Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, Sibylle Berg, Dreschflegel, Prasselkuchen, Hüftengang, Macke – Marc 2:0, Hanna Harfe, Clemens Cembalo, Bernd Brot, Kola-Bohrungen und „Macht’s doch besser“

Einleitung zu einer Kolumne bei SPIEGEL ONLINE  von Sibylle Berg (23.08.2014)

„Die deutsche Debattenkultur: Macht’s doch besser

Gibt es ein besseres Beispiel für das Vergeuden von Lebenszeit als Literaturdebatten? Liebe Kritiker, macht doch lieber was aus eurem eigenen Leben-und nicht das der anderen kaputt. „(Sibylle Berg)

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Gibt es, gibt es, ein besseres Beispiel für das Vergeuden von Lebenszeit als Literaturdebatten. Gibt es, gibt es!  Texte von Sibylle Berg lesen.


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Sibylle Berg erweitert dann noch im weiteren Verlauf den Kreis der Mitmenschen, die sie zu einem erfüllten Leben, auf einen Weg ohne Dresche führen möchte um Kritiker,  welche auf junge Schauspieler, Maler, Tänzerinnen, Sängerinnen normalerweise„eindreschen“ (Sibylle Berg).

Aber Kritiker dreschen doch nicht immer auf junge Schauspieler, Maler, Tänzerinnen, Sängerinnen ein, vereehrte Frau Berg. Es ist doch eine wundervolle Errungenschaft, dieser Disput zwischen Erzeuger und Verbraucher, gerade in der Kunst. Ohne diese Vorgänge würde eine Kultur in Belanglosigkeit , Willkür und Beliebigkeit verröcheln. Also bitte keine Napalm-Tüten in Debattierungs-Cafés in denen junge und alte Kritker ohne verbalen Dreschflegel über Künste debattieren, streiten,  sie kritisieren, ablehnen, anbeten, auf sie anstoßen (oft mehrmals) und vor allem lieben.

Hugo van der Goes (Pontinari-Altar) oder Signorellis „Geißelung“ in Altenburg, unweit von Leipzig, Bilder von Mark Rothko in New York oder Naumans „Anthro/Socio-Rinde Spinning“ auf der Documenta IX von 1992, also Kunst, die ich liebe und über die ich doch debattieren darf, liebe Frau Berg, bitte genehmigen sie es.

Aber auch über Piloty und Waldmüller (19. Jahrh.), über Tübke und Triegel (20/21. Jahrh), also Kunst, der ich meine Zimmerwände verweigern würde, lässt sich trefflich debattieren.  Nicht eindreschen, einfach nur debattieren.

Ich weiß nur, dass Sibylle Berg existiert und habe noch kein Wort von ihr gelesen. Das wird so bleiben, denn diese „Kolumne“ ist von erschütternder Dürftigkeit.

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Unaufgeräumter Schreibtisch. Das sollte sich ändern.

 

„Sie könnten etwas töpfern, statt diesen Text hier zu lesen, oder endlich mal ihren Schreibtisch aufräumen. Sie können sich überlegen, ob sie so weiterleben wollen wie bisher“ (S.B.).

Sie meint die Kritiker, die überlegen sollten, in dieser eigenen, im Bergschen Scharfsinn törichten Form weiterzuleben, möglichst mit dem Überlegungs-Ergebnis, anders zu leben.  Also töpfern und den Schreibtisch aufräumen oder ein Leben führen wie Sibylle Berg. Igittegitt…….

„……dass jede Meinung nur ein albernes Konstrukt ist.“(S.B.)

Mein Gott, welche Raffinesse in diesem Halbsatz, welch kühner Ansatz und intellektuell-revolutionäre Delikatesse. Diese spät-molekulare Divergenzsynthese, verbunden mit der Kierkegaardschen Seismographie des frühen Verlustes pro-äquatorialer Substanzmetaphern.

„Warum ist es scheinbar nicht möglich, Dinge, selbst wenn sie uns nicht interessieren, wohlwollend zu betrachten.“ (S.B.)

„Großartige Filme wollt ihr? Dann zerreißt die erste Arbeit eines jungen Menschen nicht, sondern bestärkt ihn.“(S.B.)

Es geht doch nicht um Ignoranz und Interesse, es geht um Kritik und Qualität, um Säulen des kulturellen Gefüges. Denn wenn ich ein Bild heftig kritisiere, bin ich doch mitnichten auf dem Weg zu Ignoranz und Interessen-Askese, im Gegenteil. Und weshalb soll ich ein Theaterstück „wohlwollend betrachten“, wenn es mir aus nachvollziehbaren Gründen, die ich dann natürlich auch trefflich beschreiben würde, auf die Hüfte geht.  Und es ist mir auch ziemlich Pansen, ob es sich dabei um einen“jungen Menschen“ handelt oder sich schon die Vergreisung ausformt.

Aber ich ignoriere nicht und bekenne mich als Anhänger von Qualität, die aber keinesfalls eine Geschmacksfrage ist und unabhängig als Wertkategorie existieren sollte. Ich mag Macke außerordentlich, weniger Marc oder Leger, zweifle aber niemals  an deren Qualität, denn Qualität ist keine Geschmacksfrage, zum Beispiel.

Herausragendes wollt ihr? Dann schneidet nicht alles, was aus dem Feld der Mitte ragt, was komisch ist, unbekannt, nicht einzuordnen, das sich nicht geschickt vermarktet oder komisch aussieht, den Kopf ab.“(S.B.)

Mir schwinden die Sinne. Irgendwie habe ich ich diese Klischee-Fanfare schon millionenfach gehört. Allein von mir in tausenden Variationen. Das klingt so schick progressiv und so anders. Und es ist ja auch richtig, gehört aber in die Rubrik pubertärer Frontal-Argumentation.

Ich bin ein fast exzessiver Begleiter zeitgenössischer Kunst, von bildender Kunst, Musik, Literatur und errege mich natürlich auch über aktuelle Geld- und Preisverteilungen. Hier reiche ich Sibylle Berg die Hand. Diese Inkompetenz und Feigheit der entsprechenden Verteiler, stets die Gleichen zu krönen und den ruhigen und sicheren Weg zu bevorzugen, ist alle Verachtung wert. Und jetzt ziehe ich meine Hand wieder zurück, sie wurde schon schweißig.

Doch nicht alles, „was aus dem Feld der Mitte ragt, was komisch ist, unbekannt, nicht einzuordnen, das sich nicht geschickt vermarktet oder komisch aussieht, “ ist „Herausragendes.“, verehrte Frau Berg. Und nicht alles von vorgestern ist belangloser Schnee von vorgestern.

Ich bin bei Sibylle Bergs Dialektik beschämend überfordert.

Wenn z.B. ein Zeitgenosse rohe Koteletts an die Wand nagelt und mich mit Lexikonwissen über Platon, Hitler bis Foucault zulabert, lasse ich meine Sorgen sich ungehindert entfalten. Habe ich selbst erlebt. Mich interessiert das Kotelett außerordentlich und ich betreibe keinerelei Ignoranz und Desinteresse. Doch Wohlwollen muss ich ja nicht bereithalten. Vielleicht aber etwas Kritik, zwischen Töpferei und Schreibtischpflege, von Sibylle Berg empfohlen

Und mit „Macht’s doch besser“ (S.B.) hat Sibylle Berg dann eine besonders erlesene Stufe der Einfältigkeit erklommen. Als Solist auf der Harfe oder dem Cembalo bin ich nur begrenzt einsetzbar.

Und wenn ich dann gegenüber den Solisten Hanna Harfe und Clemens Cembalo verkünde, dass ich in ihrem Spiel doch einige Mängel erkannte, weil mein musikalisches Gespür bestechend entwickelt ist, müssten sie mir entgegnen: „Mach’s doch besser, du Pfeife“ Ich müsste dann erneut bekennen, diese Instrumente nicht beherrschen. zu können. Hanna Harfe und Clemens Cembalo dann abschließend: „Also, na bitte, dann halt Dein Maul.“

 

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Oder ich sage dem Bäckermeister Bernd Brot, dass ihm der Prasselkuchen misslang, sollte er dann antworten: „Mach’s doch besser und backe deinen Dreck selbst, du Heinz.“

„Dann macht’s doch besser“ ging mir schon vor fünfzig Jahren auf die Testikel. Diese Denkstrukturen sind so unterirdisch wie die Kola-Bohrungen.

Hätte man Friedrich Luft, Siegfried Jacobsohn, Reich Ranicki, Eduard Hanslick bitten sollen, endlich etwas aus ihrem Leben zu machen oder zumindest zu töpfern und die Schreibtische aufzuräumen. Und nicht so „herumzudreschen.“

Wäre ja möglich. Doch die Bitte zu formulieren, ihr Leben zu ändern und  die Texte Sibylle Bergs zu lesen, würde meine Kräfte zermürben. Und im nochmaligen Angesicht ihrer Beiträge werde ich weder töpfern noch  meinen Schreibtisch aufräumen, auch nicht herumdreschen. Ich wechsle das Bild.

 

 juergenhennekunstkritik.wordpress.com
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August 26, 2014 Posted by | Leipzig, Medien | Hinterlasse einen Kommentar