Juergen Henne Kunstkritik

Jürgen Henne, die Kunsthalle Talstrasse in der Hallenser Talstraße. Wieder.Sehen in der Talstraße, zehn Malerinnen und Maler, Graphikerinnen und Graphiker, Bildhauerinnen und Bildhauer in der Kunsthalle Talstrasse des Kunstvereins Talstrasse in der Talstraße

Eingangsbereich der Kunsthalle Talstrasse vom Kunstverein Talstrasse in Halle/Saale

Es ist ja nicht so, dass ich wegen dieser Ausstellung bis nach Spitzbergen schwimmen würde.

Doch mein kulturhistorisches Interesse, auch an entsprechenden DDR-Geschichten, trieb mich in positiver Grundstimmung an die Saale, nur reichlich dreißig Kilometer entfent von meiner Heimatstadt.

Im Blickfeld der Burg Giebichenstein gründete sich am Beginn der 90er Jahre in Halle/Saale der Kunstverein Talstrasse, der sich inzwischen als bemerkenswert dominierendes Areal für zeitgenössische Kunst und Kunst des 20. Jahrhunderts in der Stadt Händels, Genschers, Thomasius`…. etabliert hat.

Aus meiner kleinen Sammlung von Katalogen des Kunstvereins Talstrasse, „Wahn-Sinn. Jean Dubuffet & Art brut“, 2015

Ausstellungen mit Arbeiten von meinem hochgeschätzten Antoni Tàpies, von Lüpertz, Giacometti und Nay, von Morandi, Fritz Winter, Beuys, Marcks, Dubuffet & Art brut, (s. Foto oben)…..und dem herausragenden Einzelgänger des vergangenen Jahrhunderts (Georges Rouault) grundieren diesen Status. Wer am Tag dessen Bildnisse von Clowns und Prostituierten sieht, wird des Nachts nur schleppend in den Schlaf kommen.

Die aktuelle Ausstellung zeigt unter dem Slogan „Wieder . Sehen. Berliner Künstlerinnen und Künstler treffen Helga Paris“ die Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern aus Berlin, die Helga Paris mal hier sahen, mal dort sahen und ziemlich oft in Berlin sahen und jetzt wiedersehen, zumindest symbolisch mit Kunstwerken und weniger in Berlin, aber in Halle/Saale ( Erfrischend empfinde ich den Verzicht auf dieses dämliche Sternchen).

Zehn Malerinnen und Maler, Graphikerinnen und Graphiker, Bildhauerinnen und Bildhauer wurden von Helga Paris fotografisch porträtiert, zumeißt in deren Ateliers der 60er/70er Jahre.

Neben diesen Fotografien hängen, stehen oder liegen in der Talstraße künstlerische Ergebnisse dieser zehn Malerinnen und Maler, Graphikerinnen und Graphiker, Bildhauerinnen und Bildhauer, auch Arbeiten der unmittelbaren Gegenwart. Auf der Liste hat sich ein anständiger Gleichstand zwischen lebendigen und weniger lebendigen Teilnehmern ergeben, 5:5.

Harald Metzkes, Ronald Paris und Nuria Quevedo hatten vor 1989 weitgehend keine Beschwernisse zu erleiden, ihre Kunst bei Solo-Darbietungen oder innerhalb der Massenveranstaltungen in den großen Museen der Bezirke oder im 5-Jahres-Rhythmus während der staatlichen Happenings der Arbeiter-u. Bauernklasse zu präsentieren. Bei den anderen Teilnehmern gab es schon, gestaffelt nach unterschiedlicher Intensität, doch einige Verwicklungen mit z.T beleidigend dümmlichen Kulturfunktionären.

Auch eine Fotoaustellung mit Arbeiten von Helga Paris wurde Mitte der 80er Jahre in Halle/Saale kurzfristig abgesagt.

Wobei ich Metzkes als qualitativ hochwertigsten Spitzenreiter in diesem Terzett bewerten möchte, zumindest was sein gesamtes Lebens-Ouevre betrifft. Die aktuell in Halle gezeigten Bilder sind nicht die großen Euphorie-Anheizer.

Auch bei Dieter Goltzsche ist die Auswahl eher misslungen, denn es gibt von ihm vortreffliche Schöpfungen.

Die Bilder von Manfred Böttcher sind sehenswert, bei Wolfgang Leber sind sie es eher weniger.

Sabina Grzimek

Pferd, 2018, Gips bemalt

Sabina Grzimek

Weintrauben essender Knabe (oder so ähnlich), ich vermute ebenfalls bemalten Gips

Und ich preise in den mir zur Verfügung stehenden höchsten Tonlagen die Bildhauerei und die Radierungen von Sabine Grzimek (oben und unten). Schon allein für sie wäre ich doch nach Spitzbergen geschwommen.

Sabina Grzimek, Radierungen, koloriert

Sabina Grzimek, Radierung, koloriert

Sabina Grzimek, Radierung, koloriert

Ich verspüre wenig Motivation, schlichten Gemütern zu erläutern, dass es sich hier mitnichten um Gekritzele, Gekleckse und Gipszusammengeklatsche handelt. Sondern um bemerkenswerte Kunst. Jawohl.

Kunsthalle Talstrasse, Treppenhaus, Fotografien von Helga Paris

Neben den Malerinnen und Malern, Graphikerinnen und Graphikern, Bildhauerinnen und Bildhauern die auf der ersten Etage ihre Kunst aufreihen, fotografierte Helga Paris (geb.1938, sie wohnt seit Jahrzehnten am Prenzlauer Berg.) auch andere große und kleine, wichtige und unwichtige, gutartige und bösartige Darsteller innerhalb der DDR-Kulturszene in den 70er/80er Jahren.

So lichtete sie z.B. Sarah Kirsch, Christa Wolf, Erich Arendt. Uwe Kolbe, Elke Erb…von der literarischen Liga ab, die bildenden Künster werden z.B. durch Max Uhlig und Theodor Rosenhauer vertreten.

Helga Paris, Atelier Hans Scheib, Berlin 1981

Und es drängte sich auch eine Gestalt vor das Fotografen-Werkzeug von Helga Paris, die Wolf Biermann in seiner Darmstädter Büchner-Preis-Rede 1991 als Sascha Arschloch abrüpelte. Recht hatte der Wolf, denn Sascha gehörte eindeutig zu den ausufernd bösartigen Darstellern (Foto oben, untere Reihe, ganz rechts).

Trotz fehlender Notwendigkeiten und gegen sinnvolle Normen der Sprachkultur zelebriert der Kunstverein Talstrasse in der Kunsthalle Talstrasse mit heiterer Ignoranz seinen Standort in der Talstraße.

Ehrlich, so richtig Spasss macht mir das nicht.

Kunsthalle Talstrasse, Halle/Saale, Talstraße 23 , bis 5.Februar 2023, Mi-Fr 13-18 Uhr, Sa u.So 13-17 Uhr

juergenhennekunstkritik.wordpress.com
juergen-henne-leipzig@web.de
ILEFLoffsen2005198309092012dorHH

November 17, 2022 - Posted by | Leipzig

Du hast noch keine Kommentare.

Hinterlasse einen Kommentar