wieder nähere, werde ich wie immer die Kleidungsordnung gängiger Seeräuberbeschreibungen erweitern und mir noch eine zweite Augenbinde anlegen.
In den Ohren zwei Stöpsel, aus denen „Rockin’in the free world“ von Neil Young lärmt.
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Zumutung des Tages. Diese „Empfehlung erhielt ich vergangene Nacht von Amazon

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Juli 27, 2016 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne in Ligurien und 72 Tunnel, Tunnel 23 Kilometer, 5422 Quadratkilometer, 70% Wald, 10-eckig, 8-eckig, 4 – Pass-Dekor, 1x Apsis, 2x Apsiden, 12 Tauben, 2 Schiffe, 4 Schiffe, Saint-Denis 1150, Chartres 1200, Magdeburg 1200, Shelley 1822 und Tschaikowski seit 1973

Von Genua bis Imperia durch zweiundsiebzig Tunnel zwischen neunundvierzig und zweitausendundsiebzehn Meter.
Unser längster Tunnel stand bislang in Norwegen, um die dreiundzwanzig Kilometer. Danach hatte mein Alterungsprozess einen sichtbaren Schritt bewältigt.

Sicher ist Ligurien kein Zentrum für Liebhaber der italienischen Oper („Manche mögens heiß“), gleichfalls nicht für Euphoriker der Kunst des italienischen Mittelalters, für Renaissance und Barock.
Ravenna, Rom, Florenz, Asissi, Siena, also Toskana und Umbrien, treiben eher die Kunst-Gene in die Trunkenheit als diese drittkleinste Region Italiens zwische Toskana und französischer Grenze.

Und dennoch muss man auf den 5422 Quadratkilometern (ein knappes Drittel Sachsens und etwa 70 % Waldanteil) nicht beständig und aufreibend nach bemerkenswerter Kunst fahnden. Man findet sie ohne Beschwerden.
Natürlich wurden Werkzeuge und geritzte Zeichnungen des Paläolithikums gefunden, auch Reste von römischen Thermen, Amphitheater und die römischen Rechtwinkligkeit ist im Grundriss noch bestehender Städte ablesbar.
Doch bleibt alles weitgehend rudimentär.

Aber es gibt auch z.B.in Albenga das Baptisterium vom Beginn des 5.Jahrhunderts.

Natürlich aktiviert das Gedächtnis sofort Erinnerungen an die Baptisterien in Pisa und Florenz, an die unvergleichlichen Bronzetüren von Pisano, der im gotischen Vierpass-Dekor romanische Traditionen zelebrierte und an Ghiberti („Paradiestür“) mit Szenen des Alten und Neuen Testaments und seine gewichtigen Schritten auf dem Weg zur Renaissance (Zwischen Anfang des 13.Jahrh. und Mitte des 15.Jahrh.).

Die Taufkirche in Albenga wurde um die achthundert/neunhundert Jahre früher als die toskanischen Bauten errichtet, also im frühchristlichen Rahmen und ist das bedeutendste christliche Denkmal Liguriens aus dieser Zeit.
Der Grundriss ist bemerkenswert, außen zehneckig, innen achteckig, erheblich unter dem Straßenniveau.

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Albenga, mit korinthischen Kapitellen, achteckige Reste des Taufbeckens

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Albenga, spätantik-byzantinisches Mosaik mit Christus-Monogramm, umflattert von zwölf Tauben, Ausgang des 5.Jahrh.
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Noli, romanische Kirche, 11.Jahrhundert, dem hlg. Paragorio geweiht, der möglicherweise sein Martyrium auf Korsika absolvierte.
Standort auf antiker Nekropole. Bischofskirche über fast 350 Jahre. Dreischiffige Pfeilerbasilika ohne Querschiff.
Außenwände mit Lisenen und Blendbogenfriesen gegliedert.
Hauptapsis mit Nebenapsiden.
Über dem Bogenfries der Hauptapsis wurden „Keramikbecken“ (Majolika) eingearbeitet, monochrom und polychrom, vermutlich aus Nordafrika und Sizilien.

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Noli, San Paragorio, Krypta

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Noli, San Paragorio, Arkosolgrab, Nordseite, rechts des Portals
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Levanto, gotische Kirche Sant’Andrea, Fassade, dem „Erstberufenen“ Andreas geweiht, Apostel Jesu und Bruder von Simon Petrus.
Am Beginn des 13.Jahrh.zunächst zweischiffig erbaut, 250 Jahre später um zwei Schiffe erweitert, dazu Turm und Chor.
Mit Radfenster und Fresko, kurz nach 1400.

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Levanto, Sant’Andrea, Innenraum, noch mit romanischer Tendenz.
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Chiavari,Sanktuarium Madonna delle Grazie, 1420/1430.

Bereits im 12.Jahrh. Standort einer Kapelle mit Pilger-Hospiz.
Flächendeckende Wandbemalung durch Teramo Piaggio aus der Genueser Schule, 16.Jahrh.

Mich irritiert, dass Piaggio als Maler der italienischen Hoch-Renaissance angegeben wird (in ital.u. franz.Lexika).
Seine Lebensdaten mögen diese Zuschreibung unterstützen (1485-1554).
Doch die Sicht auf die Bilder lässt stutzen.
Der Einsatz des goldigen Nimbus, die „ungeschickte“, fast ängstliche Aufnahme der Perspektive, ein weitgehend unbearbeiteter Hintergrund und ein bevorzugter Einsatz goldfarbiger Flächen verweist noch heftig auf spätgotische Traditionen.
Natürlich muss der provinziell-regionale Faktor berücksichtigt werden, sozusagen eine zeitliche Verschiebung neuer Entwicklungen.
Während z.B um 1150 in Saint-Denis, unweit von Paris, nach allgemeinem Verständnis, die erste gotische Architektur der Kunstgeschichte errichtet wurde, Chartre um 1200 als hochgotisches Beispiel folgte und in Magdeburg gleichfalls um 1200 die erste gotische Kirche in Deutschland entstand, werkelte man noch in weiten Teilen Europas nach romanischem Maß.
Hecklingen, Arendsee (um 1185), Gröningen (um 1200), Havelberg, wichtige Bauwerke auf der „Straße der Romanik“ in Sachsen-Anhalt zeugen davon.
Wobei dieser Zustand mitnichten eine Qualitätsbewertung beinhaltet. Die „Straße der Romanik“ ist ein Höhepunkt deutscher Kunstgeschichte.
Und wenn z.B. die italienische Hoch-Renaissance mit Namen wie Raffael, Leonardo, Michelangelo und del Sarto daherkommt, scheint mir Piaggio, zumindest bei dieser Wandmalerei, etwas deplaziert.
Vielleicht bin ich auch nur bekloppt.

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Chiavari, Flucht nach Ägypten
Die unbefriedigende Beleuchtung eignete sich nicht für qualitativ hochwertige Aufnahmen

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Chiavari, Beschneidung Christ

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Chiavari, Kreuzabnahme

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Chiavari, Heilige drei Könige

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Lavagna, Santa Giulia di Centaura.
Byzantinischer Holzkruzifix in Uniform, um 1500.
Wundervoll.


Verstreutes
—Verstreutes
——Verstreutes

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An der ligurischen Riviera gibt es aber nicht nur ein Baptisterium aus dem 5.Jahrh., romanische und gotische Architektur, mitnichten, auch Schauspieler-Pizzas (oder Pizzen?…..Klingt etwas albern).
Richard Gere interessiert mich am Rand, Robert de Niro schon eher zentral. Doch eröffnete diese Bude erst zwei Tage nach unserer Anwesenheit.
Ich hätte sonst eine RdeNPi verschlungen, begleitet von der gedanklichen Aktivierung der Szene aus Scorseses „Kap der Angst“, als de Niro, in der Kleidung der Haushälterin, den Detektiv Kersek meuchelte.

Am Rand der Straße gegenüber in der Villa Magni (San Terenzo) wohnte während des ersten Drittels des 19 Jahrh. für einige Jahre Lord Shelley und Maria Shelley.
Von ihm, so meine Erinnerung, habe ich nur „Ozymandias“ gelesen. Er ertrank 1822 während einer Bootsfahrt in der Nähe von Viareggio (Toskana).
Von Lord Byron, ein enger Freund, der Shelley in San Terenzo besuchte, erfuhr ich erstmalig durch Tschaikowskis „Manfred-Sinfonie“, nach einem dramatischen Gedicht Byrons.

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Diese schwarze Scheibe hat seit 1973 bis heute unversehrt alle Standortwechsel bewältigt.
Doch bin ich nicht sicher, ob ich die Dichtungen von Shelley und Byron sowie diese Musik Tschaikowskis heute noch überstehen kann. Vielleicht wage ich einen Versuch. Vielleicht auch nicht.
Das Coverbild malte Lewitan, ein bemerkenswerter Vertreter der grandiosen Malerei Russlands im 19. Jahrh., ein enger Freund Tschechows.


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Alltägliches Klima in Ligurien. Ich höre dann zumeist im deutschen Touristen-Jargon: „Dreckswetter und das soll Italien sein.“
Das nölen dann Zeitgenossen, die sechzehn Stunden am Tag ihre Rüssel der Sonne entgegenstrecken wollen und deren Haut sich dann bald flächendeckend im rubinrot-violetten Farbton abpelzt.
Ich liebe diese meteorologischen Intermezzi.

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Blick aus einem Fenster unseres Hauses in einem ligurischen Bergdorf. Im Hintergrund das Mittelmeer.


Zugabe


Leipziger Volkszeitung, gestern (15.Juli)

Ich kann dieses törichte Gesülze über van Gogh nicht mehr ertragen. Genie und Wahnsinn, die unsäglich infantile und ausgelutschte Fahndung nach Zusammenhängen wird von jedem Dilettanten nachgeödet. Natürlich meist schon in der Überschrift.
Klingt schick und nervt doch so heftig.
Ich werde dadurch nur zu einer Aktion animiert: Weiterblättern.

Kunst des Tages
Zu Robert Motherwells 25. Todestag ein Buch mit seinen Bildern durchblättern.

Musik des Tages
Béla Bartók: Herzog Blaubarts Burg.


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Juli 16, 2016 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und die TV-Empfehlung des Tages

Dienstag, 5. Juli, 20.15 Uhr, Tele 5

„Die rote Verschwörung“, GB 2005 mit Daniel Craig.

Grundlage für die Empfehlung

1.
Der englische Originaltitel „Archangel“ (Erzengel) wurde mit „Die rote Verschwörung“ übersetzt. Eine feinsinnige Nuancierung.

2.
Die ursprüngliche Zweiteiligkeit wurde zu einer Einteiligkeit zusammengeschnitten. In der Ankündigung steht tatsächlich “ Tele 5 zeigt eine zusammengeschnittene Fassung.“
Wirkt auf potentielle Zuschauer motivierend und zuversichtlich.


3.
Eine weitere Kürzung erhielt der Film, um den Status „Ab 12 Jahre“ zu erhalten, die eine Wiedergabe um 20.15 ermöglicht.
Also ohne Ficken. Filme ohne Ficken sehe ich mir nicht an.

4.
Sendedauer 155 Min. = Originallänge 112 Min. + 43 Min. Werbung.
Während der Werbung könnte man ficken.


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Dann eher doch mit Campinghocker und einer Kiste Bier vor die Tür, um einen Naturfilm zu sehen.

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Juli 5, 2016 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, die 7. Schostakowitsch-Tage in Gohrisch und eine Entdeckung in Königstein

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7. Schostakowitsch-Tage in Gohrisch

Diesmal mit der Musik Beethovens, Eislers und Dessaus verbunden.
Für meine Bedürfnisse zu wenig Schostakowitsch und etwas reichlich Eisler und Beethoven.
Und die „Mondscheinsonate“ muss ich mir nicht zu Schostakowitsch-Tagen anhören.
Obwohl natürlich der Sankt Petersburger den Bonner sehr schätzte, im Begleitheft sein Kopf neben einer Beethoven-Büste beeindruckt (Moskauer Arbeitszimmer) und er in seinem letzten und großartigen Werk („Sonate für Viola und Klavier“, C-Dur, op.147) hörbare Bezüge eben zur „Mondscheinsonate“ niederschrieb.
Und bei Beethovens „Großen Fuge“ B-Dur, die auf das 13 Streichquartett folgte, endzündete sich fast das Stroh, welches für die Konzerttage nach draußen verlagert wurde. Ein gigantischer Kraftakt ohne Einhaltung traditioneller Regeln und schon ein Opus für das 20. Jahrhundert.
Strawinsky mutmaßte, dass Beethovens „Große Fuge“ wie „auf einem Satelliten im Weltraum ausgebrütet“ wirke.
Für mich bislang ein unbekannter Ludwig van.

Mein erster, zumindest optischer Dialog mit ihm erfolgte sehr früh, kurz nach der Geburt.
In meiner Eltern Wohnzimmer hing ein Stich an der Wand, Beethoven mit beachtlicher Misslaunigkeit und auf dem Fernseher (Rubens, 32er Bildröhre) stand eine Büste, gleichfalls von misslauniger Grundstruktur.
Und über Jahre hörte und sah ich am 31. Dezember, gegen 16 Uhr, seine 9.Sinfonie als Übertragung aus der Kongresshalle in Leipzig mit dem Gewandhaus, eben auf diesem Fernseher, am Anfang noch mit Franz von Konwitschny.
Und ich war begeistert.

Später erweiterte ich selbstständig das Repertoire, z.B. natürlich mit den Sinfonien 3,5 (bumm, bumm, bumm…bumm) und 6, mit den 5 Klavierkonzerten, dem Violinkonzert, den Overtüren („Egmont“….) mit den Streichquartetten und den zahlreichen Klaviersonaten.
Die Klaviersonate 23, op.57, gilt als Lenins Lieblingsmusik.
Selbst bei dieser grausigen Chor-Fantasie ging ich in die Knie.
Im etwas reifen Alter erfreue ich mich eher an „Fidelio“.

Eisler wurde in Leipzig geboren, hatte aber niemanden interessiert, sein Geburtshaus in der Nähe des Hauptbahnhofs sah zu DDR-Zeiten aus wie Sau.
Gespielt wurden in Gohrisch ein Streichquartett, Lieder, Musik für Flöte, Oboe und Harfe und ein Bläser-Divertimento.
Doch entwickelten diese Bemühungen in mir nur reduzierte Bedürfnisse, mich tiefer in Eislers Musik hineinzuhören.
Wenn man mir beide Hände abschläge, so wird ein Satz von Schostakowitsch überliefert, würde ich den Stift in den Mund nehmen und komponieren.
Eine ähnliche Frage an Eisler über ein mögliches zweites Leben beantwortete er mit der Überzeugung, dann als Politiker agieren zu wollen, Musik wäre dann ein Nebenjob.
Man hört es, bei Schostakowitsch und Eisler.
Interessant tönte Eislers Musik zu dem Film „Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben“ von Joris Ivens, eine sparsame und feinsinnige Übertragung von Naturereignissen auf das Notenblatt (für Flöte, Klarinette, Violine, Viola, Violoncello und Klavier)

Natürlich war die Musik von Schostakowitsch meine heiß begehrte Ware.
Opus 147 spielten Peter Rösel am Klavier und Thomas Selditz (Viola), Quatuor Danel das letzte und 15.Streichquartett.
Sicher hat Quatuor Danel nicht die Popularität von Kronos-Quartet, Borodin-Quartet, Arditti-Quartet, Emerson String-Quartet und Alban Berg-Quartett. Ensembles, die gern und regelmäßig Musik des 20/21.Jahrhunderts anbieten.
Doch bleibt der Eindruck einer leidenschaftlichen, engagierten Interpretation der Belgier bei einem Stück, dessen Schönheit in Worten unbeschreibbar ist und dass man sich als angemessene Begleitung bei der eigenen Urnenversenkung vorstellen könnte.
Die fast beängstigende Breite von Schostakowitschs Notenlegung spiegelte sich dann in Liedern, in „Tänzen der Puppen“, im Klavier-Trio und einer Sonata für Klavier und Cello.
Selbst Walzer, die auf einem Bierfest der Kleingarten-Anlage „Faulende Melone“ hemmungslos gespielt werden könnten, verströmen, vielleicht doch etwas grenzwertig, den Odem anspruchsvoller Leichtigkeit.

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Terrain für die 7. Schostakowitsch-Tage in Gohrisch

Ähnelt natürlich mitnichten der Finnlandia-Halle in Helsinki, der Londoner Royal-Albert-Hall oder dem Wiener Konzerthaus.
Rechts wurden die Verpflegungszelte errichtet, zum Erwerb von Würstchen, belegten Brötchen, Bier, CD´s, DVD´s und Büchern.
Daneben die Konzertscheune, ein landschaftlich genutzter Zweckbau.
Davor, neben dem Zigarettenzelt einige Strohballen, die zuvor aus der Lagerhalle entfernt wurden.
Wirkt natürlich etwas provisorisch, ist es im Grunde auch.
Doch wie professionell diese provisorische Ausgangssituation bewältigt wird, ist schier überwältigend.
Und Programme und Teilnehmer sind herausragend, muss ja nicht immer mein Geschmack sein.
Seit sieben Jahren spielen sich auf diesem Acker musikalische Ereignisse ab, die ich für mich nur als Gnade erlebe.

Dabei denke ich an die vergangenen zwei Jahre mit Musik u.a. von Schostakowitsch, Gubaidulina, Kantscheli, Zaderatsky, Arvo Pärt, gespielt u.a. vom Borodin-Quartet, von Gidon Kremer, Jascha Nemtsov, Isabell Karajan.
Da bekomme ich feuchte Augen.
Als Ästhet ist mir eine ordentliche Akustik unverzichtbar. Bei grobschlächtiger Klangstruktur, wenn so alles vor sich hin matscht, werde ich zum Yeti.
Das Konzert von John Cale in einer Leipziger Kirche oder Eric Burdon und Brian Auger in einem Hallenser Saal erlebte ich dabei z.B. als ausgedehnte Zumutung.
Doch diese Scheune auf dem Feld in Gohrisch ist akustisch makellos.
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Entdeckung des Tages während einer Konzertpause in Königstein.
Ein erhaltener Haken von einer der weltweit ersten O-Bus-Linien, 1901.
Diese Großraum-Fahrzeuge bearbeiteteten eine Strecke von etwa vier Kilometern durch das Biela-Tal

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Haken

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Die Biela, knapp 20 Kilometer, neben dem Haus mit dem Haken

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Unter dem Gesims die Markierung Wasserhöhe von 1898
Über dem Gesims die Markierung der Wasserhöhe von 2002

Dieses Bächlein von knapp 20 Kilometern hat sich 2002 in dieser Höhe durch die Stadt gewälzt.
Da bleibt nur Gänsehaut


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Juli 1, 2016 Posted by | Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar