Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne und die Leipziger Buchmesse, Rekordbottiche, Else Buschheuer, Ute Freudenberg, Quantität-Hybris, die Ebenen der Mittelmäßigkeit, garstige Genügsamkeit, Druck auf Nebenhoden, Wolfgang Hilbig und Oskar Pastior und die Vettern vierten Grades von Charles Ives

Buchmesse Leipzig 2012

Leipziger Zeitung vom 14. März 2012 (oben und unten)

Ich will doch einfach nur gute Literatur hören und lesen.
Noch keine Zeile wurde dargeboten und man wird schon mit neuen Zahlen aus dem Rekord-Bottich zugeschlammt.
Die Zahl der Verlage, der Länder, der Lesungen, der Autoren, der Leseorte, der Bücher.

Gönnt mir doch einfach nur eine kleine, stille Lesung, ohne Rekorde, Zahlen und dusslige Kommentare.

Auf der Titelseite (oben) im Einleitungsabschnitt gibt es Informationen über die Länderbeteiligung, über die Zahl der Einzelstände und Bücher. Dann am Beginn des Haupttextes die Zahl der Autoren und Leseorte.
Die Bildunterschrift auf der Kulturseite dieser Zeitungsausgabe (unten) bietet dann wiederum die Zahl der Verlage und Länder, die Autorenbeteiligung und die Zahl der Bücher.
Der Einleitungstext auf der Kulturseite überrascht uns endlich mit der Anzahl der teilnehmenden Verlage, der Länder und der Bücheranzahl.
Im unteren Teil wird unser Wissen über die Zahl der Autoren, Veranstaltungen und Leseorte gefestigt.
Im Service-Bereich des Artikels erhalten wir dann nochmals komprimierte Hinweise auf die Zahlen der teilnehmenden Verlage, der Länderanzahl, den Umfang der lesenden Autoren und der Leseorte.
Und dann fallen wir gemeinsam in ein Belästigungskoma.

Sind wir denn wirlich alle so bekloppt, diesen Zahlensud ertragen zu müssen.
Ich will doch einfach nur gute Literatur hören.

Vielleicht sollte endlich wieder einmal die Qualität der angebotenen Literatur, der Lesungen beachtet werden, weniger diese nervende Quantität-Hybris zelebrieren. Denn der Anspruch der Veranstaltung bewegt sich in die unteren Ebenen der Mittelmäßigkeit, doch wird sie von schlechten Journalisten und garstig genügsamen Kritikern grundlos gerühmt.

Die Leipziger Zeitung (oben) gibt dann einen kleinen Enblick in ihre Autoren-Arena. Lesen werden u.a. Wladimir Kaminer, Andrea Maria Schenkel, Thomas Brussig, Ute Freudenberg, Else Buschheuer.
Mir graut. Kaminer mit seinen Erweiterungen der Russendisko, in der schon Rubljow getanzt hat. Oder Else Buschheuer und ihre fast boshaft banale Prosa. Vielleicht liest und singt Ute Freudenberg ihre grauenhaften Schlagertexte, die den Status von Körperverletzunge erfüllen und Brussig langweilt mit populär-verkaufsorientierten Wenderlebnissen.
Ich sehne mich ohnehin nicht nach literarischen Lesungen. Mir ist die Atmosphäre weitgehend unangenehm.
Diese wissende, verständnissvolle, tiefschürfend blickende Herumhängerei geht mir ziemlich gebündelt auf die Nebenhoden.
Ich erfreute mich an Lesungen mit Wolfgang Hilbig, Oskar Pastior, Uwe Kolbe, Thomas Kunst, das genügt zunächst.
Bei Thomas Bernhard hätte ich gern und bei J.M. Coetzee würde ich mich allerdings wieder mit gedankenreicher Mimik auf einem Besucherstuhl platzieren.
Sicherlich werden auch herausragende Ereignisse stattfinden.
Doch bekenne ich, dass ich die Leipziger Buchmesse meiden werde.

Ich korrigiere. Am Sonnabend vergnüge ich mich still bei einer Stunde
mit Klavier-Musik von Charles Ives und Henry Cowell. Ralph Roger Glöckler, der Portugal-Euphoriker, liest dazu aus „Mr. Ives und die Vettern vierten Grades“.
Danach höre ich in meinem heimatlichen Musiksalon Ives` dritte Sinfonie.

Nachtrag aus der heutigen Zeitung (15. März)

Buchmesse 2012

Auf der Titelseite werden wir mit den Zahlen der ausstellenden Verlage, Länder, Leseorte und Veranstaltungen verwöhnt.

Auf der Kulturseite gibt es bei der Texteinführung die Angaben über die Teilnehmerzahl der Länder, Autoren, Leseorte, ausgestellte Bücher.
Und ich werde jetzt mit den Literaturfreunden meiner Umgebung eine lustige Wissensstunde organisieren, z.B.

Wieviel Länder nehmen an der Buchmesse teil?

Wieviel Leseorte werden angeboten?

Wieviel Verlage stellen aus?

Bei auffälliger Unkenntnis wird als Strafmaßnahme ein intensives Studium der Leipziger Volkszeitung vollzogen!

juergenhennekunstkritik.wordpress.com

juergen-henne-leipzig@web.de

März 15, 2012 - Posted by | Leipzig

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