Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne und „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss in Leipzigs Opernhaus

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Leipzig, Oper,       Richard Strauss,         “ Die Frau ohne Schatten“

 

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Leipzig, Oper,      Richard Strauss,    “ Die Frau ohne Schatten“

 

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Leipzig, Oper,     Richard Strauss,    “ Die Frau ohne Schatten“

 

Mit „Elektra“, „Salome“, „Rosenkavalier“, „Ariadne auf Naxos“, „Die schweigsame Frau“, Oboen-u. Hornkonzert ….. sowie Oscar Wilde, Stefan Zweig und Hugo von Hofmannsthal als Librettisten könnte ich mich durchaus auf abgedunkelten Inseln bei Kokosnuss,  Petersilie, gegrillten Leguanhoden und einer Stereo-Anlage hochanständig vergnügen. (Strauss beharrte ja stur darauf, den Namen des Juden Zweig auf dem Plakat zur Aufführung  der Frau ohne Dauergequarke 1935 in Dresden nicht zu tilgen).

Auch Zarathustra (von Kubrick vorzüglich eingesetzt), „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, „Don Juan“, „Ein Heldenleben“, „Don Quixote“ und „Tod und Verklärung“ treiben mich immer wieder zu emotionaler Höchstform. Die „Metamorphosen“  arten dann in eine Treibjagd auf mein Gemüt aus, während mich  die „Vier letzten Lieder“ als  psychischen Treibsand in das  Musik-Elysium  spülen.

Richard Strauss konnte schon anständig Noten setzen.

Und nun „Die Frau ohne Schatten“ an Leipzigs Oper, die zweite Vorstellung, nach der Premiere. Ich mag keine Premieren. Skandalöserweise kannte ich bislang nur wenige Abschnitte dieses Märchens, Text erneut von Hofmannsthal. Strauss selbst ordnete seine Braut mit Schattenaskese  in die höchste Kategorie  seiner eigenen Opern-Charts.

Ich werde weder Inhaltsangaben noch Deutungsversuche und philosophische Referate  zelebrieren, ist mir an dieser Stelle etwas beschwerlich, würde ohnehin keine Sau verstehen. Dazu gibt es Opernführer, musikanalytische Zeitschriften oder Hofmannsthal-Ausgaben.

Ich möchte einfach nur weltweit verkünden, dass sich Leipzigs Oper, zumindest mit dieser Inszenierung, der globalen Elite aller Häuser theatermusikalischen Zuschnitts bedrohlich genähert hat.

Über die Musik dieser Oper gibt es nichts zu sagen, das hieße, Tontauben nach Athen zu tragen (Ich meine natürlich nicht Ton als Material, sondern Ton als Klang, als Musik). Mein Gott, bin ich genial.

Aber über die Sänger gäbe es natürlich etwas zu berichten.

Die Amme, als mephistophelischer, unablässig agierender, quecksilbriger Bosnickel (Doris Soffel) , der Götterbote (Tuomas Pursio) zwischen Prohibitionsambiente  im „Dickicht der Städte“ (Brecht), der Färber als Mutter Theresa des Märchenlandes (Thomas J. Mayer) und dessen angegeilte Braut, die sich von dümmlichen Schönlingen anmachen lässt (Jennifer Wilson). Und natürlich die Kaiserin mit ihren masochistischen Endspielquälereien (Simone Schneider).

Alle sind sie gut bis sehr gut bei Stimme. Überwiegend sehr gut. Es wird gesäuselt und gekräht, gejammert und gebrüllt bis zum Stimmband-Koma. Weitgehend fehlerfrei und rein. Wobei die Hauptpartien einen viehischen Anspruch stellen.

Das Bühnenbild (Heike Scheele) pendelt zwischen Art deco, Spelunken-Design und trojanischem Pferd als Wasserfahrzeug, alles durchleuchtet mit einer edlen Lichtchoreographie. Nicht übertrieben, nicht untertrieben, einfach zum Abknien. Kulissen werden verschoben, Dächer schweben auf Räume, Glas bricht, der rote Falke durchquert halbdämonisch die Bühne, unter der Erde schlurfen Halb-Zombies. Man möchte gern mitschieben, mitschweben, mitbrechen, mitqueren, mitschlurfen. Nur mein gesangliches Vermögen würde einen Riegel vor diese Aktionen schieben. Vielleicht gibt es in Bälde eine Opernrolle als Grizzlybär im Winterschlaf.

Bei dieser Inszenierung ((Balázs Kovalik)) erhält die Beschreibung „Musiktheater“ ihre überragende Ausformung. Ungarische Regisseure scheinen durch den Leipziger Restgeruch nach Wagner, Bach , Mendelssohn, Schumann… zu bemerkenswerten Arbeitsergebnissen animiert zu werden. So gab es z.B schon 1994 eine vorzügliche Aufführung von Schönbergs „Moses und Aron“ durch George Tabori (Er zählte damals schon achtzig Jahre). Auf der Bühne standen nur Stühle.

Natürlich müssen bei einer derartig komplexen Orchestrierung Straussscher Normalität alle geigenden, flötenden, zupfenden, klimpernden, blasenden, trommelnden Musiker mit einem eisernen Dirigentenstock gebändigt werden. Sonst geht es drunter und drüber. Es scheint, dass bei diesem Stück alle Ergebnisse  menschlicher Instrumentenbaukunst zum Einsatz kommen, einschließlich Glockenspiel, chinesischer Gongs, Glasharmonika, Celesta.  Eine Arche Noah Instrumentalis, gestrandet in Leipzig.

Ernst Krause, Strauss-Experte und Verfasser des  noch immer besten Opernführers deutscher Sprache, schreibt von 12 Bratschen, 10 Celli, 8 Kontrabässen, also volle Kanone. Ich habe sie allerdings nicht gezählt, kann natürlich variieren.

Und Ulf Schirmer, Generalmusikdirektor und Intendant der Leipziger Oper, Gott vergellt`s, ist tatsächlich nur noch wenige  Stufen von der Empore mit der Hautvolee der Dirigenten-Schar entfernt. Diese musikalisch präzise Charakterisierung der einzelnen Rollen, die Fähigkeit, in diesem Klang-„Chaos“ jeder Instrumentengruppe Geltung zu verschaffen, die Standhaftigkeit, auch die letzte Geige bis zum Ton-Vakuum aushauchen und der Mut, es richtig „krachen“ zu lassen, dass die Ohren vom Stamm fallen, zeugen von einer erstrangigen Beherrschung dieser kostbar subtilen Musik.

Die nächsten Aufführungen gibt es am 24. Juni und am 28. Juni, 18 Uhr, Spieldauer etwa zweihundert Minuten, zwei Pausen.

Also Fußball, Roland Kaiser, Andrea Berg, Jürgen Drews und Cindy aus Marzahn in den Skat drücken und den Weg zum Leipziger Augustusplatz wagen.

Ich habe am Sonnabend nach dem Opernbesuch auch noch zwanzig Minuten Deutschland gegen Ghana gesehen. Das sollte eigentlich genügen.

Musiktipp:

„Die Frau ohne Schatten“

Das Angebot unterschiedlichster Versionen der Oper ist nicht unbefriedigend. Man könnte dabei z.B. zwischen der Staatskapelle Dresden und Sinopoli, dem Bayerischem Rundfunksinfonieorchester unter Sawallisch oder Strauss-Interpret Karl Böhm mit der Wiener Staatsoper wählen. Dessen Gebaren während 1933 und 45 aber zu einem ergiebigen Brechreiz führen sollte. Birgit Nilsson, Julia Varady, Domingo, James King, Walter Berry, Fischer Dieskau agieren dabei als trällernde Besetzung. Natürlich gäbe es auch aktuelle Produktionen, z.B. das Mariinski-Orchester unter Waleri Gergijew, der sich gerade die vergangenen Wochen in das Zentrum kulturpolitischer Fehden drängte.

 

 

 

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Juni 24, 2014 Posted by | Leipzig, Musik | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und die unregelmäßig bearbeitete, dramatisch begehrte Serie: „Jürgens Suchbilder“. Heute: „Wo ist der Jürgen.“

 

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Wo ist der Jürgen?    Sardinen, um die Ecke ein Brunnenheiligtum. Nicki de Saint Phalle für Anfänger

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Wo ist der Jürgen?   Sardinien, Wasser

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Musiktipps:

Richard Strauss: Die schweigsame Frau

Santana: Caravanserei

Buchtipp:

Uwe Johnson:  Eine Reise nach Klagenfurt

Und danach Eintritt in den Uwe Johnson Förderverein, jährlich 20 Euro. Meine Empfehlung für einen Besuch des Literaturhauses in Klütz, im Nordwesten Mecklenburgs,  mit einer museumstechnisch bemerkenswerten Ausstellung über Johnson, sollte beachtet werden. Klütz steht für Jerichow, fiktiver Ort in „Mutmaßungen über Jacob.“

Bildende Kunst:

Wieder einmal Bilder der Schweiz sehen:   Segantini und Hodler, anschließend ein paar rotierende Installationen Tinguelys, gleichfalls Schweiz. Nachfolgend etwas  Bauhaus-Itten, Albtraum-Füssli und Nabi-Vallotton. Auch einige Farb-Eruptionen von Konkret-Bill und  Wunderkerzen vom Postimpressionisten Amiet können nicht schaden (Auswahl).

Unsere Schweizerischen Freunde haben durchaus einiges drauf.

Nicht zu vergessen: Oktern – Steinberger und Höhenfeuer – Murer !

 

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Juni 17, 2014 Posted by | Leipzig, Neben Leipzig, Reisen, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, Werbung der Woche, Gauck der Woche, Kausalität der Woche

Werbung der Woche, in einem Leipziger Radiosender:

 

„Du, der Neue macht sich aber ganz schön breit !

Wer,  der neue Kollege ?

Aber nein, der neue Peugeot ….“

Dagegen sind ja die platonischen Dialoge wie Gespräche einäugiger Feldhamster über den Getreidestand im Landkreis Meppen.

Gauck der Woche

Das Bundesverfassungsgericht erlaubt Gauck, NPD-Mitglieder weiterhin als „Spinner“ zu benennen.

Toll!

Bin ich hier im Aufnahmelager für psychopathische Grütz-Gnus.

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Fiktive Gespräche

Beispiel 1

Kurt sagt zu Ulf: Du, der Heinz sagt immer,  Die Juden sind nunmal anders, denen geht es nur um Geld. Da muss man schon aufpassen.  Ulf dann zu Kurt: Aber lass doch, Kurt, Du weißt doch, der Heinz ist ein Spinner.

Beispiel 2

Harry sagt zu Holger: Du, der Bruno sagt immer, bei Hitler hätte es sowas wie mit dem Berliner Flughafen nie gegeben. Der hätte das richtig organisiert. Holger dann zu Harry: Aber lass doch, Harry, Du weißt doch, der Bruno ist ein Spinner.

Beispiel 3 (realer Hintergrund)

Werner sagt zu Knut: Du, der alte Le Pen, der Vater der jüngeren Le Pen hat über einen jüdischen Sänger gesagt :“Da machen wir das nächste Mal eine Ofenladung.“ Knut dann zu Werner: Aber lass doch, Werner, Du weißt doch, der alte Le Pen ist ein „Spinner“.

 

Meine Freude über Gauck hält sich eher im mittlerem Akzeptanzbereich. Entgegegen der geläufigen Ansicht verneine ich Gaucks angeblich hochwertige Rhetorik und seine Fähigkeit, Dinge „auf den Punkt zu bringen“.

 

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  Goldwaage

Man muss nicht alles auf die legendäre Goldwaage legen, auch nicht jedes Wort. Doch der Einsatz des versöhnlichen, heiteren und letztendlich positiv gefärbten Wortes „Spinner“ in derartigen Zusammenhängen verweist auf ein hochgradig infantiles Verständnis für sprachliche Wirkungsmechanismen.

 

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Nasenhaar

Und dann wird in SPIEGELONLINE debatiert, dass mir  mein grüngelbes Nasenhaar auf den Knieknorpel klatscht.

Stimmen zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in SPON:

„Was wäre wohl los, wenn er die Linkspartei als Spinner bezeichnet hätte.“

„Ein Spinner darf andere Spinner als Spinner bezeichnen.“

„Darf man jetzt auch alle Politiker oder Ähnliches als Spinner bezeichnen“.

„Darf ich im Umkehrschluss Herrn Bundespräsidenten Gauck ebenfalls als Spinner bezeichnen.“

Mein Gott. ist das dürftig, was wird doch tagein/tagaus für ein unsäglich blödes Zeug geschwätzt.

Kausalität der Woche

„Für Kapitän Lahm ist die erste Partie der deutschen Nationalmannschaft gegen Portugal gleich ein Wegweiser für den weiteren Verlauf in Brasilien“  (web.de).

Ach, so, ich dachte, erst das elfte Spiel.

„Es wird uns gleich im ersten Spiel alles abverlangt. Wenn man dieses Spiel nicht gewinnen sollte, kann man schon unter Druck geraten“ ( P.Lahm).

Ach, so! Ich dachte, nur, wenn man das Spiel verlieren sollte, kann man schon unter Druck geraten.

 

 

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Juni 11, 2014 Posted by | Leipzig, radio, Verstreutes | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne und „Ti amo, Sardegna“, Mai 2014

Romanische Architektur von erlesener Qualität, Kolosse der bronzezeitlichen Nuraghenkultur, römische Restsäulen, Dolmen, Menhire, mystische Brunnenheiligtümer und Türme gegen die Sarazenen. Bittere Oliven, weißes Brot, sardischer Wein, Klostergetränke (67 Umdrehungen), Käse vom Schaf und Mortadella, groß wie eine Klobrille. Gelbe Margeritten, roter Mohn zwischen Pinien und Zypressen. Landstriche als afrikanische Savannen, toskanische Siedlungen, Etappen auf Long Island, doch sardisch eingefriedet in Macchien bis tief in die Erdkrümmung. Palmen wie Jack Arnolds Lycosoidea im sardischem Wind. Insel der schönen Frauenaugen, der akribischen Postbeamten unter großen Regentropfen und der Backwaren, dünn wie ein Notenblatt. Jürgen im Mittelmeer, Schwärme sozial sortierter Sardinen säuseln sanft im Schritt. In der Ferne blökt ein Esel schwermütig im Geruch des Thymians: „ii-aaa“, denn „aa-iii“ würde blöd klingen und „iaa-aii“ oder „aia-aia“ noch blöder. Fast zweitausend Seiten von Gedda und Deledda in vier Wochen. Gavino Ledda lebt wieder in Siligo, der Stadt seiner Geburt und des „Padre Padrone“. Grazia Deledda, geboren auf Sardinien, gestorben in Rom, ging 1926 nach Stockholm und erhielt die Medaille des schwedischen Sprengmeisters.
(Zusammenfassung von „Vier Wochen in Sardinien“, 2014)

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Blick von unserer Residenz auf das Mittelmeer. Es gibt üblere Standorte für ein kultiviertes Frühstück

Natürlich bietet sich Sardinien nicht so spektakulär wie Napoleons Kulturfelsen darüber an. Oder wie die klassisch-vollendeten Landstriche Siziliens.
Sardinien ist luftiger, nicht auffällig „bunt“, nicht so hohe Berge, nicht so tiefe Täler, erstarrt-staunende Blicke auf Wunder, Sensationen, Knüller, Attraktionen, Einmaligkeiten erlebt man weniger. Die Schönheit erschließt sich eher auf Ebenen des piano, mitunter selbst des pianissimo.

Sardinien ist keine Insel für eher gewalttätige Kulturtouristen, die nach jedem Besuch einer sogenannten „Sehenswürdigkeit“ ein Häkchen auf ihre Sehenswürdigkeitenliste setzen und nur bei dieser Handlung den Photographenapparat von ihren furunkulösen Augen reißen.

Sardinien muss man sich ertasten, sicher auch etwas erstreiten.
Denn die Insel ist kein überbordendes Tablett, belegt mit Delikatessen, in die man mit seinen Wurstfingern nur hineingrapschen bräuchte, um das Paradies eben zwischen diesen Wurstfingern zerquetschen zu können.
Dann kommt die Zuneigung zu diesen fast fünfundzwanzigtausend Quadratkilometern ganz von selbst.

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San Giovanni di Sinis

Vermutlich ältester Sakralbau Sardiniens, 9./10.Jahrh., dreischiffig.
Zunächst Begräbnisstätte vorchristlichen Zuschnitts (Sarkophagfunde). Danach byzantinische Anlage (Zentralbau als Grundriss), 5.Jahrh.
Diese Betondach-Restaurierung ist natürlich erschütternd misslungen.

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Bosa, San Pietro Extramuros, 11.Jahrh.

Ältester Bau der Insel mit ursprünglich romanischer Vollständigkeit, dreischiffig, klobige Pfeiler ohne Kapitell und Basis. Zunächst romanisch lombardischer Bau, danach Erweiterung um Apsis und Glockenturm, Seitenschiffe mit Kreuzgewölbe.
Fassade mit Kreuzbogenfries, Vierpassfenster, Laterne über Giebeldreieck als zisterziensisch-frühgotische Umgestaltung, 12.Jahrh.

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Nuraghe Losa, zwischen 1000 u. 700 v.Chr.

Funde aus nuraghischer Zeit, 14.-7. Jahrh., punisch-römischen Tagen (mit Nekrople), 4.-4.Jahrh. und frühem Mittelalter, 5.-7.Jahrh.
12 Meter Durchmesser, aktuelle Höhe: 13 Meter.
Runder Innenraum mit Alkove, anderen Nischen und Treppe zum oberen Geschoss.
Sinn und Nutzen von Nuraghen (Nuraghi?) sind noch nicht vollständig geklärt. Oft auch von dörflichen Anlagen flankiert.
Aufgaben für Schutz und Verteidigung wären angemessene Vermutungen.
Allerdings erschließt sich mir nicht die Notwendigkeit des Baus von etwa 7000 dieser steinigen Halbkegel (Stand der letzten Schätzung).
Auch die sozialen Strukturen würden mich dann etwas irritieren, bei 7000 kleinen Festungen.

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Santissima Trinità die Saccargia, 12.Jahrh.( Kamaldulenser-Bau).

Ein bemerkenswertes Beispiel pisanisch-romanischer Baukultur auf Sardinien. Dunkler Basalt, heller Kalkstein, zwei Reihen Blendarkaden, Inkrustration mit Keramikschalen, einschiffig, drei Apsiden.

Außenkapitell mit Kuh. „Sa vacca arza“- „Kuh mit geflecktem Fell“- Gleichzeitig der Rufname der Kirche, passend zur Farbästhetik. Der Legende nach soll eine gefleckte Kuh am künftigen Standort der Kirche abgekniet sein. So einfach kann das manchmal sein.

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Santissima Trinità di Saccargia, Fresko, Ende 12.Jahrh.

Segnender Christus – oben
Apostel, betende Maria – Mitte
Szenen der Passion – unten

Die Aufnahmen sind nicht immer hochwertig. Romanische Buden sind nun einmal etwas dunkel und den Einsatz von Blitzlicht finde ich bei derartigen Kostbarkeiten zum Speien.
Außerdem kann ich mir keine Knips-Gerätschaft zu vierzigtausend Euro leisten, da waren Käse und Myrten-Schnaps Sardiniens zu teuer

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Brunnenheiligtum Santa Christina bei Abbasanta, 11-9.Jahrh.v.Chr.

Ordentlich erhaltenes Teil. Die Wasserknappheit Sardiniens machte derartige Kultstätten notwendig.
Ein Höhepunkt nuraghischer Architektur, vollständig aus Basalt gefügt.
Struktur:
Vorhof
Abstieg
Hypogäische Tholoskammer.
Außenmauern unbearbeitet, vor der Treppe gibt es eine Fläche, auf der Votivgaben für die Gottheit abgelegt wurden.

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San Pietro di Sorres bei Thiesi, 12.Jahrh.

Vollendete Fassadenästhetik, Blendarkaden (3x), unten einfarbig, oben Basalt und Kalkstein, dreischiffig

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San Salvatore, Hypogäum bei Oristano

Heiliger Brunnen der Nuraghenkultur, heute Wallfahrtskirche.
Reste von Wandmalereien, deren Datierung mich überfordert.

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Nuraghen-Komplex Tamuli bei Macomer mit einer Nuraghe, drei Gigantengräbern und sechs Menhiren.

Abbildung:
drei Betili mit sekundär-weiblichen Geschlechtsmerkmalen im oberen Körperbereich, von asketischer Ausformung.

Mir widerstrebt noch immer etwas die Zuordnung von Dolmen und Menhiren zu den tatsächlichen Objekten.
Denn sprachlich führt ein „Dolmen“ doch eher in die Höhe, mit einer gewissen Leichtigkeit, weniger trutzig und mit der Möglichkeit, sich trotz der schweren Last vom Boden zu lösen.

„Menhire“ dagegen scheinen sich sprachlich für eine lastende Sperrigkeit zu verbürgen, für einen gedrungenen, unverrückbaren Zustand.

Doch mitnichten, nur umgekehrt wird ein kunstfachlich korrekter Schuh daraus.

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Santa Maria del Regno in Ardara, erste Hälfte 12.Jahrh.
Bemerkenswerter Altar, undatiert
.
Ich vermute, regional verzögerte Spätgotik, um 1500/20.

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Juni 6, 2014 Posted by | Leipzig, Neben Leipzig, Reisen | Hinterlasse einen Kommentar

Jürgen Henne, zurück aus Sardinien, mit einem Auerbachsalto, gehechtet mit Dreifachsalto und doppelter Schraube in die dumpf-trüben Nebenquellen deutscher Kultur

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Romanisches Sardinien, Santissima Trinità di Saccargia, zum Abknien, Mai 2014

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Florales Sardinien, Wildnis, Detail, Mai 2014

Da überschreitet man nun für vier Wochen die Grenzen des deutschen Sprachraums, siedelt sich für diese Zeit auf der elysischen Insel unterhalb Korsikas an, ohne Rund-u.Fernsehfunk, befreit von Presseprodukten, akzeptiert nach der Rückkehr das Bedürfnis, sich ein paar Blicke in deutsche Medien zu gönnen und sieht………Florian Silbereisen.

Um dieses Trauma folgenlos zu überwinden, muss man ein hartgesottener Zeitgenosse sein.
Die Gäste seiner Sendung, 31.5. ARD, sind dann u.a. Matthias Reim, Heino, Roland Kaiser, Bonnie Tyler, da bekomme ich Ohrläppchen-Beulen.
Für diese Veranstaltung wurde die Erfurter Messehalle mit 100 000 Litern Wasser geflutet und man ist auf diesen „rekordverdächtigen Bühnensee“, auf diese widerwärtige Hybris noch stolz.
Ich habe vor einigen Jahren in dieser Halle das Duett Plant/Page gesehen, ganz ohne Wasser.
Ein unvergessliches Konzert.

Mein Vorschlag an Florian Bleiblech.
Bei ähnlichen Lustigkeiten mit Wasser könnte mit den Gästen zukünftig ein heiteres Wasserballspiel organisiert werden.
Ein paar Piranhas mit vorbildlich gepflegten Zähnen, ohne Tendenzen zu Karies und nach einer Woche Diät müßten ja wohl zu beschaffen sein.

Zur gleichen Zeit (20 Uhr) gibt es im ZDF ein blödes Quiz, u.a. über Sport und Nahrung. Bei MDR läuft ein Tatort aus karolingischer Zeit, im NDR ein Tatort, gleichfalls alt wie das Rosental, BR bringt eine österreichische Gurke von 1960, RBB eine Wiederholung von „Liebling Kreuzberg“ und 3SAT irgendwelchen Heimatquark von 2009, schon der Titel „Gletscherblut“ treibt mich unter die Matte.
Heute dann (Sonntag, 1.Juni), trotz der langwöchigen Fußball-Hysterie in Bälde, ein belangloses Testspiel bei ARD, eine Tatort-Wiederholung auf WDR, eine Polizeiruf-Wiederholung auf NDR…..

Bald erfahre ich, dass ein Konzert mit Brian Ferry im Leipziger Gewandhaus wegen Unstimmigkeiten abgesagt wurde, einschließlich der Verleihung des „A Live in Voice“-Awards.
Die orchestralen Mutationen seiner Songs sind nicht so meine Welt und ich hatte mir auch keine Karten erworben, aber trotzdem…, etwas peinlich für Leipzig.

Und dann lese ich das favorisierte Konzertangebot Leipzigs für das laufende Jahr: Dieter Thomas Kuhn, Matthias Reim, Santiano, Roland Kaiser, Lakomy-Ensemble, David Garrett, Beatrice Egli, Hommage an Abba, Voxxclub, Angelo Kelly…..

Ich wünsche ja allen Besuchern dieser Konzerte eine erfreuliche Veranstaltung. Doch was wird mit mir?
Rodger Hodgson, die Stimme Supertramps, kräht sich im Sommer mit seinem wundervollen Fisteltenor durch die Leipziger Parkbühne, ein feiner Entschluss.
Und Elvis Costello belegt für zwei bis drei Stunden die herbstliche Bühne im Haus Auensee.
Doch Hinweise auf diese Aktion erachtete man im Konzertkalender der Leipziger Zeitung für entbehrlich.
Ein abenteuerliches Prioritätenverständnis.

Ich registriere, ich bin wieder zu Hause, doch den gedruckten Zeitplan für Fähren nach Sardinien werde ich in optischer Nähe ablegen.

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Juni 2, 2014 Posted by | Leipzig, Medien, Musik, Neben Leipzig | Hinterlasse einen Kommentar