Jürgen Henne, New York, Woody Allen, „Whatever Works“, Larry David und ein hässliches Entlein
Woody Allen
Als ich „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nie zu fragen wagten“ intellektuell und filmästhtisch zur Kenntnis nehmen wollte, brüllte ich nach wenigen Minuten Wort-Torpedos wie Einfältigkeit und Dümmlichkeit zwischen die Wände und mied dann viele Jahre die Filme Woody Allens. Streifen wie „Der Stadtneurotiker“, „Manhattan“, „Mach´s noch einmal, Sam“ oder „Hannah und ihre Schwestern“ sind für mich cineastische Wüsten.
Erst mit „Cassandras Traum“(2007) und „Vicky Cristina Barcelona“(2008) begann ich einen erneuten Versuch und konnte eine sanfte Schwellung meiner Zuneigungs-Gene nicht vermeiden
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Und gestern nun „Whatever Works“, Woody Allen im Jahr 2009.
Die nervende Kotztüte Boris Yellnikoff (Larry David), potentieller Nobelpreisträger, vereinsamt und am Rande der Asozialität, rüpelt sich durch die Welt, deren Bewohner er weitgehend in die Kategorien Kretin, Hohlkopf, Spulwurm….einordnet.
Dieser cholerische, notorisch missmutige Halbneurotiker versucht, Kindern Schach zu lehren, deren Selbstbewusstsein er gleichzeitig durch kontinuirlich dargebotene Beleidigungsexzesse knebelt. Er lamentiert über die Unsinnigkeit automatischer Toilettenspülkästen und nervt seine Umgebung mit der schonungslosen Darstellung seiner intellektuellen Sonderstellung.
Doch ist auch er nicht vor archaischen Gefühlen gefeit und verliebt sich in eine ansehnliche Frau (Evan Rachel Wood), einer Vagabundin, die aus den Südstaaten und ihren Eltern entflohen ist, abgefüllt mit Naivität und beängstigenden Wissensdefiziten. Dennoch schreitet dieses Kontrastduett nach Turbulenzen der unterschiedlichsten Phonstärke zur Trauung, Yellnikoff grundsätzlich humpelnd, nach einem misslungenen Suizid
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Larry David als Boris Yellnikoff
Doch beendet er auch jetzt nicht seine Nölereien. Seiner Frau Melodie bescheinigt er weiterhin konsequent eine ausufernde Unbedarftheit und deren getrennten Eltern, die ihrer Tochter aufdringlich nachreisten und die bei der Kenntnisnahme dieser Verbindung kurz vor dem Koma standen, die borniert dogmatischen Denkmuster des gemeinen Südstaatlers mit christlichem Weltbild
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Woody Allen und Larry David
Doch dann ist natürlich noch New York, dieser zu Stein und Mensch gewordene Urschrei, diese heiße, röchelnde, kreischende Mutationshölle, diese Lustposaune für alle unerledigten Wünsche.
Melodies miefiger Vater (Ed Begley Jr.) bekennt sich nun zu seiner schwulen Grundkonstellation.
Melodies miefige Mutter flippt vor sich hin, suhlt sich in der New Yorker Kunstszene und eröffnet ihre Ausstellung mit „schweinischen“ Bildern.
Melodie löst sich von Boris, findet einen gleichaltrigen Schönbatzen und faselt so wundervoll altklug und immer noch ohne tiefere Kenntnis die Fundamentalsätze Yellnikoffs in die Menge, der seinerseits nach einem erneuten Suizidversuch nicht auf dem Asphalt, aber auf einer Hellseherin landet und diese ehelicht.
Jeder wandelt sich, meuchelt seinen Alp, der ihm bislang die Luft nur in Portionen zum Überleben anbot und lässt, mit der Hilfe New Yorks, eben die unerledigten Sehnsüchte herausfluten.
Der Film ist eine auserlesene Melange tiefschürfender Weisheiten, plakativer Einschübe, feinsinniger Dialoge und einer bestechenden Situationskomik.
Der jüdische Humor in seinen politisch-philosophischen Dimensionen, bitter, krass, schneidend und mit der heiteren, manchmal unfassbaren Verarbeitung von Leid und Trauer hüllt diese Komödie in eine große Ernsthaftigkeit. Vorzügliche Schauspieler bis in die letzte Reihe und eine prägnant schnörkellose Sprache mit ironisch-zynischer Sonderdekoration erheben diesen Streifen zu einem bedeutsamen Ereignis des auslaufenden Jahres.
In der Schlusssequenz finden sich alle zur Sylvesterumarmung unter der Maxime: „Wenn es funktioniert, dann ist es eben gut“. Scheinbar das Leitthema in Allens Filmoevre. Sagte man mir. Ich kann es nicht beurteilen, ich habe Woody Allen ja bisher ignoriert.
Ich denke, dass wird sich ändern.
Ich bin selten reif für die Insel, nach der sich Peter Cornelius vor fast dreißig Jahren sehnte. Für New York hat sich aber bei mir wieder ein Reifegrad entwickelt, der mich dazu treibt, ältere Aufnahmen auf meinen Nachttisch zu legen.
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Brooklyn Bridge
Alle Bilder, New York, Früherbst 2008
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Chrysler Building mit benachbarter Architektur
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Denkmal Hans Christian Andersen mit meiner wundervollen Frau, Central Park. Allerdings frage ich mich nach der Verbindung des Dänen zu New York. Man übersehe nicht die alberne Ente, links
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Hohe Hochhäuser und kleine Kirche
Auf dem Empire State Building
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Verneigung vor John Lennon, Central Park
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